Der Buchtitel führt nicht zwangsläufig auf die Spur. „Die Quellen der Macht“ – dieser Titel lässt offen, wer sich hinter der Person des Autors verbirgt. Der Untertitel ist schon aussagekräftiger: „Reisebericht von einer gescheiterten Expedition“ verweist auf ein Buch, das schon geschrieben ist, aber erst noch in die Buchläden kommt. Soviel verrät der Autor vorweg. Es ist Bernd Weiß, Landtagsabgeordneter der CSU und Innenstaatssekretär a.D., der aufhorchen ließ, weil er seinen Rückzug aus der Politik angekündigt hat. Wohlgemerkt aus freien Stücken. Zwei Jahre hat er an seinem Buch gearbeitet und entstanden ist eine Art Biografie, die er mit den persönlichen Erlebnissen der kleinen und großen Politik schmückt.
„Die Quellen der Macht“ hat der Mann aus Bahra hinreichend erlebt und sein „Reisebericht von einer gescheiterten Expedition“ wird seine ganz persönlichen Erfahrungen, die er im politischen Alltag gemacht hat, widerspiegeln. Nicht zuletzt aus dem Jahr als Innenstaatssekretär der Staatsregierung unter Ministerpräsident Horst Seehofer. Wer aber hinter dem Buch gar eine „Abrechnung auf Papier“ vermutet, „der wird enttäuscht sein“, kündigt der Autor an.
Gerade mal 43 Jahre alt, hat Bernd Weiß in der kleinen wie großen Politik viel erlebt. Mit 20 ist der Einser-Abiturient in die CSU eingetreten, fünf Jahre später hat er 1993 den Ortsvorsitz der Mellrichstädter CSU übernommen. War er doch schon in jungen Jahren der Wunschkandidat seines Vorgängers Ferdinand Müller mit der Begründung: „Es hat doch keinen Sinn, einen 70-Jährigen durch einen 65-Jährigen zu ersetzen.“ Bernd Weiß macht gern Politik, ist sprichwörtlich mit „Herz und Seele“ dabei, wie ein Wegbegleiter dessen Leidenschaft dafür umschreibt.
Die Ochsentour durch die Parteigremien scheut Weiß nicht. 1996 in den Stadtrat von Mellrichstadt gewählt, wird der Jurist mit Prädikats-Examen gleich Fraktionssprecher seiner Partei. Fünf Jahre später führt er die Kreis-CSU. 2003 zieht Bernd Weiß für den Wahlkreis Haßberge/Rhön-Grabfeld erstmals in den Bayerischen Landtag ein. Seine Wiederwahl 2008 macht ihm den Weg frei in die bayerische Staatsregierung, als Staatssekretär im Kabinett Seehofer steht Bernd Weiß auf der Karriereleiter ganz weit oben. Voller Überzeugung, bis dahin alles richtig gemacht zu haben. „Es war ja alles glatt durch gegangen.“
„Unser Mann“ in Bayerns Schaltzentrale war – wer kann's ihm verdenken – „stolz wie Oskar“, ein Lebenstraum hatte sich für Bernd Weiß erfüllt. War daher mit Ideen und Idealen zuhauf nach München gestartet. „Ich hatte ein Grundgerüst im Kopf, wie ich an vorderster Stelle Politik machen und mithelfen will, Probleme zu lösen“, sagt Weiß, der mehr und mehr erkennen musste, dass der Regierungsapparat in elementaren politischen Dingen anders tickt als er. Das wird ihm beispielsweise beim Thema Steuersenkungen ebenso bewusst wie in der Frage der Atompolitik.
