Aufgeschlossen
Liebe Leserin, lieber Leser,
blitzschnell gehen Nachrichten um die Welt, mal groß aufgemacht, mal unbeachtet – wie diese. Kein Plagiat, aber ich interpretiere aus dem italienischen Brief von Franziskus am 16. Mai 2013 an einige Vatikanbotschafter, etwa an den des Großherzogtums Luxemburg.
Positive Errungenschaften im Bereich Gesundheit, Bildung und Kommunikation gelten als Fortschritt. Gleichzeitig schwindet bei immer mehr Menschen die Freude am Leben aus Angst, Verzweiflung und Armut. Die Menschen müssen häufig kämpfen, um nur unwürdig leben zu können. Eine Ursache ist die Akzeptanz des Geld-Imperiums über unsere Gesellschaften. Die Folge: eine tiefe anthropologische Krise, weil dem Menschen der Primat verweigert wird. Der Fetischismus des Geldes bringt die Diktatur der Wirtschaft ohne menschliche Zielsetzung hervor. Es fehlt die Orientierung am Menschen, der selbst zum Konsumgut reduziert ist, benutzt und weggeworfen.
Während das Einkommen weniger explodiert, muss eine Mehrheit am Existenzminimum leben. Das Kontrollrecht der Staaten und die Sorge für das Gemeinwohl sind infrage gestellt. Eine neue, oft virtuelle Tyrannei setzt ihre Regeln durch. Weltweit verlieren Bürger und Staaten die reale Vorstellung ihrer wirklichen Wirtschafts- und Kaufkraft.
Hinter einer solchen Haltung verbirgt sich die Verweigerung ethischen Verhaltens. Ethik stört, Gott stört, Solidarität stört. Das Menschliche relativiert Geld und Macht, es ist in Marktkategorien nicht erfassbar, es macht frei von jeglicher Sklaverei. Finanz- und Wirtschaftsleute sowie Politiker brauchen Mut, um mit einer neuen Ethik eine menschlichere Gesellschaftsordnung zu schaffen. Schon im vierten Jahrhundert rief Johannes Chrysostomus aus dem syrischen Antiochien, der heutigen Türkei: „Die eigenen Güter mit den Armen nicht zu teilen, bedeute sie ihres Lebens zu berauben.“
Franziskus bittet die Botschafter um eine Finanzreform nach ethischen Grundsätzen, was eine Änderung der Wirtschaftsform und der politischen Einstellung bedeutet. Geld soll dienen, nicht herrschen! Der Papst ruft im Auftrag Christi auf, die Reichen mögen den Armen behilflich sein und ihnen Respekt und Förderung zukommen lassen. Die Finanz- und Wirtschaftswelt müsse zurückkehren zu einer Ethik, die dem Menschen dient. Er ermutigt die Regierenden, wirklich im Dienst des Gemeinwohls ihrer Völker zu stehen. Und auch Gott zu bitten, die eigenen Entwürfe zu inspirieren. Ein neues ökonomisches Denken könne die totale Spaltung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft in Zusammenwirken wandeln.
Aus dem italienischen Original: www.vatican.va/holy_father/francesco/speeches/2013/may/documents/papa-francesco_20130516_nuovi-ambasciatori_it.html
Michael Düchting,
Pfarrer am Rhön-Klinikum Bad Neustadt