Zum 60. Geburtstag wird gerne Resümee gezogen: Im Rückblick auf Höhen und Tiefen überwiegen in der Zusammenschau dann meist die Sonnenseiten. Ein solcher Dreh ins Positive dürfte der heutigen Jubilarin schwer fallen. Ward sie doch jahrelang beschimpft und verflucht, mitunter sogar beschossen, angezündet, mit Farbe besprüht und Klebeband umwickelt. Die Rede ist von der Radarfalle die diesen Samstag 60 Jahre alt wird.
60 Jahre ungeliebt?! Dass es so ausgehen könnte, war bei ihrer Geburtsstunde nicht abzusehen. Ihr Erscheinen hatte nämlich durchaus Begeisterung geweckt und Hoffnungen geschürt. 1956 war der Prototyp eines Verkehrsradargeräts der Firma Telefunken auf der Internationalen Polizeiausstellung in Essen vorgestellt worden. Nach ersten Feldversuchen 1957 in Düsseldorf, Hamburg und Ulm, trat die Radarfalle dann ihren bundesweiten Siegeszug an.
Zuvor war die Zahl der Verkehrstoten in der Bundesrepublik erschreckend gestiegen. Die Zeitungen feierten die neue „Wunderwaffe“ der Polizei, die ihrerseits davon begeistert war, „statistisch gesehen jeden Autofahrer alle zehn Tage kontrollieren zu können“.
60 Jahre später ist die euphorische Begeisterung einer ruhigen Überzeugtheit gewichen. Seit sechs beziehungsweise 15 Jahren sind die Bad Neustädter Polizeihauptkommissare Gerd Jahrsdörfer und Georg Stockheimer mit der Radarkontrolle quasi „liiert“. So lange schon führen sie mit ihrer Hilfe Geschwindigkeitsüberwachungen durch.
Vernunftehe mit der Radarkontrolle
Liebe ist es sicher nicht, was die beiden Polizisten mit dem Gerät verbindet. „Klar wäre es schöner, die Leute hielten sich von allein an Geschwindigkeitsbegrenzungen. Dann bräuchte man keine Überwachung“, sagen sie. Weil die Menschen das aber nicht tun, müsse man sie erziehen langsamer zu fahren. Eine Art Vernunftehe also.
Verbunden fühlen sie sich dem Gerät aber durchaus:. „Radarfalle“ – Georg Stockheimer rümpft die Nase und verwehrt sich gegen diesen Begriff: „Das klingt nach Bauernfängerei, nach Käse und Mausefalle“, sagt er. Geschwindigkeitsüberwachung sei die richtige Bezeichnung, mit dem Ziel, „die Verkehrssicherheit zu erhöhen“.
Die beiden Hauptkommissare sind von der Effektivität des Unterfangens überzeugt. „Jeder Stundenkilometer, der langsamer gefahren wird, senkt die Anzahl der Verkehrsunfälle um vier Prozent.“ Relativ neu sei das Konzept, nicht mehr nur an unfallträchtigen Stellen zu blitzen, sondern in die „Breite“ zu gehen. „So kann man nie sicher sein: Hier kann ich rasen.“ Vor diesem Gesichtspunkt begrüßen die Polizisten auch Radarwarner in Navi, Handy und Radio – weil diese die Leute dazu bringen abzubremsen.
Kommunale Verkehrsüberwachung
Die meisten jedenfalls. Natürlich tappen immer noch genug in die „Falle“. Die Polizeiinspektion Bad Neustadt zählte 2016 320 Geschwindigkeitsverstöße, die Verkehrspolizeiinspektion Schweinfurt-Werneck im selben Zeitraum im Landkreis Rhön-Grabfeld 1538. Seit 2011 blitzen auch einige Gemeinden im Landkreis privat. Koordiniert wird die kommunale Verkehrsüberwachung an der VG Bad Neustadt von Mitarbeiter Timo Schmitt. 7329 Geschwindigkeitsverstöße, erklärt dieser, gab es 2016 in den damals beteiligten Gemeinden Burglauer, Hohenroth, Niederlauer, Rödelmaier, Saal, Salz, Unsleben, Bad Bocklet und Burkardroth.
