Liebe Leserin, lieber Leser! Als Kind wurde mir beigebracht, in den Monaten mit „R“ darf man nicht barfuß gehen und setzt sich nicht auf den blanken Boden oder steinerne Treppenstufen. Da konnte die Frühlingssonne noch so sehr lachen, Wärme verbreiten und sommerliche Gefühle wecken. Mahnende Worte von elterlicher Seite waren vorprogrammiert. Die Gefahr, eine Erkältung einzufangen, war viel zu groß.
Vor kurzem, als der Winter überraschend mit Schnee- und Graupelschauern in unsere Heimat zurückgekehrt war und dies mancherorts zu glatten Straßen führte, belehrte eine Radiosprecherin die Zuhörer, dass man gefälligst in den Frühlingsmonaten mit „R“ noch seine Winterreifen fährt und die Umrüstung des Autos auf Sommerbetrieb möglichst erst im Mai vornehmen sollte.
Gemäß einer alten Bauernregel gilt für acht Monate, was zwei Drittel eines Jahres entspricht:
Ist der schöne August gewichen,
kommen die Herrn mit dem „R“ geschlichen;
September bis April bringen der Kälte viel.
Umgekehrt empfehlen Küchenratgeber im Internet, Muscheln nur genau in diesen Monaten mit „R“ zu genießen.
Es scheint also, dass zwischen dem 30. April und dem 1. Mai beziehungsweise zwischen dem 31. August und dem 1. September – was unser Verhalten im Außenbereich und unseren Speiseplan betrifft – ein harter Schnitt geschieht.
Freilich ist es schon vorgekommen, dass es auch im Mai noch Schnee und Frost geben kann. Nicht umsonst fürchten Landwirte und Winzer die „Maifröste“ und umgekehrt kann ein Septembermonat manchmal sonniger und teilweise auch wärmer ausfallen als ein August.
Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit. Das wusste schon Kohelet, der Prediger Salomons (Koh/Pred 3,1).
Uns bleibt also nur angemessen und in rechter Weise auf jahreszeitliche Temperaturen und Wetterlagen, auch wenn sie sich nicht an alte Bauernregeln oder Lebensweisheiten halten, zu reagieren: die passende Kleidung zu tragen, unsere Freizeit gemäß der Temperatur und der Witterung zu gestalten und die nötige Vorsorge zu treffen.
Dennoch dichte ich gerne die alte Bauernregel um:
Ist der launische April bestanden
dürfen die Monate ohne das „R“ bei uns landen
Mai bis August bringen Sonne, Freude und Lust.
So wünsche ich Ihnen und mir selbst, dass die kommenden Monate erfüllen, was sie versprechen, und dass wir sie mit ihren Freiheiten und Freuden, die sie uns bieten werden, genießen dürfen.
Rudolf Reuter Diakon in der Pfarreiengemeinschaft Grabfeldbrücke Foto: Pfarrbüro