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Bad Neustadt: A 71 hat ihren Weg gemacht

Bad Neustadt

A 71 hat ihren Weg gemacht

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    Im Jahr 2005 möglich: Wanderung auf der noch nicht freigegebenen Autobahn.
    Im Jahr 2005 möglich: Wanderung auf der noch nicht freigegebenen Autobahn. Foto: Stock G. (MainPost)

    Die Autobahn A 71 war noch nicht eröffnet, da hatten die Thüringer den Rhön-Grabfeldern schon eines voraus: Abgehärtetsein. Im kurzen Radlertrikot, zumeist ohne Kopfbedeckung, lässig die Brustbehaarung zur Schau stellend waren da Fahrradliebhaber aus Meiningen oder Oberhof unterwegs. Es war Anfang November 2005. Die Main-Post und das Freie Wort in Suhl hatten zum Anradeln geladen: Tausende Fahrradfahrer nutzten die letzte Chance, auf der A71-Trasse zwischen Schweinfurt und dem Tunnel Meiningen mit der Kraft der Füße unterwegs zu sein.

    Auch wenn die Diskrepanz zwischen Ost und West, was die Klimaunempfindlichkeit anbelangt, deutlich zu Tage getreten war: Ein fröhliches Fest des Miteinanders war dieser Tag dennoch. Gut vier Wochen später rollten die ersten Pkw über das Asphalt- und Betonband der A 71 zwischen Bad Neustadt und Meiningen beziehungsweise Schweinfurt und Erfurt.

    Großer Tag: Die Eröffnung der A  71 am 17. Dezember 2005 mit Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Ministerpräsident Edmund Stoiber zog die Massen an.
    Großer Tag: Die Eröffnung der A 71 am 17. Dezember 2005 mit Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Ministerpräsident Edmund Stoiber zog die Massen an. Foto: Fischer (MainPost)

    Alles noch etwas spärlich und mit Vorsicht. Tag für Tag und Woche für Woche eroberten sich aber immer mehr Pkw- und Lkw-Fahrer die neue Autobahn, das große Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 16.

    40 Milliarden hatte der Bund in die Verkehrsprojekte gepumpt, um das Zusammenwachsen Deutschlands und den wirtschaftlichen Aufschwung auch infrastrukturell zu begleiten.

    Die Neunzigerjahre waren bestimmt vom Thema A 71, die zu Beginn noch als A 81 gehandelt wurde. Auf der einen Seite Politik und Wirtschaft, die sich für die zügige Realisierung der A71 einsetzten. Auf der anderen Seite das Lager der Autobahngegner, die bis zuletzt für Alternativen stritten wie zum Beispiel einen bedarfsgerechten Ausbau der B 19. Doch aus dem vor allem vom Bund Naturschutz favorisierten Plan, die B 19 auszubauen und auf ortsnahe Umfahrungen für die belasteten Streutalgemeinden zu setzen, wurde letztendlich nichts.

    Einer, der jahrelang zur Speerspitze der A71-Gegner gehörte, ist Ingo Hahn. 18 Jahre lang war der Freie Wähler Bürgermeister von Rödelmaier, das ganz nahe an der Autobahntrasse liegt. „Im Rückblick betrachtet habe ich Recht gehabt“, sagt Hahn heute. „Das Verkehrsaufkommen ist auch heute noch zu gering, um diese Investitionen zu rechtfertigen“, hat sich an Hahns grundsätzlicher Meinung nichts geändert.

    Der Ausbau der B19 auch mit ortsnahen Umgehungen und Überholspuren und die Verlagerung des landwirtschaftlichen Verkehrs auf die landwirtschaftlichen Wege wäre wesentlich preisgünstiger gewesen, der Nutzen für den Verkehr im Landkreis wäre effektiver, meint der Rödelmairer.

    Auch Hahn nutzt bei der einen oder anderen Gelegenheit die Autobahn. Und da falle ihm auf, wie schwach der Verkehr hier im Landkreis ist, während er Richtung Schweinfurt und im Bereich Erfurt zunehme.

    Die Tatsache, dass die Autobahn gegen den Widerstand der Gegner durchgesetzt wurde, ist für Hahn kein Grund, sich als Verlierer zu sehen. Denn für seine Heimatgemeinde hat der Lokalpolitiker einiges durchsetzen können beim Autobahnbau. Der Bund hatte vor Baubeginn einen besseren Lärmschutz für die Gemeinde durchgesetzt, auch der Sichtschutz wurde verbessert.

    Rödelmaiers Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den Autobahnbau dürfte, die eine oder andere Entwicklungsmöglichkeit für Rödelmaier beschleunigt haben. Die Dorferneuerung, Wasser- und Abwasserversorgung: Die Gemeinde konnte sich im Schatten der Autobahn in den letzten Jahren überdurchschnittlich entwickeln.

