Kaum ist die Schule vorbei und die Lehrstelle oder der Studienplatz angetreten, kommen die ersten Zweifel: Ist dieser Beruf überhaupt der richtige für mich? Halte ich die Belastungen und Anforderungen, die der Job mit sich bringt, bis zum Rentenalter durch? Und ist er wirklich so krisensicher, wie es momentan den Anschein hat?
Diese und andere Fragen stellen sich viele Schulabgänger kurz nach Beginn einer Ausbildung. Etliche brechen Lehre oder Studium wieder ab, um noch über berufliche Alternativen nachzudenken.
Auch Colin Weiß ging es so. Der junge Mann aus Eyershausen hatte eigentlich vor, nach seinem Schulabschluss an der Dr. Karl-Grünewald-Realschule in Bad Königshofen den Beruf des Krankenpflegers zu erlernen und hatte mit der Lehre schon begonnen. Dann beschloss er, die Ausbildung nicht fortzusetzen. „Ich habe erkannt, dass ich vieles, was da von mir verlangt wird, einfach nicht leisten kann“, so der 19-Jährige selbstkritisch.
Jetzt war guter Rat teuer. Zum einen gab es keine Möglichkeit, so schnell eine andere Lehrstelle zu finden. Zum anderen brauchte Colin Weiß Zeit, um sich neu zu orientieren. Da erfuhr er Anfang vergangenen Jahres von der Möglichkeit, im Haus am Kurpark in Bad Königshofen einen einjährigen Bundesfreiwilligendienst anzutreten, und bewarb sich mit Erfolg um die Stelle. „Ich dachte mir, dass sich während dieses Überbrückungsjahres vielleicht andere berufliche Perspektiven auftun“, und genau das geschah auch. Im September wird er an einer Hofheimer Pflegeeinrichtung eine Ausbildung zum Altenpfleger beginnen.
Die wenigen Wochen bis zum Ende seines Freiwilligendienstes Mitte Juli in der Bad Königshöfer Mutter-Kind-Kur-Einrichtung werden dem „Bufdi“ nicht schwer fallen, denn bereut hat er seine Entscheidung bis heute nicht. „Ich bin froh, dass ich das gemacht habe“, bilanziert Colin Weiß kurz vor Beendigung seiner Dienstzeit. „Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, sind sehr wichtig für mein weiteres Leben.
“ Konkret nennt er die vielen Kontakte, die er knüpfen konnte, sei es mit den Haus-am-Kurpark-Mitarbeiterinnen oder den kurenden Müttern und ihren Sprösslingen. „Ich wusste gar nicht, dass ich so gut mit Kindern umgehen kann“, meint er, wobei seine Hauptaufgaben aber mehr im „technischen Bereich“ lagen und liegen: Beim Zubereiten der Mahlzeiten helfen, Einkäufe erledigen oder kleinere Reparaturen ausführen. „Vieles habe ich zum ersten Mal in meinem Leben gemacht und gemerkt, dass ich das ja auch kann“, sagt der Eyershäuser, der auch eine weitere Erfahrung nicht missen möchte. „Im Haus am Kurpark habe ich schnell gemerkt, dass es ohne eine gewisse Ordnung im Leben nicht geht.“
Dass ein Acht-Stunden-Tag ganz schön lang werden kann und so ein Bundesfreiwilligen-Job in einem Kurhaus manchmal auch ganz schön stresst, auch das hat Colin Weiß gelernt, und ihm dabei geholfen, seinen weiteren Lebens- und Berufsweg realistisch einzuschätzen.
„Ich weiß jetzt besser, was da alles auf mich zukommen wird“, sagt der 19-Jährige, der kurz vor dem Ende seiner Dienstzeit seiner „Chefin“, Einrichtungsleiterin und Geschäftsführerin Evi Bindrim, und ihren Mitarbeiterinnen ein Kompliment ausspricht: „Das Arbeitsklima hier war immer sehr gut und ich wurde stets ernst genommen, wenn ich ein Problem hatte und Hilfe brauchte.“
450 Euro im Monat Taschengeld standen und stehen Colin Weiß im Monat zu, dazu gab es fünf Seminare und, gegen einen kleinen Obolus, auch Kost und Logis. „Ich habe aber immer zuhause geschlafen und dort auch meistens Mittag gemacht“, so der Eyershäuser, der mit der Vergütung alles in allem zufrieden war. Gut gefallen haben dem „Bufdi“ auch die 30 Urlaubstage während der einjährigen Dienstzeit.
„Ich kann jedenfalls jedem, der noch nicht genau weiß, was er beruflich eigentlich machen soll, den Bundesfreiwilligendienst empfehlen.“
Der Bundesfreiwilligendienst Die Ableistung eines einjährigen Bundesfreiwilligendienstes ist im Altlandkreis Königshofen nicht nur im Haus am Kurpark in Bad Königshofen möglich, sondern laut Einsatzstellensucher des Familienministeriums auch noch im Alten- und Pflegeheim Juliusspital in Bad Königshofen und im Wohnheim für erwachsene Behinderte in Trappstadt. Der Bundesfreiwilligendienst ist ein Angebot an Frauen und Männer jeden Alters, sich außerhalb von Beruf und Schule für das Allgemeinwohl zu engagieren – im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich oder im Bereich des Sports, der Integration sowie im Zivil- und Katastrophenschutz. Die Aussetzung des Wehrdienstes und damit auch des Zivildienstes zum 1. Juli 2011 war eine große gesellschaftliche Herausforderung. Der Bundesfreiwilligendienst sollte helfen, die Folgen der Aussetzung des Zivildienstes zumindest teilweise zu kompensieren. Alle nach dem Zivildienstgesetz anerkannten Dienststellen und -plätze wurden daher automatisch als Einsatzstellen und Plätze des Bundesfreiwilligendienstes anerkannt. Im Bundesfreiwilligendienst kann sich jeder engagieren, der die Vollzeitschulpflicht erfüllt hat: Menschen jeden Alters nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht (je nach Bundesland mit 16, manchmal auch schon mit 15 Jahren), Männer und Frauen. Jüngere Freiwillige erwerben und vertiefen ihre persönlichen und sozialen Kompetenzen, ältere Freiwillige bringen ihre eigene Lebens- und Berufserfahrung ein. Eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht. In der Regel dauert der Bundesfreiwilligendienst zwölf Monate, mindestens jedoch sechs und höchstens 18 Monate. In Ausnahmefällen kann er bis zu 24 Monate geleistet werden. Beim Bundesfreiwilligendienst handelt es sich grundsätzlich um einen ganztägigen Dienst. Für Freiwillige über 27 Jahren ist aber auch ein Teilzeitdienst von mehr als 20 Stunden wöchentlich möglich (Quelle: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben). Weitere Infos gibt im Internet unter www.bundesfreiwilligendienst.de
„Die Erfahrungen, die ich hier gemacht habe, sind sehr wichtig für mein weiteres Leben“
Colin Weiß über seine Zeit im Mutter-Kind-Kurhaus