Die frühere Vorsitzende des Hilfsvereins „all4africa“ in Rhön-Grabfeld muss sich – wie berichtet – seit Mittwoch wegen 21-facher Untreue und Betrugs vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten. 94 000 Euro soll sie aus dem Vermögen des Vereins, der Kindern in Tansania und Kenia über Patenschaften und Spenden den Schulbesuch ermöglichen sollte, auf eigene Konten umgeleitet und selbst verbraucht haben. Die 61-Jährige selbst lebte laut Anklageschrift von erschlichenen Hartz-IV-Leistungen.
Nachdem die ersten Zeugen vernommen worden waren, war auch klar, wieso die Vorsitzende in der Mittelverwendung offenbar nach Belieben schalten und walten konnte: Die Kasse hat nie jemand auch nur ansatzweise geprüft. Nicht der Stellvertreter der Vorsitzenden. Nicht die jeweilige Kassiererin, deren ureigene Aufgabe es doch gewesen wäre, sich einen Überblick über Einnahmen und Ausgaben zu verschaffen und zu den Jahresversammlungen einen Bericht darüber vorzutragen.
Die erste Vereinskassierein berichtete wiederholte vor der Strafkammer ein Dutzend Mal: „Ich habe ihr voll und ganz vertraut“ – sie meinte die Angeklagte. „Sie haben doch immer unterschrieben, die Kasse wurde geprüft und die Vorstandschaft entlastet“, hielt ihr der Beisitzer vor. Nie hat sie wirklich Kassenbücher geprüft, ja nicht einmal eine Kasse gesehen – und auch gar keine Ahnung von ihrer Aufgabe.
Ihre Nachfolgerin hat den Eingang der Patenschaftsgelder kontrolliert, auch Ausgabenbelege eingeheftet, auch solche über Flugreisen der Vorsitzenden. „Beleglose Ausgaben“ hat sie nie hinterfragt, wobei schon klar gewesen sei, dass dann die Kasse nicht stimmen konnte.
„Der Verein war nur die Frau Vorsitzende“,
Stellvertretender Vorsitzender von all4africa
Der stellvertretende Vorsitzende erstellte und betreute die Internetseite des Vereins, hatte sonst „keine besondere Aufgabe“, der Vorsitzenden „immer voll vertraut“ und nie eine Kassenprüfung oder Ausgabennachweise verlangt. „Der Verein war die Frau Vorsitzende“, sagte er, die anderen seien nur Helfer bei Ausstellungen und Märkten gewesen, bei denen die Werbetrommel gerührt und Spenden gesammelt wurden.
In keiner Mitgliederversammlung sei über Einnahmen/Ausgaben berichtet worden. Zwei Männer – die den Prozess als Zuschauer verfolgen – hätten sich um eine Mitgliedschaft bemüht, seien aber nach der Intervention der Vorsitzenden nicht aufgenommen worden. Diese hätten sie beschimpft, sie seien „Spione“ und wollten den Verein nur aushorchen, sei ihre Begründung gewesen. Der Verein wurde demnach nie richtig kontrolliert. Er bestand stets aus dem siebenköpfigen Vorstand, der seiner Vorsitzenden blind vertraut hat. Dass diese von Hartz IV lebte, wusste ihr Stellvertreter, wie er vor Gericht sagt.
Die Vorwürfe der vielfachen Veruntreuung von Vereinsvermögen – der Staatsanwalt kommt in der Summe auf rund 94 000 Euro – bestreitet die Angeklagte im Wesentlichen. Sie bestreitet ferner, bewusst die Staatskasse um rund 1300 Euro Prozesskostenhilfe betrogen zu haben, indem sie eigenes Vermögen auf einem Strohmannkonto nicht angab, das zwar nicht auf ihren Namen lautete, das aber ausschließlich sie nutzte.
Sie bestreitet dies auch bezüglich der 13 000 Euro Hartz-IV-Leistungen, die ihr bewilligt wurden. Bei drei Anträgen verschwieg sie dieses Konto ebenfalls – aber nicht bewusst, wie sie sagt. Sie nennt es einen „Fehler“. Der Staatsanwalt und die Strafkammer rieten ihr am Ende des ersten Verhandlungstages, sich gut zu überlegen, ob sie bei dieser Darstellung bleiben will und ob das Gericht ihr diese glauben wird.
Falls nicht, hätte das einige Auswirkung auf das Strafmaß bei einer möglichen Verurteilung. Immerhin hat die Angeklagte eine Berufsausbildung als Kauffrau genossen und 27 Jahre in diesem Beruf gearbeitet, bevor sie sich der Hilfe für afrikanische Schulkinder widmete. Den Prozessauftakt verfolgten etwa 20 Zuhörer.
Das Verfahren wird am Donnerstag, 9. Juni, um 8.30 Uhr fortgesetzt.