Im Jubiläumsjahr ist der Andrang besonders groß. Zeitweise ist kein Durchkommen mehr in der Zeughausstraße, wo das Obst die ganze Woche über auf kleinen und manchmal auch etwas größeren Anhängern angeliefert wird. An einem Kelter-Tag, meist ein Freitag, kann es dann schon mal vorkommen, dass sich ein langer Stau bildet, weil die vielen Anlieferer mit ihren Gespannen die Straße blockieren.
„Es wird wieder mehr gekeltert.“ Gertrud Schmitt bestätigt, dass es seit einigen Jahren einen Aufwärtstrend gibt. Ihr Ehemann Ludwig, gelernter Büttner und früher viele Jahre als Schlosser tätig, kaufte sich im Jahr 1958 eine gebrauchte Obstpresse, um sich ein Zubrot zu verdienen. Die Kelter arbeitet nach etlichen Umbauen bis heute zuverlässig. Auch ihr Besitzer steht immer noch seinen Mann, wenn es gilt, von Anfang September bis Ende Oktober Äpfel, Birnen und manchmal auch Trauben in Saft zu verwandeln.
Reiner Familienbetrieb
Gertrud und Ludwig Schmitt sind froh, dass ihr 41-jähriger Sohn Thomas seit einigen Jahren beim Obstpressen mithilft. Anders wäre die Arbeit kaum zu schaffen. „Wenn wir jemanden einstellen müssten, würde sich das nicht mehr lohnen“, meint Gertrud Schmitt.
Es ist erstaunlich, wieviel Saft aus einem Zentner Obst gewonnen werden kann. Bis zu 30 Liter Flüssigkeit pressen die Schmitts zum Beispiel aus 50 Kilo Äpfeln heraus. Den Abfall, Trester genannt, holen die Jäger ab und verfüttern ihn im Wald an die Tiere.
Ein paar Tage lang kann der frisch gepresste Saft getrunken werden, bevor Most daraus wird. Der kann nach drei bis vier Monaten Gärzeit einen Alkoholgehalt von bis zu acht Prozent Alkohol enthalten. „Wenn man den Saft rechtzeitig erhitzt, kann er aber auch noch nach einem Jahr getrunken werden“, erklärt Gertrud Schmitt. Most sei bei entsprechender Lagerung noch länger haltbar.
Auch wenn es in einer Kelterei nicht immer danach aussieht: Beim Pressen des Obstes wird auf Sauberkeit geachtet. Bevor die Äpfel in die Presse kommen, werden sie in einen großen Bottich geleert, in dem das Wasser zwar manchmal wie eine trübe Brühe aussieht. „Doch sobald die Förderschnecke eingeschaltet wird, läuft noch mal ganz frisches Wasser über das Obst, bevor es gepresst wird“, weiß Gertrud Schmitt.
Über den Geschmack von frisch gepresstem Apfel- oder Birnensaft lassen die Obstbauern, die ihr Obst teils schon seit Jahrzehnten zur Familie Schmitt zum Keltern bringen, nicht mit sich streiten. Einer von ihnen ist Dietmar Martin aus Sülzdorf in Thüringen. „Ich kenne sonst weit und breit niemanden, der meine Äpfel pressen könnte“, erklärt er den relativ weiten Weg nach Bad Königshofen.
Dass sich die Anfahrt lohnt, liegt auch daran, dass der Preis für einen Liter frisch gepressten Saft unschlagbar ist. Sieben Euro verklangt die Familie Schmitt für das Pressen von drei Zentner Äpfeln. Das ergibt je nach Qualität 50 bis 100 Liter Saft, was wiederum einem Literpreis zwischen sieben und 14 Cent entspricht.
Daten & Fakten
Kelter, Keltern, Kelterhaus Eine Kelter (aus dem Lateinischen: calcatorium „Fußtretung“) ist eine Presse zur Wein- oder Saftgewinnung. Der Raum, in dem diese Presse steht, heißt Kelterhaus. Das Keltern (aus dem Lateinischen: calcare : mit den Füßen treten) bezeichnet das Pressen von Früchten. Über Jahrhunderte wurden Weintrauben ausgepresst, indem die Maische mit den Füßen gestampft wurde. Doch schon bei den Römern kamen hölzerne Hebelpressen zum Einsatz, so genannte Kelterbäume oder Baumkeltern, die bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts benutzt wurden. Die ersten mechanischen Keltern erzeugten den zum Pressen nötigen Druck mit Hilfe einer Spindel. Moderne Keltermaschinen arbeiten mit Druckluft und automatischer Steuerung.