„Mein Leben war früher nicht so lebenswert“, sagt der 26-jährige Suleyman. Der junge Mann möchte anonym bleiben. Deshalb hat er sich entschieden, nur mit seinem neuen arabischen Namen genannt zu werden. Im Alter von 25 Jahren konvertiert er zum Islam. In seiner neuen Religion hat der Mann aus dem Landkreis Main-Spessart Zusammenhalt und Stabilität erfahren. Suleyman hat sein Leben umgekrempelt. Der Islam habe ihm geholfen, ein besserer Mensch zu werden, sagt er.
Aufgewachsen ist Suleyman im Spessart. Seit frühester Kindheit hatte er Kontakt zum Universellem Leben, dem seine Eltern angehören. Er besucht bis zur 8. Klasse die Schule „Lern mit mir“ in Esselbach, die von UL-Mitgliedern geführt wird und wächst dort im Internat auf. Er wechselt auf eigenen Wunsch nach der 8. Klasse auf eine staatliche Schule.
„Meine Eltern haben mir immer meinen freien Glauben gelassen“, erzählt der 26-Jährige. Mit der Glaubensrichtung seiner Eltern konnte er sich nie identifizieren. „Ich war jahrelang Atheist.“ Mit seinen Eltern hätte er sich mehr gemeinsame Zeit gewünscht. „Aber ihnen ging es nur ums Arbeiten“, sagt der junge Mann. Bei den wichtigsten Ereignissen in seinem Leben, wie dem Hauptschulabschluss, seien sie nicht dabei gewesen.
„Ich habe nur meine schlechten Eigenschaften gegen gute getauscht.“
Suleyman, zum Islam konvertierter Deutscher“
In dieser Zeit habe er Sachen gemacht, auf die er nicht stolz sei. Er sei nicht immer tolerant gegenüber Ausländern gewesen. Seine Vergangenheit beschreibt der Veranstaltungstechniker und Verkäufer mit dem Wort „problematisch“.
Als er seinen Führerschein bei Fahrlehrerin Fatma Günal, Vorsitzende des türkischen Kulturvereins Marktheidenfeld, macht, kommt er zum ersten Mal mit dem Islam in Kontakt. Er zeigt Interesse und lernt mehr über die Religion. „Irgendwann habe ich aufgehört, Schweinefleisch zu essen.“ Anfangs hat der 26-Jährige nicht das Ziel, Moslem zu werden. Er verbringt mehr Zeit mit Günal und besucht auch öfter die Marktheidenfelder Moschee.
„Ich fand es interessant, beim Beten zuzuschauen“, erinnert sich Suleyman. Der junge Mann ist beeindruckt vom Zusammenhalt der Gläubigen: „Da gibt es eine Familie, die mich mit all meinen Macken und Ticks nimmt.“ Günal und der türkische Kulturverein geben ihm den familiären Halt, den er in seiner eigenen Familie sucht. Heute ist Günal seine „türkische Mama“.
2013 zieht Suleyman nach Berlin. Er lernt den deutschen Rap-, Reggae- und Soul-Musiker „Mellow Mark“ kennen. Der Künstler konvertierte bereits zuvor zum Islam. Suleyman fängt an, fünfmal am Tag auf deutsch zu beten. Er lernt einzelne Gebetssuren auf arabisch. Dies gibt ihm Sicherheit und „ein ganz anderes Lebensgefühl“. Die Religion mache ihn zu einer besseren Person: „Manche Menschen laufen mit Scheuklappen durch das Leben und sehen das Leid vieler Menschen nicht.“ Diese Einsicht habe er durch den Glauben gefunden. Freundlichkeit und Nächstenliebe seien ihm wichtig.
Mit der Zeit verzichtet der 26-Jährige auf Alkohol. Früher habe er viel getrunken. Durch „Mellow Mark“ lernt er eine Gruppe von Deutschen kennen, die zum Islam konvertiert ist. Bei ihr findet er Antworten auf Fragen zu seiner neuen Religion. „Sie konnten sich in mich hineinfühlen“, beschreibt er seine damalige Situation. In Berlin wohnt Suleyman eine Zeit lang bei einem deutsch-islamischen Rechtsanwalt.
