Den Brüdern Jörg Schindler-Schwabedissen und Christoph Schindler kommen immer wieder neue und überraschende Ideen, wie sie das orgelmusikbegeisterte Publikum neugierig machen können.
Die neueste Veranstaltung war nun wirklich dazu angetan, Interesse zu wecken. Denn das Orgelmusik-Konzert fand gar nicht im Schloss Hanstein statt, sondern daneben, direkt neben dem Schloss.
Als die Gäste eintrafen, stand sie schon da: eine prachtvolle Orgel, integriert auf die Ladefläche eines Lkw, und daneben, ebenfalls mobil auf einem Anhänger, der Orgeltisch.
Das war das eine was Interesse weckte. Das andere war der Organist: Aus Arnstadt in Thüringen war Jörg Reddin, Kreiskantor und Organist an der Bachkirche, nach Ostheim gekommen. Der Kontakt zu Reddin hatte sich ergeben, als noch unter seinem Vorgänger Gottfried Preller die Bachorgel in der Bachkirche renoviert wurde, und zwar von der Firma Hoffmann & Schindler.
Jörg Schindler-Schwabedissen begrüßte die auf einfachen Bänken sitzenden Besucher und stellte den späten Nachfolger von Johann Sebastian Bach im Kantor-Amt kurz vor.
In Ostheim trat der dynamisch-fröhlich wirkende Vollblutmusiker mit gewinnender Nonchalance vor sein Publikum, moderierte auch selbst die Stücke, die er ausgesucht hatte.
Den Auftakt machte er mit einem Satz aus Felix Mendelssohn Bartholdys 2. Orgelsonate. Dem folgte die ausnehmend schöne Melodie „Morgenstimmung“ von Edvard Grieg aus der Oper „Peer Gynt“.
Von Niels Wilhelm Gade stammt das „moderate Gute-Laune-Stück“, mit dem Reddin sein Konzert fortsetzte und das keineswegs nur aus gemäßigten Elementen bestand. Sehr unterschiedlich gefärbt war auch das Präludium von Avid Zilinski: träumerisch und melancholisch, aber auch erregend, akklamatorisch, wuchtig, zumindest so von Reddin interpretiert.
Im krassen Kontrast dazu der Wechsel zu dem erst sechsjährigen Mozart, der doch schon in diesem kindlichen Alter Kompositionen in sein „Londoner Skizzenbuch“ geschrieben hatte. Das waren leichte, verspielte, zierliche Klänge, singbar; und so hieß das Stück auch: Andante cantabile.
Ebenfalls in scheinbar naive Kinderregionen stiegen die „Kinderszenen“ von Robert Schumann mit sieben Sätzen – sehr unterschiedliche Stimmungen, sehr unterschiedliche Tempi und Rhythmen und so auch akzentuiert von Redding gespielt. Ein glatter Aufwecker (so jemand bei den Träumereien müde geworden sein sollte) war „Freuet euch, ihr Christen alle“ von Volker Bräutigam – ein altertümlich klingender Titel, aber sehr moderne, merkwürdig zerhackte Musik.
An den Schluss stellte Redding den großen Johann Sebastian mit der langen Toccata in F-Dur. Ein wirbelndes, mit vielen barocken Schnörkeln versehenes, mächtiges, sich steigerndes Tonstück, Schwerarbeit für den Organisten. Bewundernswert die Art, wie er mit größter Virtuosität die Toccata auf der Mobilorgel, mit ihrem etwas trockenen Klang im Freien, rüberbrachte. Die Zuhörer waren begeistert. Als Zugabe spielte er ein weiteres Stück, das bekannte Kirchenlied „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr‘“. Zunächst als schlichte Melodie, dann aber führte er es weiter in einer verfremdenden Variation, bei der er noch einmal seine große Kunst als Organist bewies. In seinem Dank für dieses bemerkenswerte Orgelkonzert versprach Schindler-Schwabedissen dem Künstler, dass er ihm jederzeit bei Tag und Nacht sein Orgelbaumuseum öffnen würde, damit Reddin die dort ausgestellten Orgeln ausprobieren könnte.
Reddin nahm es schmunzelnd zur Kenntnis, verriet aber nicht, ob er gewillt war, das Angebot anzunehmen.