Das stattliche ehemalige Forstdienstgebäude hatten Josef und Hedwig Endrich um 1890 erworben, nachdem das von ihnen vorher betriebene Gästehaus März für die Nachfrage zu klein geworden war. Einblick in die Geschichte des Hauses gibt der 59-jährige Enkel gleichen Namens, der es bis 2002 selbst betrieb.
„Die Gäste kamen schon immer meistens aus Berlin, Hamburg, dem Ruhrpott oder den Großstädten im Rheinland und dem Rhein-Main-Gebiet, aber auch aus Würzburg“, berichtet Endrich. Die Einträge im ältesten noch vorhandenen Gästebuch von 1907 bestätigen das. Da ist in gestochen scharfer deutscher Kurrent- oder Sütterlinschrift in Prosa und in Versform viel von Natur, Geselligkeit und schönen Stunden am Saalestrand zu lesen.
Die Sätze in schwarzer Tusche oder Tintenbleistift rühmen nicht nur ganz im Zeitgeist die Natur, sondern auch die gute Verpflegung und die Gastfreundschaft der Familie Endrich. Einmal wird das Schlachtfest gepriesen und ein anderes lustiges Gedicht beschreibt den Gänsetod in Seifriedsburg, den der Wirtschaftshund „Cäsar“ zu verantworten hatte. Den Schaden beglichen die Touristen nach langen Verhandlungen mit vier Mark. Die Vorfreude auf einen saftigen Braten erfüllte sich damals allerdings nicht (siehe Artikel nebenan).
Mit viel Gefühl schrieb „ein dankbarer Naturfreund“ im Juni 1908: „Ich sah des Schönen viel in Staaten, vom Westmeer bis zum Russenreich, ich sah gar manche schöne Städte, an Pracht und Glanz schier überreich. Doch darauf wag ich jede Wette: An Anmut kommt nichts Schönau gleich!“
Der Tourismus florierte
Nach den beiden Weltkriegen florierte der Tourismus. Es gab Nachholbedarf und die Hausgäste kamen in Scharen. „Manche besuchten uns 40-mal oder öfter, und später die Kinder und Enkelkinder“. Die meisten der 25 Gäste, die das Haus beherbergen konnte, buchten Vollpension, erzählt Endrich und hebt Originale hervor wie den Schnullerfabrikant aus Oberbayern, der immer zum Angeln kam und „Geld wie Heu hatte“.
Generell verdienten die Arbeiter in den Großstädten schon so viel, dass sie sich einen Urlaub an der Saale leisten konnten. Dazu kam, dass in den Städten noch vieles in Trümmern lag und man auf dem Land ein wenig heile Welt und günstige Preise vorfand. Schließlich war auch 1958 der erfolgreiche Kinofilm „Das Wirtshaus im Spessart“ mit Lilo Pulver in der Hauptrolle eine zugkräftige Werbung für den Spessart in der gesamten Bundesrepublik.
Ein prominenter Gast logierte Ende der 50er Jahre im Alten Forsthaus, das mittlerweile in der zweiten Generation der Sohn, der zweite Josef in der Wirtedynastie Endrich, und seine Frau Maria führten. Es war Willy Brandt, der regierende Bürgermeister von Berlin und spätere SPD-Vorsitzende, Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger. „Der war schon zwei Tage da und wir haben ihn nicht erkannt, bis die Berliner Hausgäste im Frühstückssaal riefen: „Das ist ja unser Bürgermeister.“ Brandt war mit Ehefrau Rut und zwei Söhnen nebst Hausmädchen im „Buckel-Opel“ angereist, erinnert sich Josef Endrich III. genau – ohne Leibwächter. Leider ist das Foto nicht mehr auffindbar.
Nicht nur die Sommerfrischler genossen die vorzügliche Küche des Hauses mit Hausschlachtung, auch Gäste aus Gemünden und der Region wussten Wild, Fisch, Wein und die Torten aus der eigenen Konditorei zu schätzen. Obwohl die Leute nicht viel Geld hatten, haben sie sich doch ab und zu etwas gegönnt – anders als heute, meint Endrich: „Es gab festliche Gesellschaften, da erschienen die Damen selbstverständlich im Abendkleid.“
Umfangreiche Weinkarte
Die umfangreiche Weinkarte mit acht Schoppenweinen begann mit französischem Weißwein zu einer Mark und endete beim 54er Iphöfer Julius Echterberg zu 1,80 DM. Die Flaschenweine und Bocksbeutel konnte sich der Gast aus einem Album mit eingeklebten Originaletiketten aussuchen. Die Zecher hielten sich meist an den fränkischen Hausschoppen oder an die Bocksbeutel der renommierten heimatlichen Weingüter. Ein 1953er Homburger Kallmuth Riesling aus der Fürstlich Löwenstein-Freudenberg'schen Kellerei war für zehn Mark inklusive zehn Prozent Getränkesteuer zu haben. Eine Halbe Märzenbier kostete nur 60, eine Flasche Limonade 25 und Coca Cola 40 Pfennig. Zum Vergleich: 1954 lag der Stundenlohn in der Metallindustrie bei 1,54 Mark. Für einen VW-Käfer musste man 4200 Mark anlegen und 1958 kostete ein Pfund Butter 3,40 Mark. Dagegen gab es den Liter Heizöl für heute traumhaft anmutende 15 Pfennig.
Die Zeiten wandeln sich und so ging die Hochzeit der Sommerfrische in den 70er Jahren zu Ende. Die Welt rückte zusammen und die ersten Fernreisen reizten vor allem die jungen oder jung gebliebenen Urlauber. Auf dem Tourismusmarkt ging die Entwicklung weiter und die Zimmer im Alten Forsthaus waren nicht mehr zeitgemäß.
Josef Endrich versuchte mit Veranstaltungen und Musikabenden unter anderem mit Country-Bands den Saal zu nutzen. Doch die Ansprüche der Gäste wurden immer höher „und irgendwie war die Zeit darüber weg“, bedauert der Wirt, der 2002 das Alte Forsthaus schloss und heute im ebenfalls traditionsreichen Höllricher Gasthaus Zum Hirschen in der Küche und hinter dem Tresen steht.