Für Steuersenkungen „ist kein Geld da“, sagt Weiß seine Meinung. „Ich bin doch nicht von gestern“, die Energiewende müsse kommen, wenn alle sie wollen, sagt der eingefleischte CSUler, der freilich den schnellen Umschwung in der Atompolitik, den gerade seine Partei propagiert, für falsch hält. Warum? Wer von Energiesparen redet, müsse auch zum Umdenken bereit sein, was den eigenen Lebensstil betrifft. „Und diese Wahrheit will doch kaum jemand hören.“ Aber die Politik tue ja gerade so, als „geht es immer weiter wie bisher“. So müsse doch bei den Menschen der Eindruck entstehen, „sie werden nicht mehr ordentlich regiert“, ärgert sich Bernd Weiß buchstäblich schwarz. Schlimmer noch: „Es wird doch zwischen den Politikern überhaupt kein Unterschied mehr gemacht.“
Bernd Weiß ist konsequent. Weil er seine politische Arbeit im Staatsministerium des Innern nicht so umsetzen kann, wie er sie für richtig hält, zieht er als Staatssekretär die Reißleine. Bernd Weiß kündigt seinen Job, nicht zuletzt auch deshalb, weil er sich eingestehen muss, dass „die Chemie zwischen Horst Seehofer und mir nicht stimmt. Ich habe ihm meine Mitarbeit angeboten, der Ministerpräsident aber wollte Gefolgschaft“. Lange ringt er mit sich, diesen Schritt zu tun und wieder in die Reihen der Abgeordneten zurückzukehren. Schließlich „wirft man sein Lebensziel nicht einfach so fort“, sagt er eher beiläufig. Als Heldentat will Bernd Weiß seinen Rücktritt nicht sehen, schließlich „bin ich weich gefallen“ und verweist auf seinen Beruf als Notar. Gibt aber zu, dass er längere Zeit gebraucht hat, „sich wieder zu sortieren“.
Über diese Zeit hinweg hilft ihm die Tatsache, dass „es im privaten Bereich bestens läuft“: Für das Notariat hat Bernd Weiß nun das Domizil gefunden, das ihm schon immer vorschwebte. Auch wird er seinen Wohnsitz von Bahra nach Schweinfurt verlegen, „das Traumgrundstück für die Familie haben wir bereits“. So reift der Entschluss, jetzt den Schnitt zu machen und sich von allen Parteiämtern zu trennen. Beispielsweise hat Weiß zehn Jahre Kreisvorsitz auf dem Buckel. Also hat er im Einvernehmen mit dem CSU-Kreisvorstand die Nachfolge geregelt. Er, der dieses Amt gern gemacht hat, lobt gerade die Stärke der Rhön-Grabfelder CSU über den grünen Klee: „Es hat all die Jahre funktioniert, weil die Leute im Vorstand es gern miteinander zu tun haben.“
Ob die politische Auszeit für immer gilt, ist sich Bernd Weiß selbst nicht sicher. Das Bild, das er dafür malt, spricht Bände: „Ich mache zunächst Rast auf dem Hochplateau und sehe dann, ob ich absteige oder weiter gehe.“ Denn an der CSU hängt weiter sein Herz. „Eine Partei wechselt man nicht wie sein Hemd.“ Und hält sich auch ein Türchen für die Zukunft offen, wenn er sagt: „Wenn meine Partei irgendwann ein Plätzle für mich hat, mache ich vielleicht weiter Politik.“ Das kann ehrenamtlich in einem Gremium sein, aber auch ganz oben in der Politik.
Aktuell will der Christsoziale nicht mittragen, dass „seine CSU jetzt eine Mitmachpartei ist“. Und meint damit, dass es ihr nicht um Problemlösungen in schwierigen Zeiten geht, sondern um die Botschaft an die Menschen nach dem Motto: „Wählt uns, weil die anderen noch schlechter sind als wir.“ Das ist nicht die Politik, für die Bernd Weiß stehen will.
Der nächste Umzug steht an – mit der Familie nach Schweinfurt ins neue Haus, auch wenn es noch einige Monate hin ist. Da ist es sicherlich nicht von Nachteil, wenn der Kopf frei ist für andere Dinge als nur Politik. Und weit weg von Freunden und Familie in Bahra ist das auch nicht, aber näher an der Mitte seines Wahlkreises.
Polit-Talk beim Frühstück
Geheim gehalten: Als Bernd Weiß Mitte Mai seinen Rückzug als CSU-Kreischef bekannt gab und ankündigte, bei den nächsten Wahlen nicht mehr für den Landtag zu kandidieren, war das für viele eine Überraschung. Nicht jedoch für seine Kollegen im CSU-Kreisvorstand. Die wussten seit März Bescheid, dass die Gallionsfigur der Rhön-Grabfeld-CSU einen Schnitt machen wollte. Dass sie alle bis Juni dicht gehalten haben, darauf ist Weiß stolz. Zeigt es doch den Zusammenhalt in der Kreis-CSU. Darüber und über seine politischen Ansichten plauderten die Main-Post-Redakteure Hubert Herbert und Georg Stock mit Bernd Weiß – beim Frühstück zuhause bei ihm in Bahra.