(ay) Wenn Jürgen Vogel aus Urspringen über seine steirische Harmonika und seine Musik spricht, dann merkt man sofort, dass er Vollblutmusiker ist. Am kommenden Sonntag wird er um 14 Uhr im Saalbau Lengfurt zum zweiten Mal bei Wilhelm Schwerdhöfers „Infrakultur“-Konzert auftreten.
Jürgen Vogel, Inhaber eines Transportunternehmens in Urspringen, begann schon im zarten Alter von acht Jahren, die steirische Harmonika zu spielen. In der Familie hatte das Tradition, denn Vogels Vater, der damals ein Busunternehmen betrieb, pflegte auf längeren Busfahrten gerne seine Harmonika zu spielen. Die ganze Familie machte damals Musik, und Jürgen Vogel lernte die Steirische zu spielen, nicht nach Noten, sondern nach Gehör. „Wahrscheinlich habe ich halt das Talent.“ Ein Stück zwei-, dreimal gehört, schon kann er es spielen.
Auf einer Musikmesse in München bekam er 1970 „seine“ Steirische vom Vater geschenkt, die er vor zwei Jahren auf der „Infrakultur“ erstmals vorstellte, mittlerweile sind weitere sehr schöne Exemplare hinzugekommen. Die Steirische ist ein diatonisches Instrument, das auf Druck oder Zug verschiedene Töne produziert.
Ihre „Erfindung“ wird dem deutschen Instrumentenbauer Christian F.L. Buschmann zugeschrieben. Den Namen „steirisch“ bekam das Instrument in Wien, wo man „ländlich“ und „steirisch“ gerne gleichsetzt. Es lässt sich damit eben besonders schön alpenländische Musik spielen.
Die Steirische ist in Österreich, Slowenien, Tschechien, Südtirol und Bayern verbreitet. Und: Eine steirische Harmonika ist kein Akkordeon. Sie weist drei, meistens vier Griffreihen auf, besitzt aber keine weißen und schwarzen Tasten. Hinzu kommt bei der Steirischen ein sehr charakteristisch stark klingender Bass („Helikonbass“), der mit der linken Hand gegriffen wird. Durch ihre Spielweise ist die Steirische kein Ensemble-Instrument, maximal zwei Steirische können gut zusammenklingen, eine spielt die Melodie, die zweite zurückhaltende Begleitung. 20 Steirische zusammen? „Undenkbar“, meint Vogel. Und Akkordeon zusammen mit der Steirischen? „Das passt auch nicht.“
Sein umfangreiches Repertoire wächst ständig: Er hat gelernt, auch mit höchst komplizierten Kreuzgriffen komplexere Akkorde zu spielen, auch schnelle Tonfolgen machen sein Spiel sehr farbig. Bei den vielen Urlaubsreisen nach Südtirol tauchen auch beim Kontakt mit den Musikern dort immer wieder neue Stücke auf, die ins Repertoire einfließen.
Jürgen Vogel begann außerdem schon mit fünf Jahren, Schlagzeug zu lernen, er spielt dies bei verschiedenen Kapellen in Urspringen, ist jetzt wieder als Schlagzeuger aktiv bei den „Grundlern“. Jahrelang hatte er seine Musikaktivitäten aber auf Eis gelegt, des Berufs wegen. Der Initiator der „Infrakultur“-Konzerte, Wilhelm Schwerdhöfer, kannte Vogel zwar nicht persönlich. Vor zwei Jahren weckte er aber mit der Kassette eines namhaften Südtiroler Steirische-Solisten im LKW-Radio Jürgen Vogels Interesse. Der meinte: „So gut spiele ich mindestens auch“. Er spielte sogar besser. Der durchschlagende Erfolg war: Jürgen Vogel, der jahrelang „nur“ Hausmusik mit Ehefrau und den beiden Töchtern gemacht hatte, war zurück in der öffentlichen Musikwelt. Seit diesem Tag vor zwei Jahren kennt Jürgen Vogel auch das Ehepaar Rainer und Anita Dengel aus Höchberg, mit dem er regelmäßig Auftritte hat.
Neben Jürgen Vogel sowie dem Duo Rainer und Anita Dengel werden noch das Reblaus Duo (Hackbrett und Zither), das Doppelquartett Homburg (Gesang) und die Geschwister Schwerdhöfer (Zither) bei „Infrakultur“ auftreten.
Karten gibt es in den Raiffeisenbanken der Umgebung, übrige Karten an der Abendkasse.
Die Steirische
Mehrere Instrumente zu besitzen, ist bei der steirischen Harmonika nicht Sammel-Leidenschaft, sondern notwendig. Die Steirische ist nämlich „rein gestimmt“, also in einer bestimmten Tonart, und auf vier Tonarten begrenzt. Ein Wechsel der Tonart innerhalb eines Stückes klingt alles andere als gut, man muss dazu schlicht und einfach ein anderes Instrument nehmen. So hat Jürgen Vogel eben einfach eine ganze Kollektion von Steirischen von verschiedenen Herstellern, die diese sogar nach Vorbestellung ganz individuell anfertigen. Mittlerweile besitzt Jürgen Vogel auch ein Exemplar der weltweit kleinsten spielbaren Steirischen. Er wird sie beim „Infrakultur“-Konzert in Lengfurt dem Publikum vorstellen.
Digital-„Steirische“ (nur mit elektronischer Verstärkung spielbar) gestatten die Tonart-Umstellung auf vorherigen Knopfdruck. Jürgen Vogel wird so ein Instrument aber nicht anschaffen.
Akkordeons mit ihren 96 Tönen sind im Gegensatz zur Steirischen meist „temperiert“ gestimmt, also auf einen verträglichen Mittelweg, in welchem nur Menschen mit absolutem Gehör Tonfrequenzverschiebungen zu hören im Stande sind. Jürgen Vogel hat bei Auftritten immer mindestens zwei Instrumente dabei, eines für Stücke mit Gesang (C- oder F-Dur), ein weiteres für Stücke, in denen auch Blechbläser (B-, As- oder Des-Dur) dabei sind. Text: ay