Das Schützenhaus war bis auf den allerletzten Sitzplatz belegt. Die Bürgerversammlung wollten viele Zuhörer aktiv nutzen, um Missstände innerhalb des Stadtteils offen anzusprechen. Mehr als drei Stunden dauerte die Aussprache mit Bürgermeister Bruno Altrichter.Sogar eine Unterschriftenliste gegen ein Bauprojekt wurde überreicht. Eine Klärung für diverse strittige Punkte gab es in der Versammlung kaum bis gar nicht. Der Bürgermeister bat um eine sachliche Diskussion. Viele Herschfelder Bürger äußerten allerdings ihren Unmut über diverse Entscheidungen der Stadt bezüglich ihres Stadtteils.
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Diskussionen um eine geplante Ampelanlage, der zunehmende Autoverkehr zum Campus der Rhön-Klinikum AG und zurück, immer mehr Autos auch in den Nebenstraßen und große Bauprojekte, die gleich dutzendweise neue Wohnungen am Rande von Herschfeld schaffen sollen. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger befürchten, dass die Lebensqualität in Herschfeld in den kommenden Jahren drastisch nach unten gehen könnte, wenn nicht sofort in vielerlei Hinsicht gegengesteuert wird. Und genau da fühlen sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger von der Stadt im Stich gelassen. Wie sehr die Herschfelder gegen Entscheidungen der Stadt aufbegehren, zeigt sich unter anderem in der Gründung gleich zweier Bürgerinitiativen gegen Großprojekte.
Bruno Altrichter gab im Schützenhaus zunächst einen Überblick über die Entwicklung der Stadt mit besonderem Blick auf den mit 2.925 Einwohnern zweitgrößten Stadtteil. Die Stadt stehe bekanntlich glänzend da, auch die Haushaltszahlen würden trotz gewaltiger Investitionen nach wie vor stimmen. In Herschfeld entstehe am Rande der Saalewiesen im Baugebiet Helfert neues Bauland in übersichtlichem Umfang und auf dem ehemaligen Sportplatz bleiben nur die wichtigsten Sportanlagen erhalten, "der Rest wird mit einer", so der Bürgermeister, "zwingend notwendigen weiteren Kindertagesstätte überbaut".
Ab dem kommenden Jahr wollen Stadt und Landkreis die derzeit noch als Kreisstraße geführte Falltor- und Kirchstraße auf einer Länge von 930 Metern generalsanieren, damit diese Achse quer durch Herschfeld, so Altrichter, "dauerhaft für die Zukunft taugt". Als "ganz besonders großes Problem" bezeichnete der Bürgermeister hierbei die derzeitige Verkehrssituation an der Kreuzung Falltorstraße und Königshofer Straße. Hier plant die Stadt die Einrichtung einer Ampelanlage nach der Sanierung der Falltorstraße. "Wir versprechen uns damit eine deutliche Verbesserung der Situation für die Fußgänger", sagte der Bürgermeister.
Seilbahn vom Busbahnhof zum Campus
Einemögliche Seilbahn vom Busbahnhof zum Campus nannte Altrichter ein lohnendes Projekt, um darüber nachzudenken. In Sachen Ausbau des Nahverkehrs sei diese Lösung "keine Phantasterei".
Ein Problem haben die Stadtwerke derzeit mit dem Herschfelder Brunnen. Der war nach einem Starkregenereignis im Maimit Oberflächenwasser geflutet worden und wies anschließend koliforme Keime auf. Bis heute ist der Brunnen nicht wieder ans Netz genommen worden, obwohl das Problem mit den Keimen gelöst wurde. Wie es mit dem Herschfelder Brunnen weiter geht, muss noch entschieden werden.
Zugeparkte Straßen in der Nähe des Klinikkomplexes
Nach dem Bürgermeisterreferat folgte die für viele Bürgerinnen und Bürger wichtige Aussprache mit dem Stadtoberhaupt. Der immense Verkehr hinauf zum Campus verlangt vielen Herschfeldern zu viel Geduld ab, zugeparkte Straßen in unmittelbarer Nähe zu dem Klinikkomplex ebenso. In der Weinbergstraße ist eine starke Zunahme des Verkehrs zu beobachten, zu schnelles Fahren wurde ebenfalls angemerkt. Wenn das Rhön-Klinikum, wie prognostiziert, weiter wachsen wird, werden auch die Verkehrsprobleme in Herschfeld immer größer, zumal immer noch der Weg mit dem Auto durch Herschfeld attraktiver für Autofahrer erscheint, als eine Umfahrung auf der Kreisstraße NES 20 neu. Der, wie Altrichter betonte, täglich kontrollierende Verkehrsüberwachungsdienst könne da in den umliegenden Straßen nur die wirklichen Parksünder mit Strafzetteln drankriegen, die Zufahrten oder Kreuzungen regelwidrig zuparken.
Einer Ampelanlage an der Kreuzung Falltorstraße und Königshofer Straße können die wenigsten Herschfelder etwas abgewinnen. Die Bürgerinitiative "Verkehrsberuhigung mit Vernunft" mit Hartmut Schmutz an der Spitze will sich weiterhin gegen die Einrichtung einer Ampelanlage einsetzen.
Die im Oktober neu gegründete Bürgerinitiative mit dem Titel "NEIN zum Bebauungsplan nördlich der Von-Guttenberg-Straße", ebenfalls mit Hartmut Schmutz, hat bereits Unterschriften gegen die Planungen für eine große Wohnanlage mit 145 Wohneinheiten gesammelt. Sie will damit ein Bürgerbegehren mit nachfolgendem Bürgerentscheid erreichen.
Unterschriftenliste an den Bürgermeister übergeben
Schmutz übergab in der Bürgerversammlung eine Liste mit 1.315 Unterschriften aus dem gesamten Stadtgebiet, die sich gegen einen Bebauungsplan mit einer solchen Wohnanlage aussprechen. Die Stadt wird nun den weiteren Verlauf des Bürgerbegehrens und eines möglichen Bürgerentscheids prüfen. "Wenn es zum Bürgerentscheid kommt und dieser im Sinne der Bürgerinitiative ausfällt, dann wird sich der Stadtrat dieser Entscheidung anschließen", sagte Bruno Altrichter.
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"Die Entwicklung in Herschfeld bereitet immer mehr Bürgern schlaflose Nächte", sagte ein Mitbürger in seinem Statement. Die Lebensqualität im Stadtteil ginge immer mehr verloren. Eine Befürchtung, die zahlreiche Bürgerinnen und Bürger im Schützenhaus unterstrichen. Und auch für die Jugend als nachfolgende Generation würde zu wenig getan. Ein Jugendraum oder Versammlungsort in Herschfeld steht nicht auf dem Programm der Stadt, stattdessen wird auf das nahe Bad Neustadt verwiesen. "Vom Stadtrat kommt zu wenig für Herschfeld", war eine der letzten Bemerkungen von Bürgerseite in der mehr als dreistündigen Versammlung.
Anmerkung der Redaktion am Donnerstag, 07.11.2019: In einer früheren Version dieses Artikels war fälschlicherweise davon die Rede, dass die Herschfelder Bürgerinitiative "Verkehrsberuhigung mit Vernunft" ein Bürgerbegehren gegen die mögliche Einrichtung einer Ampelanlage an der Kreuzung Falltorstraße und Königshofer Straße erreichen möchte. Der Fehler ist mittlerweile im Text ausgebessert. Wir bitten um Entschuldigung.