Den Dinkel, der bei Landwirt Markus Groenen in Mellrichstadt lagert, kannten die Gäste aus Fernost noch nicht. Dabei ist das Ur-Getreide mit der Biowelle wieder schwer angesagt. Doch die Männer um den Japaner Takeshi Murata waren wegen etwas anderem gekommen. Sie wollten einen typisch deutschen Familienbetrieb sehen.
Für Murata und seine fünf Begleiter aus Japan, China und Südkorea war es ein Blitzbesuch. Denn ihre weite Reise dauerte ganze vier Tage.
Am Sonntag kamen sie über Frankfurt aus Tokio eingeflogen, verbrachten die Nacht in Bad Neustadt. Dort trafen sie Karl Elzenbeck, den Geschäftsführer des Maschinenrings Rhön-Grabfeld aus Saal an der Saale.
Den ganzen Vormittag drehten sich die Gespräche um diese Vereinigung, deren Vorsitzender Groenen ist. Am Nachmittag ging es dann zu seinem Bündhof im Mellrichstadt.
Dort zeigten sich die Gäste extrem gut vorbereitet. Nach einer kurzen Besichtigung – bei der sie auch mit dem Dinkel konfrontiert wurden – packten sie Fragebögen aus.
Peinlich genau arbeiteten sie diese Punkt für Punkt ab – und wollten einfach alles von Groenen wissen: Wie viele Tage er im Jahr arbeitet, welche Frucht er auf wie vielen Hektar anbaut, ob er Tiere hält, wer alles im Betrieb mitarbeitet, für wen er Dienstleistungen ausführt, in welchem Umfang er Leistungen annimmt und vieles mehr. Sogar, ob sein 17-jähriger Sohn Maximilian nach einem vermuteten Studium den Hof übernimmt, wurde gefragt.
Diese Akribie wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, wer Groenen und seiner Familie da gegenübersaß. Es waren keine Landwirte, sondern die geballte Bildungselite.
Takeshi Murata arbeitet als Professor für Agrikultur an der Ehime Universität in Matsuyama im Süden Japans, Shunsuke Yanagimura in Sapporo auf der Insel Hokkaido im Norden des Landes. Professor Tomio Sakai gehört der Universität von Toyama auf der Hauptinsel an. Tae Gon Kim besuchte für das Korean Rural Economic Institute in Seoul das Rhön-Vorland. Und Professor Zhu Junfeng reiste aus Chinas Hauptstadt Peking an.
Nun kann Groenens Bündhof mit 200 Hektar Acker- und Grünland sowie geringer Forstfläche als mittlere Landwirtschaft gelten. Der 43-Jährige baut hauptsächlich Getreide, auch Dinkel, an, unterstützt von seiner Familie inklusive Eltern.
Er tut das hauptberuflich, so wie acht bis zehn weitere Landwirte in Mellrichstadt. Im Nebenerwerb arbeiten ungefähr ebenso viele, schätzen Groenen und Elzenbeck.
Beide sprachen den Wandel in der Branche an: Viele deutsche Landwirte gaben ihre Betriebe auf – weil der Preisdruck zu groß wurde oder sich kein Nachfolger für den Hof fand.
Auch heute streichen jedes Jahr drei Prozent der Bauern die Segel. Der Weltmarkt bestimmt den Preis, speziell bei Weizen und Mais. Wobei gute Förderung durch die Europäische Union die Lage abfedert.
Etwas anders sei laut Takeshi Murata die Lage in Japan. Dort existiert eine Bandbreite vom nur einen Hektar großen, terrassenförmigen Feld in den Bergregionen bis hin zu 20 bis 30 Hektar umfassenden Anbauflächen in Großstadtregionen.
Natürlich wird in Japan viel Reis angebaut. Doch nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg geriet der Inselstaat beim Getreide in Abhängigkeit von Importen aus den USA. „Wir haben in Japan große Schwierigkeiten“, sagte Murata, der erstaunlich gut deutsch spricht. Denn die Preise für Reis und Mais lägen derzeit darnieder, während die Landwirte für Futtergetreide relativ viel bezahlen müssten. Das mache die Tierproduktion kompliziert.
Die Milchviehhaltung hat Markus Groenen vor vielen Jahren aufgegeben, hält sich als Hobby 60 Mastschweine. Seine Gäste interessierten sich auch für seine Hackschnitzelheizung. Denn nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 dachte man um. „Wir wollen die Energiewende und neue Methoden der Familienbetriebe probieren“, sagte Murata. Viel verspreche man sich von auf Gülle basierenden Biogasanlagen.
Viele Informationen über den Grad der Mechanisierung dürfte der chinesische Professor Zhu Junfeng mit in die Heimat genommen haben. Der beträgt dort nur 50 Prozent. Wobei inzwischen viele der Bauern in den 200 Millionen Agrarbetrieben nur nebenberuflich arbeiten. In China sind 270 Millionen Menschen Wanderarbeiter.
Die Delegation aus Fernost sah sich am Dienstag in Bad Neustadt noch einen Milchvieh- und einen Schweinemastbetrieb an. Am Mittwoch reiste sie wieder heim.
Auf dem Bündhof in Mellrichstadt gab Groenens Tochter Franziska jedem ein Tütchen Dinkel mit auf den Weg. Wer weiß: Vielleicht tritt das Ur-Getreide ja bald seinen Siegeszug in China und Japan an.