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BAD NEUSTADT: Achtklässer restaurieren 19 Jahre alten Polo

BAD NEUSTADT

Achtklässer restaurieren 19 Jahre alten Polo

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    Eine Schülergruppe der Edmund-Grom-Mittelschule Hohenroth restauriert im Laufe dieses Schuljahres einen 19 Jahre alten Polo mit Unterstützung des Bad Neustädter Autohauses Kehm.
    Eine Schülergruppe der Edmund-Grom-Mittelschule Hohenroth restauriert im Laufe dieses Schuljahres einen 19 Jahre alten Polo mit Unterstützung des Bad Neustädter Autohauses Kehm. Foto: Foto: Wolfgang Will

    Wenn Achtklässer nachmittags gerne zum Unterricht kommen, ist das zumindest ungewöhnlich. Beginnen die Jungs dann kurz vor halb vier regelrecht zu maulen, weil sie schon zusammen packen müssen, scheint das Schulprojekt genau den richtigen Nerv getroffen zu haben. Kein Wunder, welcher 13-Jährige wünscht sich nicht, selbst einmal ein altes Auto herzurichten? Sechs Jungs der Edmund-Grom–Mittelschule Hohenroth träumen nicht mehr davon, sie tun?s.

    Kooperation mit dem Bad Neustädter Autohaus Kehm

    Gerüche von Lack und Farbe ziehen durch die Werkstatt des Autohauses Kehm in Bad Neustadt. Sechs Achtklässer tummeln sich um einen 19 Jahre alten Polo auf der hintersten Hebebühne. Während Patrick Mölter gerade mit einem Pinsel Unterbodenschutzfarbe aufträgt, übt sein Freund Torben Paskiw auf einer Testtür das Lackieren. Gleichmäßig bewegt der Mittelschüler die Sprühdose hin und her, aufmerksam beäugt von seinen Mitschülern Nico Back, Joel Johannes, Fabian Mainberger und Tim Keidel. Karosseriebauer Michael Karcher vom Autohaus Kehm gibt den ein oder anderen Hinweis.

    Die Idee zu dem Projekt

    Die Idee zu dem ungewöhnlichen Schulprojekt hatte der dreizehnjährige Tim aus Windshausen. Ende letzten Schuljahres besuchte der damalige Siebtklässer gemeinsam mit seinen Eltern das obligatorische Jahresabschlussgespräch bei Klassenlehrer Wolfgang Will. Der ist mit dem Jungen –„ein wirklich Guter, Engagierter“ – hochzufrieden. Ein Lob, das Tim allerdings nicht anstandslos zurückgibt: „Manchmal ist der Unterricht halt ein bisschen langweilig“, tadelt er den Lehrer, „wir müssten halt mal was Gescheites machen.“

    Will, der von sich durchaus glaubt einen ansprechenden, abwechslungsreichen Unterricht zu bieten, ist kurz konsterniert. Tim aber wird sofort konstruktiv: „Wir könnten doch mal ein Auto restaurieren“, schlägt er vor. Wills Ehrgeiz ist geweckt. „Dir geb ich“, habe er gedacht und schnell nach Umsetzungsmöglichkeiten gesucht.

    Programm „Praxis an Mittelschulen“

    Das Programm „Praxis an Mittelschulen“ schien ihm die geeigneten Rahmenbedingungen zu bieten. Seit dem Jahr 2000 stellt das Bayerische Kultusministerium jährlich Mittel für Praxis an Grund- und Mittelschulen zur Verfügung. Damit sollen Personalkosten für außerschulisches Fachpersonal vergütet werden. Zusammen mit einer Lehrkraft werden die Schüler dann im Rahmen eines berufsrelevanten Projektes durch diese Fachkräfte so angeleitet, dass ein vorzeigbares Produkt oder eine Dienstleistung entsteht.

