Zeitweise ist in diesen Tagen fast kein Durchkommen mehr in der Zeughausstraße in Bad Königshofen. Der Grund: Vor der Obstkelterei Schmitt werden zentnerweise Äpfel und Birnen angeliefert, die im Kelterhaus zu Saft gepresst werden.
An diesem Freitagnachmittag ist der Andrang so groß, dass es zu einem regelrechten Stau und langen Wartezeiten kommt. Doch die Obstanlieferer, die zum Teil weite Anfahrtswege in Kauf genommen haben, harren geduldig aus, bis sie an der Reihe sind.
Dass so viele Erzeuger ihr Obst nach Bad Königshofen zum Saftpressen bringen, liegt zum einen daran, dass es nicht allzu viele Keltereien in der Region gibt. Zum anderen hat sich die Kelterei in den vergangenen Jahrzehnten einen treuen Kundenstamm aufgebaut. „1958 kaufte sich mein Vater Ludwig eine gebrauchte Obstpresse, um sich damit ein Zubrot zu verdienen“, erzählt Thomas Schmitt, der studierter Elektrotechniker ist und hauptberuflich als Programmierer in einem Maschinenbaubetrieb tätig ist.
Der 49-Jährige arbeitet wie seine Mutter Gertrud und Ehefrau Martina an manchen Tagen oft stundenlang ohne Pause in der Kelterei und auch der Vater, der gelernter Büttner ist und viele Jahre als Schlosser tätig war, steht mit seinen 77 Lenzen immer noch an der Obstpresse.
Gertrud und Ludwig Schmitt sind froh, dass ihr Sohn Thomas sich vor einem Jahr entschieden hat, die Kelterei weiterzubetreiben. Mit seinen Kindern steht bereits die nächste Generation „bei Fuß“, sodass Anbauer aus der Region wohl noch lange ihr Obst in die Kelterei nach Bad Königshofen bringen können, um es dort zu Saft pressen zu lassen. „Obwohl es zeitweise ganz schön stressig ist, macht uns die Arbeit Spaß“, sagt Thomas Schmitt.
„Obwohl es manchmal ganz schön stressig ist, macht uns die Arbeit viel Spaß“.
Keltereibetreiber
Thomas Schmitt
Gekeltert wird in der Zeughausstraße von Anfang September bis Ende Oktober an zwei, maximal drei Tagen in der Woche. Je nach angelieferter Menge dauert es 15 bis 45 Minuten, bis ein Kunde seinen frisch gepressten Saft auf dem Anhänger oder im Kofferraum verstauen kann. Dabei ist es erstaunlich, wie viel Saft aus einem Zentner Obst gewonnen werden kann. Bis zu 30 Liter Flüssigkeit pressen die Schmitts aus 50 Kilogramm Obst heraus. Das sind rund 60 Prozent des angelieferten Obstes. Den Abfall, Trester genannt, holen die Jäger ab und verfüttern ihn im Wald an die Tiere.
Die meisten Kunden lassen sich ihren Saft nach dem Pressen und Filtern auf 80 Grad erhitzen und in Beutel abfüllen. „Dann kann man ihn auch nach einem Jahr Lagerung noch trinken“, erklärt Thomas Schmitt. Es gebe aber auch Leute, die lieber Apfelwein trinken als Saft. „Dann kann man auch auf das Filtern und Erhitzen verzichten“, weiß der Bad Königshöfer Obstkelterer. Nur wenige Tage dauere es, bis aus Saft Most wird, der nach drei bis vier Monaten Gärzeit einen Alkoholgehalt von bis zu acht Prozent enthalten kann. „Most ist bei entsprechender Lagerung sogar noch länger haltbar als Saft“, so Schmitt.
Auch wenn es im Kelterhaus in der Zeughausstraße nicht wirklich danach aussieht: Beim Obstpressen wird sehr auf Sauberkeit geachtet. Bevor die Äpfel verarbeitet werden, kommen sie in einen großen Bottich. Sobald die Förderschnecke eingeschaltet wird, läuft noch einmal frisches Wasser über das Obst, bevor es gemahlen und die Maische anschließend gepresst wird.
Über den Geschmack von frisch gepresstem Apfel- oder Birnensaft lassen die Kunden, die ihr Obst zur Familie Schmitt zum Keltern bringen, nicht mit sich streiten. Einer von ihnen ist Erich Werner. Der ehemalige Trappstädter Bürgermeister verstaut gerade seinen Saft, der aus fünf Zentnern Äpfel gewonnen wurde. Zwölf 10-Liter-Bags sind es geworden, also exakt 120 Liter. „Ich bringe mein Obst schon seit vielen Jahren zum Keltern nach Bad Königshofen“, sagt Werner, der sich auch in diesem Jahr wieder nicht nur über die kurze Anfahrt, sondern auch den Preis gefreut haben dürfte: Keine 20 Euro plus die Verpackung hat es ihn gekostet, seine Äpfel in Saft zu verwandeln.
Vom Stampfen der Maische mit den Füßen zur modernen Presse Eine Kelter (aus dem Lateinischen: calcatorium, „Fußtretung") ist eine Presse zur Wein- oder Saftgewinnung. Der Raum, in dem diese Presse steht, heißt Kelterhaus. Das Keltern (aus dem Lateinischen: calcare: mit den Füßen treten) bezeichnet das Pressen von Obst und Früchten wie etwa Äpfeln, Birnen oder Trauben. Über Jahrhunderte wurden Weintrauben ausgepresst, indem die Maische mit den Füßen gestampft wurde. Doch schon bei den Römern kamen hölzerne Hebelpressen zum Einsatz, so genannte Kelterbäume oder Baumkeltern, die bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts benutzt wurden. Die ersten mechanischen Keltern erzeugten den zum Pressen nötigen Druck mit Hilfe einer Spindel. Moderne Keltermaschinen arbeiten mit Druckluft und automatischer Steuerung. ak