„Hands up, turn left“, dieser Marschbefehl schallte den Soldaten der Nordstaaten-Armee am vergangenen Samstag in Oberwildflecken entgegen. In Reihe und Glied ging es für sie zum Schlachtfeld von „Wilsons Creek“.
Diese Schlacht wurde ursprünglich im Amerikanischen Bürgerkrieg anno 1861 geschlagen, in diesem Jahr lebte sie auf einer Wiese nahe Oberwildflecken wieder auf.
Marschbefehle, Uniformen und Feldküche: Das kennt man vor Ort normalerweise nur von der Bundeswehr. Einmal im Jahr trifft sich dort jedoch auch eine große Gruppe historisch faszinierter Menschen, die den Amerikanischen Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten nachstellen. Der Verein Iocum (Order of Confederate & Union Militia) organsiert die Veranstaltung.
Klaus Bunde, Präsident des Vereins, ist federführend für Ablauf und Organisation des historischen Spektakels verantwortlich. „Dadurch, dass viele deutsche Auswanderer in diesen Krieg involviert waren, spielen wir auch ein Stück deutscher Geschichte nach“, erklärt er, der an diesem Wochenende als Südstaaten-General Ben McCoy auftritt.
Die Szene wird von militärischer Ausrüstung geprägt, den Hauptakt stellt das nachgespielte Gefecht dar, dennoch gehe es den Darstellern nicht um das Kriegsspiel als solches. „Das Ganze nennt sich Re-enactment, also eine getreue Nachstellung der Geschichte“, erklärt David Seffer, im wahren Leben Regisseur und in diesen Tagen im Stab des Generals tätig. „Das vollkommene Eintauchen in andere Rollen und die historischen Gegebenheiten sind das Faszinierende“, erklärt der Berliner.
So leben die insgesamt rund 500 Mitwirkenden während der kompletten Veranstaltung wie Soldaten und ihre Familien aus dem 19. Jahrhundert. Angefangen von den nachempfundenen Uniformen über die Baumwollzelte bis zur originalgetreuen Tageszeitung und den zahlreichen Händlerständen, an denen beispielsweise Brillen, Gürtel oder Camp-Zubehör im Stil der Zeit erworben werden kann. „Nur die Bezahlung erfolgt in Euro, sonst ist alles wie damals“, erklärt Phil Lades, der als Chef des Generalstabs dem General McCoy unmittelbar untersteht.
Für Lades war ein Besuch in Amerika vor mehr als 20 Jahren ausschlaggebend für sein Interesse an der amerikanischen Geschichte. Regisseur David Seffer beschäftigt sich beruflich mit der Thematik und kam so zum Verein. Wieder andere haben tatsächlich Vorfahren im Bürgerkrieg verloren und tauchen durch die Veranstaltung in ihre persönliche Geschichte ein.
Für eine gewisse Zeit schlüpfen sie in eine andere Rolle. Lehrer, Rechtsanwälte, Ärzte, Optiker, Bankkaufleute: Es ist eine bunte Mischung, die sich regelmäßig in Oberwildflecken zusammenfindet. Aus ganz Europa sind Gruppen angereist. Der Großteil der Darsteller kommt aus Deutschland, aber auch polnische, tschechische und italienische Geschichtsfans zieht die Darstellung in ihren Bann.
Das ist kein billiger Spaß: Ein kompletter Satz Bekleidung und Bewaffnung schlägt mit bis zu 1500 Euro zu Buche. Dafür erleben die Darsteller ein Wochenende lang historisches Lagerleben mit Tanz, Gesang und Geschichten und dem Gefühl, Teil einer Kriegsszenerie zu sein. Geschossen wird im Unterschied zu damals allerdings nur mit Böllern. Wer laut Drehbuch getroffen wurde, darf sich später an anderer Stelle wieder in die Truppen einreihen. Im kommenden Jahr wird ein Ereignis aus dem zweiten Kriegsjahr nachgestellt.
Wenn fünf Jahre Bürgerkrieg vorbei sind, geht es dann wieder von vorne los: „Es wird trotzdem nie langweilig“, versichern Reporter Wolfgang Stephan und Tochter Nicole, die die Kriegswirren schon zum wiederholten Male miterleben.
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