Als er im November 2013 in Stralsund ein Glaubenstreffen besucht, konvertiert er spontan. „Das war absolut meine Entscheidung. Ich stand in der Mitte der Gruppe und musste fünfmal ein Glaubensbekenntnis (Schahada)vor einem Imam sprechen.“ Nach der Zeremonie ist man „automatisch dabei“. Mit dem Übergang zum Islam seien alle seine Sünden vergeben – so lautet die Lehre. „Das war für mich natürlich ein Bonus“, lacht der 26-Jährige. Islamisten würden dies jedoch falsch verstehen und den Glauben missbrauchen, stellt der junge Mann klar. Nach der Konvertierung hat er ein Jahr Zeit, „ein guter Mensch“ zu werden und Rituale wie das Beten zu erlernen.
Er braucht ein halbes Jahr, bis er es seinen Eltern sagen kann. „Das habe ich mir fast schon gedacht“, lautet die Antwort des Vaters. Für seine Mutter ist es schwerer. „Vielleicht gab sie sich die Schuld für meinen Religionswechsel“, vermutet Suleyman. „Ich hoffe, sie hat es akzeptiert. Die Mama will immer das Beste für ihr Kind. Dann schaut man Fernsehen und sieht die Islamisten. Aber das bin nicht ich“, erklärt der 26-Jährige.
In jeder Religion gebe es schwarze Schafe. Den Koran setze er mit Bedacht um: Er übernehme die Ansichten des Islams, die er als richtig und gut empfinde. „Jeder soll die Religion ausüben, die er möchte“, sagt Suleyman. Er würde nie einem Menschen seine religiöse Auffassung aufdrücken wollen.
Ende 2014 zieht Suleyman in den Raum Marktheidenfeld. Er besucht jetzt wieder öfter Fatma Günal und den türkischen Kulturverein. „Viele haben sich über meine Entscheidung für den Islam gewundert“, sagt Suleyman. Sie hätten sich aber alle gefreut. Heute begrüßen sie sich auf der Straße mit dem üblichen Gruß „Salaam aleikum“ (Der Friede sei mit dir).
An einiges muss sich der junge Mann aber noch gewöhnen. Zum Beispiel an das viele Beten, das zeitaufwendig sei. Seine Mutter habe ihm zum Geburtstag eine Flasche Sekt mitgebracht. „Es tut mir immer weh, wenn ich etwas ablehnen muss, womit sie mir eine Freunde machen will“, erzählt Suleyman.
„Ich liebe meine Eltern“, sagt er. Für ihren Lebensweg entschieden hat er sich aber nicht. „Vielleicht war das von Gott einfach vorgesehen“, sucht er nach Gründen. Seine aktuelle christliche Freundin und die Freunde hätten Verständnis für seine Religion. „Ich bin immer noch der Spaßvogel von früher“, so der 26-Jährige, „ich habe nur meine schlechten Eigenschaften gegen gute getauscht.“
Muslime in Deutschland
Seit mehr als 300 Jahren leben Muslime in Deutschland. Im Jahr 1683 fand die zweite Wiener Belagerung durch die Osmanen statt. Diese wurden von den Truppen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zurückgeschlagen. Mehrere 100 Muslime gerieten dabei in Kriegsgefangenschaft und auf deutschen Boden.
Mit dem Anwerbeabkommen von 1961 stieg die Anzahl der Muslime in Deutschland rasch an. Sie kamen als Gastarbeiter aus der Türkei, Marokko und Jugoslawien. Nach einer fünfjährigen Aufenthaltsdauer durften die Gastarbeiter bleiben. Viele Muslime holten ihre Familien in die neue Heimat nach. Derzeit gibt es geschätzt vier Millionen Moslems in Deutschland. Der Islam ist die drittgrößte Religionsgemeinschaft in der Bundesrepublik. Internetrecherche: fro