Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Rhön-Grabfeld
Icon Pfeil nach unten
Bad Königshofen
Icon Pfeil nach unten

BAD KÖNIGSHOFEN: Als die Bilder laufen lernten

BAD KÖNIGSHOFEN

Als die Bilder laufen lernten

    • |
    • |
    Streifen aus Zelluloid, wie hier Lorenz Hahn einen in den Händen hält, sind ein Relikt der Vergangenheit. Sie gibt es im Filmverleih nicht mehr. Die heutigen Kinohits werden allesamt digital auf die Leinwand gebracht.
    Streifen aus Zelluloid, wie hier Lorenz Hahn einen in den Händen hält, sind ein Relikt der Vergangenheit. Sie gibt es im Filmverleih nicht mehr. Die heutigen Kinohits werden allesamt digital auf die Leinwand gebracht. Foto: Foto: Michael Petzold

    Der nur wenige Quadratmeter große Raum hat etwas von einem Museum. Etwas höher gewachsene Menschen müssen den Kopf einziehen, wenn sie die zwei Stufen erklommen haben und durch die niedrige und schwere braune Eisentür in das Heiligtum des Kinos gelangen. Neben dem hochmodernen digitalen Vorführgerät steht ein rund 60 Jahre alter Projektor mit einer riesigen knallorangenen Spule aus der Zeit, als Filme noch auf Zelluloid aufgenommen wurden.

    „Die hält noch einmal 60 Jahre“, sagt Lorenz Hahn lächelnd und tätschelt dabei das graue Ungetüm fast liebevoll. Muss sie aber nicht, denn herkömmliche Filme gibt es bei den Verleihfirmen nicht mehr. „King Kong“ und „Spiderman“, wie die Blockbuster der aktuellen Saison betitelt sind, passen als Kassette in eine kleine Plastikschachtel.

    Die Familie Hahn ist selbst ein Stück Kinogeschichte. Vor 70 Jahren pachtete Lorenz Hahns Vater zunächst das Gebäude, das 1935 vom Reichsarbeitsdienst zur Unterbringung einer Großküche mit Speisesaal errichtet worden war. Nach dem Krieg hatte dann die US-Army für zwei Jahre die Einrichtung genutzt. Die ersten Jahre fungierte das Gebäude, in dem Alfons Hahn 1947 die Stadtsaal-Lichtspiele eröffnete, eher als Mehrzweckhalle.

    Vor den Filmvorführungen wurden Latten an die Stühle geschraubt

    Neben den Filmvorführungen am Wochenende war es Schauplatz für Modeschauen und Tanzveranstaltungen, sogar eine Fahrschule unterrichtete dort. Während der Filmvorführungen saßen die Leute auf harten Stühlen, die in einer Reihe standen und mit Latten verschraubt waren. So sollte verhindert werden, dass Stühlerücken den Filmgenuss störte.

    Unter der Woche tingelte Lorenz Hahns Vater dann mit einem portablen und zerlegbaren Vorführgerät über Dörfer wie Höchheim, Aubstadt, Oberlauringen oder Sulzdorf. Drei Projektoren hatte er aus Armeebeständen für zusammen 2000 Mark erworben. Zum Vergleich: das günstigste Auto – ein Lloyd von Borgward – kostete 1950 rund 3400 Mark. Kinder zahlten 50 Pfennig Eintritt, Erwachsene eine Mark. Heimatfilme wie „Grün ist die Heide“ waren zunächst der große Renner bei einer Bevölkerung die sich nach den Kriegsjahren nach ein wenig Idyll sehnte.

    Die ersten Skandalfilme flimmerten schon in den 50er Jahren über die Leinwand

    Es dauerte nicht lange, bis die ersten Skandalfilme liefen. „Sie tanzte nur einen Sommer lang“, „Die Sünderin“ mit Hildegard Knef oder der in den 60er Jahren erschienene Film „Das Schweigen“ von Ingmar Bergman schlugen auch im Grabfeld hohe Wellen. „Wenn der Kinomann aus Königshofen kommt, geht da bloß nicht rein – das ist Sünde“, ließ zum Beispiel Pfarrer Johannes Adler von der Kanzel aus seine Schäfchen in Alsleben wissen. Der 1951 geborene Lorenz Hahn weiß vieles nur aus den Erzählungen seines Vaters. Bis 1963 gab es die Vorstellungen in den Dörfern.