    Ein Schuljahr lang

    Im Falle des Projekts der Mittelschule Hohenroth werden Arbeitskraft und -zeit der Fachleute des Autohauses Kehm finanziert. Unter deren Anleitung restaurieren sechs Mittelschüler und Lehrer Wolfgang Will ein Schuljahr lang je zwei Stunden pro Woche einen 19 Jahre alten Polo.

    Der Polo stammt vom Schrottplatz

    Erstanden haben die Schüler das Auto für 300 Euro auf einem Schrottplatz. Eine Auszubildende des Autohauses Kehm half bei der Auswahl. Wichtiges Kriterium dabei: Die Technik sollte noch funktionieren. Die Karosserie hingegen, beschreiben die Schüler, sei anfangs in einem „heftigen Zustand“ gewesen. Ziel des Projekts: Am Ende soll der Polo wieder fahrbereit sein und möglichst gewinnbringend verkauft werden, um die Kosten für Material und Ersatzteile, die zunächst durch den Klassenlehrer vorfinanziert wurden, wieder hereinzuholen.

    Viel Zeit und Energie haben die Jungs schon in ihr Projekt gesteckt. Zunächst musste die Karosserie für die Lackierung vorbereitet werden. Dafür wurden Stoßstangen, Lichter, Spiegel, Türverkleidungen, Zierleisten, Türdichtungen und Antennen abmontiert.

    Hauptaufgabe: Rost entfernen

    Dann ging es an's Rost entfernen. „Schleifen und noch mal Schleifen“, beschreiben die Schüler die Hauptarbeit. Wie es da mit dem Spaßfaktor aussehe? „Schleifen macht nie Spaß“, schmunzelt Patrick Mölter. Besser als das Schleifen kam das Flexen an. Mit Schutzbrille und Schutzhandschuhen bewaffnet spritzte die Flex Funken, die Schüler sprühten vor Energie und Tatendrang.

    Ihre Aufgaben beim Polo restaurieren waren bislang vielfältig: Radkästen verspachteln, Rostschutz auftragen, Räder aufstecken und Lichter einbauen, Bremsscheiben und Bremsbeläge neu montieren, Querlenker einbauen, Testtüre lackieren.

    Hoch motivierte Truppe

    „Die Jungs sind top“, ist denn auch Werkstattmeister Steffen Reinecke mit der Schülergruppe zufrieden. Dass er so eine hoch motivierte Truppe antreffen würde, hätte Reinecke nicht erwartet. Dennoch sei das Projekt natürlich für das Autohaus mit viel Aufwand verbunden und zwei Schulstunden die Woche für eine solche Mammut-Aufgabe relativ wenig Zeit.

    Geeignete Auszubildende finden

    Doch für seine Mühe erhofft sich der Kooperationsbetrieb auch etwas: Mittlerweile werde es immer schwerer, geeignete Bewerber für den Ausbildungsberuf des Karosseriebauers zu finden, so Reinecke. Etwas besser stelle sich die Situation noch beim Kfz-Mechatroniker da. Im Idealfall kristallisiere sich während des Projektjahres ein geeigneter Nachwuchs-Kandidat aus der Schülergruppe heraus.

    Win-win-Situation

    Die Vorzüge für die Jugendlichen liegen für Wolfgang Will auf der Hand: „Die Schüler haben die Möglichkeit verschiedene Berufsbilder aus dem Kfz-Bereich kennenzulernen.“ Projekt- und zielorientiertes Arbeiten werde geschult, verschiedene Sozial- und Fachkompetenzen angebahnt.

    Mittlerweile ist es wieder fast halb vier. Das Auto ist auf der Hebebühne heruntergelassen, die Jungs kleben Fenster und Scheinwerfer ab.

    Tim Keidel, der den Anstoß zu dem Projekt gegeben hatte, hält die Krepppapier-Rolle in der Hand: „Kfz-Mechatroniker werde ich mal keiner“, sagt er, das wisse er mittlerweile, „aber dieser Unterricht hier, das ist echt in Ordnung so“. So klingt Lob aus dem Mund eines Achtklässers.

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