Einst gab es die "Brod- und Feinbäckerei" von Martin Voll und seiner Frau Margarete am unteren Ende des Bischofsheimer Marktplatzes. Wann sie gegründet wurde, können die Nachfahren nicht mehr genau sagen. Sicher ist jedoch, dass die Volls genau vor 100 Jahren neben der Bäckerei eine "Kaffee- und Weinstube" eröffneten - eine Verbindung, die es damals oft gab, wie die Enkelin von Martin, die ebenfalls Margarete heißt, erzählt.
Marmortische in Bad Kissingen erstanden
Der Gastraum entstand, wo vor 1919 Backstube und Verkauf waren. Deshalb wurde ein Laden in der Frauengasse errichtet, eine Treppe führte hinauf zur Eingangstür, wo die Backwaren von Martins Tochter Mari verkauft wurden. Zuerst standen einfache Tische im Lokal. 1923 konnte Martin Voll in Bad Kissingen Marmortische eines bankrott gegangenen Cafés kaufen. Und schon nahm Caféhaus-Atmosphäre Einzug. Zur Ausstattung gehörte auch ein verzierter Geschirrschrank, der heute noch zweckmäßiger und äußerst schmuckvoller Bestandteil der Einrichtung ist.

1924 verkaufte Martin Voll ein gebrauchtes Fahrrad. Aus dem Erlös erwarb er einen neuen Backofen. Für die damalige Zeit war der Ofen sehr groß, konnte von rechts und links befeuert werden. Es wurde in zwei Etagen gebacken.

Martin und Margarete Voll hatten fünf Kinder. Sohn Fritz Voll sen. – in Bischofsheim als der Volle Fritz bekannt – wurde Bäcker. Mit ihm arbeitete die zweite Generation im Café Voll, das in den 1920er- und 1930er-Jahren Treffpunkt zahlreicher Abendgesellschaften war, bei denen es lustig und sangesfreudig zuging. Ein Klavier gehörte zur Grundausstattung des Cafés, und häufig spielten Musikanten mit Zither und Gitarre auf. Der "Voll" gehörte zu den gern besuchten Lokalen der Kleinstadt am Fuße des Kreuzbergs.

Nicht selten wechselte der Volle Fritz in der Nacht seine Kellnerbekleidung gegen die Bäckerhose und ging von der Wein- direkt in die Backstube. Vor dem großen Schaufenster des Cafés gab es damals schon Sitzplätze im Freien. Während des Krieges war das Café geschlossen, Fritz Voll sen. war als Soldat eingezogen. Bald nach Kriegsende öffneten sich die Türen wieder, diesmal als "Café Voll, Bäckerei und Weinstube".

Wie schon vor dem Krieg bescherten auch die Wintermonate ein gutes Geschäft, denn die Skifahrer kamen mit dem Böschemer Zügle in die Rhön. Auf dem Rückweg zum Bahnhof kehrten sie beim "Voll" ein. Nach dem Krieg lebten die lustigen Abendgesellschaften wieder auf. Legendär waren damals die Kappenabende in der originellen Böschemer Fasenacht und die Faschingsfeiern des Frauenbundes bis in die 1980er-Jahre hinein.
Waldmeister-Eis nach altem Rezept
Im Sommer stellte der Volle Fritz zusätzlich zu seinen Backwaren auch Speiseeis her. Vier Sorten Eis wurden damals angeboten, meistens Vanille, Schoko, Nuss und Waldmeister. "Früher hat man in einer großen Schüssel zerstoßenes Eis mit Viehsalz gemischt und eine kleinere Schüssel hineingestellt und die Masse darin so lange gerührt, bis sie zu Speiseeis wurde", berichtet Bäckermeister Fritz Voll Junior von den Ursprüngen und der mühevolle Handarbeit zur Eisherstellung. Fritz Voll senior wagte in den 1950er-Jahren die Anschaffung einer elektrisch angetriebenen Eismaschine. Das Gerät wurde im Keller aufgestellt. "Im Sommer kippten die dort in Fässern gelagerten Weine um", erzählt Fritz Voll junior. Der Grund: Die Eismaschine entwickelte beim Betrieb zu viel Hitze!

Die Küche war und ist Dreh- und Angelpunkt des Cafés. Früher bereitete Lydia, die Frau vom Volle Fritz sen., für die Bäcker das Mittagessen zu. Nicht selten saßen hier in den 1970er-Jahren um die Mittagszeit acht Leute bei Tisch, so Fritz Voll jun. Er übernahm Café und Bäckerei 1984 gemeinsam mit seiner Frau Uli als dritte Generation.
Und dann noch auf den Kartoffelacker
Früher gab es nicht nur in der Backstube und im Café viel zu tun, zum Betrieb gehörte auch eine Landwirtschaft in der Spitalgasse auf der anderen Seite des Marktplatzes, mit Schweinen und Kühen, die einen Teil der Milch und Sahne lieferte, die im Hause verarbeitet wurden. Getreide und Kartoffeln wurden ebenfalls angebaut. Ein Teil des Getreides wurde zu Mehl verarbeitet und auf dem Dachboden gelagert. Wenn das Mehl recht feucht war, musste es von Hand immer wieder umgeschichtet werden, bis es trocken genug war, erinnert sich Fritz Voll jun.

Damals wie heute entstehen die Produkte, die im Café Voll verkauft werden, in Handarbeit. "Wir machen alles selber, außer den Eiswaffeln", betont Nina Heiler, die mit Lisa Voll, der Tochter von Fritz Voll jun., im Jahr 2011 die Verantwortung für das Café Voll übernommen hat. Sogar die Marmeladen des Frühstückbüffets bereiten die Mitarbeiter des Hauses selbst zu.
Auch wenn mittlerweile die vierte Generation die Leitung des Traditionshauses übernommen hat, ist Fritz Voll jun. nach wie vor für die Backstube verantwortlich. Von Dienstag bis Sonntag arbeitet und regiert er in seiner Backstube. Brot und Brötchen, Kuchen und Torten werden hier täglich gebacken. Für einen Kunden backt er sogar sonntags frisches Brot. Wenn während der warmen Jahreszeit das Tagesgeschäft abgearbeitet und die Backstube geputzt ist, nimmt sich der Volle Fritz Zeit für eine seiner Lieblingsbeschäftigungen, der Speiseeisherstellung.

Die hauseigenen Rezepte werden ständig verbessert und im Laufe der Zeit ändert sich auch immer wieder der Geschmack der Kundschaft. Einzig das Waldmeistereis, für das er den Aromastoff zukauft, hält sich schon seit der Zeit seines Vaters beständig im Angebot. "Die Leute sagen, das gab es beim Voll schon immer, also mache ich das auch weiterhin", lächelt Fritz.
Überhaupt gibt es viele Dinge, die einfach zum Café Voll gehören, so auch zur Herbst- und Winterzeit die wohlige Wärme in dem langen schmalen Gastraum, die der mit Holz befeuerte Kachelofen ausstrahlt. Natürlich wird auch das Brennholz von der Familie Voll selbst im Wald geschlagen und verarbeitet. Im Café Voll ist eben alles Handarbeit und das seit über 100 Jahren.