    An den Neubaugebieten erkennt man, dass sich eine der größten Befürchtungen nicht bewahrheitet hat: „Ein verstärkter Bevölkerungsrückgang durch die Autobahn ist nicht eingetreten, die Leute haben Rödelmaier nicht den Rücken gekehrt, das ist schön“, freut sich Ingo Hahn. Und er fühlt sich im Nachhinein bestätigt, dass die Trasse für die NES 20 als Zubringerstraße für das Rhönklinikum jetzt so kommt, wie Hahn sie in seiner Bürgermeisterzeit ausgedacht hatte.

    Was ihn aber ärgert, und mit ihm so manchen Pendler aus dem Grabfeld, das ist der Verzicht auf einen mehrspurigen Autobahnzubringer der B 279. Im Gegensatz zu den Nachbarn in Münnerstadt müssen PKW-Fahrer meist geduldig den LKW hinterherfahren, die sich den Berg hoch quälen. Und dass aus dem interkommunalen Gewerbegebiet bei Rödelmaier nichts geworden ist, verbucht Hahn ebenfalls auf der Negativliste.

    Für Jörg Geier von der Kreisentwicklung ist die Autobahn im Gespräch mit Wirtschaftsvertretern selten Thema. „Wenn sie zur Sprache kommt, ausnahmslos als positive Verkehrsachse, die uns mit wichtigen Oberzentren verbindet. Für die Unternehmenslandschaft der Region gehört die A 71 zur zwingend notwendigen Basisinfrastruktur“, sagt Geier.

    Nachdem die A 71 an der Modellstadt Elektromobilität vorbeiführt, gibt es auch diesbezügliche Pläne. „Die A71 hat die Funktion der Langstreckenverbindung. Um diese Funktion auch rein elektrischen Fahrzeugen sinnvoll zu ermöglichen, werden im kommenden Jahr neue Schnellladepunkte für den Transitverkehr errichtet“, kündigt Jörg Geier an.

    Für Landrat Thomas Habermann besteht kein Zweifel, dass die Bundesautobahn die positiven Effekte gebracht hat. „Das dynamische Wirtschaftswachstum im letzten Jahrzehnt belegt, dass eine erhebliche Standortverbesserung Rhön-Grabfelds zu verzeichnen ist. Erst 2013 wurden Rhön-Grabfeld in den alten Bundesländern und Erfurt in den neuen Bundesländern als Aufsteiger des Jahres gekürt. Beide Standorte sind Begünstigte dieser wichtigen Verkehrsader“, sagt Habermann.

    Dass einige Betgriebe nach dem Autobahnbau in den Osten abgewandert sind, ficht den Landrat nicht weiter an. „Profiteure finden sich entlang der Autobahnen gleichermaßen in beiden Bundesländern.

    Die unternehmerischen Investitionen in den interkommunalen Gewerbegebieten bei Bad Neustadt, in Bad Neustadt und Mellrichstadt und zuletzt auch der Neubau des Gesundheitscampus des Rhön-Klinikum wären ohne eine angemessene Erreichbarkeit so kaum möglich gewesen“, meint Habermann.

    Die regionale Vollbeschäftigung hemme das Wachstum, so dass die Gewerbeflächen vielleicht nicht so schnell bebaut werden konnten, wie es die größten Befürworter bei der Eröffnung der A71 erhofft hätten, merkt der Landrat an.

    „Der Transitverkehr zwischen Bad Neustadt und Mellrichstadt konnte jedoch deutlich reduziert werden, so dass eine verkehrsberuhigende Wirkung zu verzeichnen ist“, schließt Habermann.

    Die großen Debatten gibt es nicht mehr über die A71. Sie ist schlicht Alltag geworden mit ihren Vor- und Nachteilen. Die prognostizierten Verkehrsströme sind nicht eingetreten. 40 000 Autos täglich werden nicht gezählt, zwischen Mellrichstadt und Bad Neustadt sind eher um die 15 000 Fahrzeuge unterwegs. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber auch die spürbare Entlastung für die Bundesstraße.

    Dass sie Ost und West einander näher gebracht hat, und sei es nur in der Form von Pendlerströmen, wird niemand bestreiten.

    Die A 71

    Am 17. Dezember 2005 wurde bei einem eisigen Festakt genau an der Landesgrenze zwischen Thüringen und Bayern die Autobahn 71 vom damaligen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber eröffnet.

    2,5 Milliarden Euro kostete der Bau inklusive Grunderwerb. Rund 22 000 Fahrzeuge werden an einem Tag am Werntaldreieck gezählt (A71 bei Wasserlosen: rund 41 000 Fahrzeuge). Mit der „Mellrichstädter Höhe“ liegt im Landkreis Rhön-Grabfeld die einzige bayerische Tank- und Rastanlage.

    Rund 34 000 Pendler aus dem Osten nutzen die A 71 beziehungsweise die A73 Richtung Bayern.

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