    Damals gab es sogar zwei Kinos in der Stadt. Im Turnerheim zeigte ein gewisser Herr Grund im Auftrag des Sportvereins schon lange bevor die Stadtsaal-Lichtspiele eröffnet wurden, erste Schwarz-Weiß Filme wie Ben Hur oder Tarzan mit Johnny Weissmüller. „Wir waren schon immer Filmstadt“, sagt Hahn.

    Anfang der 60er Jahre erwuchs dem Kino im Fernsehen eine echte Konkurrenz

    Anfang der 60er Jahre bekam das Kino erstmals echte Konkurrenz. In immer mehr Wohnstuben standen die Flimmerkisten. Die Kinobranche hielt mit Monumentalschinken wie Cleopatra mit Liz Taylor oder dem vier-Stunden-Epos „Die zehn Gebote“ dagegen. „Das konnte man in der Fastenzeit immer wieder zeigen“, weiß Hahn.

    Mit der Aufklärungswelle Anfang der 70er Jahre kamen die ersten Dirndl-und Lederhosen Sexklamotten auch in die Stadtsaal-Lichtspiele. Später schwappte die Pornowelle aus den USA mit richtig heißen Streifen in die Kinosäle. Und wieder standen die Lichtspiele nicht abseits. „Die Besucher sind aber eher verschämt ins Kino geschlichen“, muss Lorenz Hahn heute noch schmunzeln, wenn er an die recht kurze Episode denkt.

    Seit 1997 verfügt das Kino über drei Vorführsäle

    Seit 1997 verfügt verfügt das Kino über drei Säle, was zum einen etwas mit der Grenzöffnung zu tun hatte, zum anderen aber verleihtechnische Gründe hat. Die Verleiher - in Deutschland gibt es gut 70 – verlangen nämlich von den Kinobetreibern, die großen Filmproduktionen drei Wochen lang zu zeigen. Da in einer Stadt wie Bad Königshofen einfach nicht genug Publikum vorhanden ist, um den 1989 entstandenen großen, 208 Zuschauer fassenden Raum, über so lange Zeit zu füllen, wandert der Blockbuster in der zweiten Woche in den zweiten mit 126 Plätzen und schließlich in den dritten mit 88 Plätzen,wo übrigens auch besondere Filme gezeigt werden.

    Zwei mal im Jahr treffen sich Deutschlands Kinobesitzer zur Programmvorschau

    Das Kino in der Badestadt gehört zum Verleihbezirk Frankfurt, wo die Universal Pictures und die 20th Century Fox ihren Sitz haben. Dann gibt es noch Warner in Hamburg oder Sony in Berlin, um nur ein paar große zu nennen. Jedes Jahr kommen rund 350 Filme heraus. „Die Hälfte ist nichts“, sagt Hahn, der mit seinen rund 1000 Kollegen in Deutschland zweimal im Jahr in Köln oder München zusammenkommt, um das neue Programm kennenzulernen.

    „Da versucht man sich die Rosinen herauszupicken, von denen man glaubt, dass sie ankommen“, verrät Hahn. Der zu Ende gegangene Kino-Sommer hatte heuer keine rechten Zugpferde, deshalb ist man bei der Familie Hahn mit dem Einspielergebnis auch nicht zufrieden. Die klassische Saison dauert aber immer vom Herbst bis ins Frühjahr.

    Die ganze Familie arbeitet im Kino mit

    Wer am Markt weiter bestehen will, darf sich der technischen Revolution nicht verschließen. Und die ist auch im Kino digital. Hahn schätzt, dass im Umkreis von 50 Kilometern gut 35 Kinos in den vergangenen Jahren geschlossen haben. Um die Nachfolge muss er sich nicht sorgen, seine Frau Marianne, der Schwiegersohn Mario Suffa, dessen Ehefrau Barbara, sowie Sohn Gustav sind im Betrieb voll integriert, zeigen Filme, verkaufen Karten oder Snacks für den Kinobesuch.

    Die Zukunft hat allerdings auch ihren Preis. Gut 135 000 Euro habe er in jeden der drei Kinosäle investieren müssen, um mitzuhalten, betont Hahn. Neben den je 50 000 Euro teuren Vorführgeräten mussten neue 3D-taugliche Silberleinwände her, stärkere Endstufen für den Surroundsound und eine eigene Klimaanlage mit Entlüftungssystem für die beiden Vorführräume. Ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen. „Das nächste sind Hologramme“, sagt Hahn. Dann erscheinen virtuelle Schauspieler oder Dinge im Kinoraum. Und wie es scheint, werden die Königshöfer dann darauf auch nicht verzichten müssen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden