Zwei Fragen beunruhigten mich, als ich den Leserbrief zum Thema "Sandberger Transparente" gelesen hatte: Was will der Schreiber wohl mit seinem Brief zum Ausdruck bringen und wie kommt jemand, der sich aktiv für den Willen der Bürgerinitiative einsetzt, auf die Idee zu behaupten, dass die Ge- meinde Unterschriften wegen eines so genannten Formfehlers verschwinden lässt?
Wenn der Verfasser, der neben- bei bemerkt, langjähriges Mitglied des Gemeinderats war, auch nur die geringste Ahnung von der Funktionsweise unseres politi- schen Systems hat, so müsste er sich darüber im klaren sein, dass wir in einer parlamentarischen Demokratie leben, in der das Volk nur indirekt am politischen Ge- schehen mitwirken kann. Eine Ausnahme machen hierbei ledig- lich das Bürgerbegehren und der Bürgerentscheid. Bevor ein Bürger- begehren aber überhaupt erst be- handelt werden kann, und das müsste er ebenfalls bestens wis- sen, ist es Aufgabe des Gemeinde- rates, es auf seine Rechtsgültigkeit zu überprüfen. Da gibt es nun ein- mal auch die Vorschrift, dass Unterschriften auf dem Entwurf selbst mit anzuführen sind und nicht auf zwei losen Blättern. Was jedem von uns aus einem simplen Grund einleuchten sollte: ein Miss- brauch von Unterschriften soll ausgeschlossen werden.
Warum unterstellt dieser Bürger also den Gemeindevertretern eine Nichtbeachtung der Unterschrif- ten, wo er genau weiß, dass das Begehren nur auf Grund des oben genannten Formfehlers abgelehnt wurde? Dafür kommen meiner Meinung nach verschieden Gründe in Betracht. So könnte es zum Beispiel daran liegen, dass er bisher wähnte, in einer direkten Demokratie zu leben. Dann aller- dings hat er den Bezug zur Reali- tät wohl mehr verloren, als er es vom Bürgermeister behauptet. Vielleicht wollte er aber auch "nur" eine Stimmung herüber brin- gen, die auch ein Teil der aufge- stellten Schilder zum Ausdruck bringen: Der Bürgermeister per- sönlich soll an allem schuld sein.
Mit diesem persönlichen An- griff, der durch Sprüche auf eben diesen Schildern auch unter der Gürtellinie ausgeführt wird, stellen sich die Verantwortlichen jedoch bloß. Denn zum einen werden alle Beschlüsse vom gesamten Ge- meinderat gefasst. Zum anderen entbehren derartige Aktivitäten jeglichen Mindestmaßes von Mora- lität und Anstand, ja, sie könnten sogar als Verletzung der Würde des Menschen angesehene wer- den, den die überwiegende Mehr- heit der Bürger 1984, 1990 und 1996 zu ihrem Bürgermeister ge- wählt hat.
Somit darf man sich angesichts dieser Tatsachen als ein mündiger Bürger nicht von einer oberfläch- lichen Stimmung leiten lassen, sondern ist gewissermaßen mora- lisch dazu verpflichtet, für sich selbst zu entscheiden, ob man es verantworten kann, eine solche Vorgehensweise zu unterstützen. Ich kann es aus meiner Sicht jedenfalls nicht.
Josef Holzheimer Küppelstraße 13 Kilianshof