Der schnellste Raser, an den sich Polizist Stockheimer erinnert, wurde am 24. Juli 2016 auf dem Autobahnzubringer in Rödelmaier gestellt. Statt der erlaubten 100 war der Motorradfahrer mit 212 Stundenkilometern unterwegs. Über 2000 Euro Geldbuße und drei Monate Fahrverbot habe der Mann damals kassiert, erinnern sich die Polizisten.
Als Beispiele für neuralgische Stellen, an denen Verkehrsteilnehmer häufig in die Verkehrsüberwachung rauschen, nennen die Polizisten die Nordumgehung in Bad Königshofen, die B 279 zur Autobahn 71 hinauf, die Staatsstraße 2292 Wollbach Richtung Bastheim, die Schwedenschanze B 279 nach Bad Neustadt hinunter. Die kommunale Verkehrsüberwachung, die im Gegensatz zur Polizei nur innerorts Messstellen errichten darf, blitzt am häufigsten in der Mühlbacher Straße in Salz und in Unterebersbach in der Durchgangsstraße Richtung Bad Kissingen.
Die Radarkontrolle, das muss an dieser Stelle zu ihrer Verteidigung vorgebracht werden, hat einen schweren Stand: Wirklich recht machen kann sie es einem nicht, Beispiel kommunale Verkehrsüberwachung. Wenn die Gemeinden durch die Überwachung ein Minus erwirtschaften ist das ja eigentlich ein gutes Zeichen. Denn das Ziel der Verkehrsverlangsamung scheint erreicht. Das ist übrigens bei allen von der VG Bad Neustadt koordinierten Gemeinden der Fall. Laut Schmitt liegen nur Salz und Niederlauer „knapp über der schwarzen Null“.
Statt Dankbarkeit bekommt die Radarkontrolle aber mitunter genau in diesem Augenblick das Trennungsgesuch. Bastheim hat sich schon scheiden lassen, Unsleben wird es tun. Unter anderem weil sich das Defizit in drei Jahren vervierfachte, wird die Gemeinde aus der Überwachung aussteigen.
Kleiner Trost: Auch wenn die Radarkontrolle nicht unbedingt auf Gegenliebe stößt, manch einen zieht es trotzdem immer wieder zu ihr hin. „Wir haben schon einige Wiederholungstäter“, schmunzelt Jahrsdörfer. Und Emotionen löst sie fast immer aus. „Da braucht man manchmal schon ein dickes Fell.“ Als Wegelagerer, Fallensteller und Geldeintreiber wurden er und seine Kollegen schon beschimpft. Mitunter kann die Liaison des Polizisten mit der Radarkontrolle aber auch richtig gefährlich werden, wie bei einem Vorfall bei Wildflecken, als ein Motorradfahrer nicht an-, sondern auf den Polizeikollegen zuhielt. Passiert ist glücklicherweise nichts.
Viele seien heutzutage auch überrascht, wenn sie angehalten werden. Die Technik der Geschwindigkeitsüberwachung ist in 60 Jahren spürbar vorangeschritten. „Oft blitzt da gar nichts mehr“, sagt Jahrsdörfer. Und wenn die Leute das Gerät sehen, sei die Messung oft längst erfolgt. „Wo ist das Foto?“, fragen viele Angehaltene dann und müssen damit leben, dass es beim Lasermessgerät keines mehr gibt.
Zahl der Verstöße halbiert
Übrigens: Die kommunale Verkehrsüberwachung muss den Fahrer im Nachhinein ermitteln, direkt anhalten darf nur die Polizei. Jahrsdörfer und Stockheimer halten das für ein wirksames Mittel. Im besten Falle könne man „ein tiefergehendes Gespräch führen und eine Verhaltensänderung erzeugen.“
Lang hält die nur leider erfahrungsgemäß nicht an. Durch die kommunale Verkehrsüberwachung habe man in den betroffenen Gemeinden „die Zahl der Verstöße halbieren können“, berichten Timo Schmitt und VG-Leiter Bernhard Rösch. Stelle man aber die Kontrollen ein, „ist nach drei, vier Monaten der Ausgangswert wieder da.“
Vielleicht gibt es also doch einen tröstlichen Dreh in Radarkontrolles Geburtstags-Resümee: Geliebt wird sie wohl nie, aber verzichtbar ist sie scheint's auch nicht.