Christopher Gellert sah man die Erschöpfung an. Der Chef des Organisationskomitees des Oberhofer Weltcup-Biathlons hatte in den letzten Tagen nicht viel Schlaf. Vor allem das Wochenende machte ihm zu schaffen. In der Nacht von Freitag auf Samstag hatte Orkantief „Felix“ quasi den Super-GAU für einen Wintersport-Veranstalter ausgelöst: Tauwetter. Plus zehn Grad stand auf den Thermometern in der DKB-Arena in der Nacht, die Strecke schmolz weg wie Butter in der Pfanne. In der Nacht waren die Lastwagen im Dauereinsatz, fuhren bis 2 Uhr morgens den in der Nähe der Schanze am Kanzlersgrund gebunkerten Kunstschnee ins Stadion. Als Christopher Gellert am Samstagmorgen um 6 Uhr in die Arena kam, war trotzdem erst mal nur das Asphaltband des Loipen-Untergrunds zu sehen. Wie die Berserker arbeiteten die mehreren hundert ehrenamtlichen Helfer, um das Sprintrennen, das für 12 Uhr mittags am Samstag angesetzt war, zu ermöglichen. Um zweieinhalb Stunden musste es verschoben werden, aber es klappte: Um 14.30 Uhr fiel der Startschuss, die 16 500 Fans in der Arena und entlang der Strecke feierten nicht nur die Athleten, sondern auch die Helfer. Zu Recht sagte Gellert dann am Sonntag: „Wir können stolz darauf sein, was wir geleistet haben.“
Vor allem unter diesen Voraussetzungen. Denn als der Orkan keine Lust mehr auf Tauwetter hatte, wechselte er am Sonntag wieder in den Wintermodus. Es schneite stark, kräftige Böen ließen die Skijägerinnen und Skijäger in den Massenstartrennen teilweise am Schießstand verzweifeln. Die Besten setzten sich allerdings wie immer durch: Martin Fourcade bei den Männern und Darya Domratschewa bei den Frauen. Vor allem die Leistung des französischen Olympiasiegers und Weltcup-Siegers der vergangenen Saison war eine beeindruckende Demonstration der Biathlon-Kunst. Und auch die weißrussische Ausnahmeathletin Domratschewa schien ihren Frieden mit den Rennen in Bad Neustadts Partnerstadt gemacht zu haben. Im Sprintrennen am Freitag, das durch Nebel, Regen und viel Wind beeinflusst war, hatte sie den Sieg am Schießstand verspielt – wie viele andere Favoriten auch. Danach schimpfte sie wie ein Rohrspatz, stellte die Ausrichtung eines Weltcups in Thüringen grundsätzlich in Frage. Das mag dem sportlichen Frust geschuldet sein, der 28-Jährigen steht es als Sportlerin aber eigentlich nicht zu, sich dergestalt zu äußern. Christopher Gellert verzichtete auch auf Nachkarten, „hier kämpfen 712 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer dafür, den Sportlern einen perfekten Weltcup zu bieten. Für das Wetter kann keiner etwas.“
„Wir können stolz darauf sein, was wir geleistet haben.“
Oberhofs OK-Chef Christopher Gellert
Trotz Orkan, Nebel, Schnee und Regen – überraschenderweise war der Weltcup 2015 „nicht der schwerste, den wir jemals hatten“, so Gellert. Denn in diesem Jahr war man vor allem in Sachen Streckenpräparation gerüstet. Der im vergangenen Jahr gebaute Schneiteich zwischen der DKB-Skihalle und der Waldtribüne machte sich bezahlt, man hatte 300 Lkw-Ladungen Kunstschnee im Depot, dazu wurden zwischen Weihnachten und Neujahr mit finnischer Technik 130 Lkw-Ladungen Kunstschnee produziert. Der Biathlon-Weltverband jedenfalls war zufrieden mit den Thüringern, in Ruhpolding ab Mitte der Woche gestaltet sich die Durchführung des Weltcups aufgrund des Föhns in den Alpen deutlich schwieriger.
Gleichwohl bereitet das Thema Zuschauerzuspruch am Rennsteig mehr Sorgen, als Gellert öffentlich zuzugeben bereit ist. „Wir haben konservativ gerechnet und gut kalkuliert, insofern werden wir kein dickes Minus machen“, erklärt der OK-Chef, dass er von einem ausgeglichenen Ergebnis ausgeht, auch wenn über 30 Prozent weniger Zuschauer da waren als beim letzten Weltcup über fünf Tage, dem im Jahr 2012. Insgesamt 66 000 zählte man von Mittwoch bis Sonntag, nur der Sonntag mit 22 000 war wirklich befriedigend. Vor allem unter der Woche gab es große Lücken im Stadion, was unter anderem der Tatsache geschuldet war, dass weder in Thüringen noch in Bayern Ferien waren. Rund ein Drittel der Weltcup-Besucher kommt aus Franken, ein sehr großer Anteil davon aus den Landkreisen Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen. Doch wer wieder arbeiten musste nach Dreikönig hatte keine Chance, von Mittwoch bis Freitag um 14.15 Uhr Biathlon vor Ort zu schauen. Gestiegene Eintrittspreise und der fehlende sportliche Erfolg der deutschen Sportler tun ein Übriges. „Wir werden das jetzt in aller Ruhe analysieren und dann entscheiden, wie wir reagieren“, so Gellert.
Bei einem anderen Thema gibt es zumindest vorübergehend Entwarnung. Mit von Seiten des Thüringer Skiverbands wohlkalkulierter Aufregung war über die Chancen einer möglichen WM-Bewerbung Oberhofs für die Biathlon-Welttitelkämpfe 2020 oder 2021 diskutiert worden. Der Weltcup ist nur bis einschließlich 2018 sicher zugesagt, auch in der Hinsicht sind weitere Investitionen in das tatsächlich in mancherlei Hinsicht altersschwache Stadion nötig. Die wird es nun geben. Am Sonntagabend teilte Thüringens neuer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) mit, das Land werde die fraglichen 27 Millionen Euro, die nötig sind, investieren und befürworte eine WM-Bewerbung des „Leuchtturms für Thüringen.“ Da sah man dann nicht nur Erschöpfung, sondern auch ein zufriedenes Grinsen in Christopher Gellerts Gesicht.