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BAD KÖNIGSHOFEN: Bildung ist das beste Rezept gegen Arbeitslosigkeit

BAD KÖNIGSHOFEN

Bildung ist das beste Rezept gegen Arbeitslosigkeit

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    Über die Bedeutung von Bildung und Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt referierte in der Volksschule Bad Königshofen Roland Deinzer aus Nürnberg.
    Über die Bedeutung von Bildung und Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt referierte in der Volksschule Bad Königshofen Roland Deinzer aus Nürnberg. Foto: FOTO Rudolf Dümpert

    (rd) So kurzweilig und interessant ist es selten, wenn jemand Statistiken, Grafiken und Tabellen interpretiert und auswertet. Dr. Roland Deinzer (38), der Referent eines Vortrags in der Volksschule Bad Königshofen schaffte es, das Publikum mit an sich trockener Materie nicht nur zu informieren, sondern auch charmant zu unterhalten.

    Eingeladen hatten Rosalinde Reichert und Sigrun Weigelt vom Elternbeirat, der in Kooperation mit der Hanns-Seidel-Stiftung den Diplom-Volkswirt von der Bundesagentur für Zentrale Arbeitsmarktberichterstattung für den Vortrag „Der Arbeitsmarkt 2009 – Bildung als Ausweg aus der Krise“ gewinnen konnte. Deinzer ist sozusagen der Mann hinter Frank-J. Weise, dem Vorstandsvorsitzenden der BA, und verfasst dessen monatliche Arbeitsmarktberichte. „Ich könnte Ihnen heute schon verraten, was er am Freitag in der Tagesschau sagen wird“, machte Deinzer neugierig und verriet etwas später: „Der Mai-Bericht sieht durchaus positiv aus. Wir sind wenigstens wieder auf dem Niveau von 1990.“

    Als roter Faden zog sich natürlich der Zusammenhang von Bildung und Arbeitslosigkeit durch das lockere Referat. Gespickt war es mit vielen Pointen, Witz und Humor, aber auch Tatsachen, die sonst nicht so häufig auf den Tisch kommen. „Mein monatlicher Bericht umfasst 50 Seiten, die eh kein Mensch liest.“ Deinzer hatte sich vorgenommen, diese Fragen zu stellen und zu beantworten: „Was ist los auf dem Arbeitsmarkt? Wer hat Chancen? Wo sind die Risiken?“ Und er stellte auch voran: „Es verdichtet sich darauf, dass dabei die Bildung eine große Rolle spielt.“

    Ein Drittel der Arbeitsmarktentwicklung habe überhaupt nichts mit dem Arbeitsmarkt zu tun, sondern mit der demografischen Veränderung der Gesellschaft. Das Arbeitskräfteangebot gehe sogar zurück. Es kämen kaum noch Zuwanderer, hoch qualifizierte sowieso nicht.

    „Erinnern Sie sich an das Szenario mit avisierten 40 000 indischen Ingenieuren? 800 waren es in Wirklichkeit. Etwa 600 sind noch da, wenn die Statistik stimmt, aber die fälsche ich ja selber.“

    Immer weniger Junge, immer mehr Alte, das bedeutet konkret: „1950 ernährten sieben Erwerbstätige einen Rentner. 2010 sind es zwei, 2030 wird das Verhältnis 3:2 sein.“ Gründe für die zunehmende Alterslast seien die steigende Lebenserwartung, der Geburtenrückgang und die Absenkung des Rentenalters. Männer, so Deinzer, werden durchschnittlich älter, wenn sie in einer Beziehung leben. Bei Frauen ist es umgedreht, „denken Sie sich Ihren Teil.“

    Um die Bevölkerungszuwachsrate zu halten, liege die „Netto-Reproduktionsrate“ bei 2,1 Kindern pro Frau. Es gebe aber „immer mehr demografische Blindgänger, die sich aus den verschiedensten Gründen der Fortpflanzung verweigern.“ Warum? „Der Kosten-Nutzen-Faktor bei Kindern existiert in unserer Gesellschaft nicht mehr. Ebenso fällt das Alterssicherungsmotiv weg. Heute spricht man vom Erbauungsnutzen am Kind. Ich sage nein, es liegt an den Kosten, konkret, an den Aufzuchtskosten“, so der Volkswirt. Eine halbe Million Euro koste es, bis ein Kind in die Erwerbstätigkeit kommt. Bis zum Ende des Studiums sei es sogar eine ganze Million. Wichtiger seien aber noch die „Opportunitätskosten der Frau“, die Verzichtskosten auf Einkommen und Karriere. „Je höher ausgebildet eine Frau, desto höher sind diese Kosten.“

    Das Elterngeld sei das Einzige, was der Politik zur Gegensteuerung eingefallen sei. „Und die greift ab einem gewissen Einkommen nicht einmal. Frauen brauchen eine längerfristige Perspektive. Deshalb bleibt es bei der 1,4-Kinder-Rate pro Frau. Das Geld hätte man besser ins Bildungssystem investiert. Aber da wirken sich die Erfolge kurzfristig nicht so populär aus.“

    Nach der Krise, so Deinzer, werde es einen Fachkräftemangel geben, „eigentlich jetzt schon.“ Zuwanderung Hochqualifizierter sei keine Lösung, „sie kommen doch gar nicht mehr zu uns, gehen in für sie attraktivere Länder.“

    Gegen Ende des Vortrags schloss sich der Kreis wieder. 2,2 Millionen Empfänger von Arbeitslosengeld II seien Jugendliche ohne Ausbildung, davon die Hälfte ohne Schulabschluss. „Für die haben wir nichts. Was die können, machen überwiegend Maschinen.“ Von unserem 80-Millionen-Volk seien nur knapp 28 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Wo es statistisch betrachtet darüber hinaus gehe, (Ich-AG, Ein-Euro-Job, 400-Euro-Jobs etc.) beginne die Verschleierungstaktik.

    Deinzer und Paul Hufnagel, der Seminarleiter der Hanns-Seidel-Stiftung, freuten sich über 61 Besucher des Vortrags. „Am meisten hätte es aber Schüler und Jugendliche interessieren müssen.“ Es blieb den beiden nämlich nicht verborgen, dass neben den 42 Lehrern zwei Schülerinnen und 17 Eltern im Publikum waren.

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