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RHÖN: Bunte Wiesen und duftendes Rhönheu

RHÖN

Bunte Wiesen und duftendes Rhönheu

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    Mit Kuh- oder Pferdefuhrwerken wurde das Heu in die Scheunen gebracht.
    Mit Kuh- oder Pferdefuhrwerken wurde das Heu in die Scheunen gebracht. Foto: FOTO MP-Archiv

    Die Sensen waren gedengelt und gewetzt, die Bündel geschnürt, alles saß in den Startlöchern und betete um schönes Wetter, einen Tag vor „Kiliani“ – dem Tag des Beginns der Heuernte auf der Hochrhön bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts.

    Der 8. Juli war der Tag, an dem die Rhön „aufging“. Das heißt, die Bauersfamilien durften ihre Wiesen auf der Hochrhön abmähen und das überlebensnotwendige Winterfutter einbringen. Dieser Stichtag war festgelegt, damit „versehentliche“ Mahd der Nachbarwiese unterbunden wurde und jeder sein Heu „bewachen“ konnte, bis es von den Frauen und Kindern abgeholt und mit Kuh- und Pferdefuhrwerken in die Scheune transportiert werden konnte.

    Es gab sogar Zeiten, in denen Schlagbäume die Zufahrten zur Langen Rhön abriegelten, damit niemand auch nur einen Tag früher mit der Heuernte beginnen konnte.

    Der frühe Vogel fängt den Wurm

    Viele Bauersleute, vor allem die Männer, übernachteten in Zelten auf der Hochrhön, denn man musste früh vor Ort sein, um die schweißtreibende Arbeit vor der Mittagshitze voranzubringen. Auch weil das widerspenstige Gras der Hochrhönmatten, die „Borschte“ im Morgentau deutlich besser zu mähen war, nutzten die Mäher die frühen Morgenstunden. Im trockenen Zustand und mit stumpfer Sense steht das Borstgras wieder auf, als wäre nichts gewesen.

    Es waren arme Zeiten. Abgemäht wurde nahezu jeder Grashalm, den es zu holen gab, um das Vieh über den Winter zu bringen. Steine und die wenigen Büsche wurden sauber ausgemäht, bis die Flächen blitzblank leergeputzt waren. Im Extremsommer 1947 gab man sogar das Schwarze Moor zur Mahd von Einstreu frei.

    Aus der Notwendigkeit und der Armut heraus und durch vieler Hände Arbeit haben Generationen fleißiger Bauersfamilien auf diese Weise die Rhöner Kulturlandschaft geschaffen, nachdem der ursprüngliche Laubmischwald Buchoniens bereits bis etwa 1300 nach Christus großflächig gerodet war. Ihren Vorfahren verdanken die Rhöner den Schatz einer einmalig schönen Wiesenlandschaft.

    Die Zeiten haben sich geändert. Heute motiviert nicht mehr die Not unsere Landwirte, die Rhönwiesen zu mähen. Düngemittel und Maschineneinsatz veränderten die Landbewirtschaftung und erhöhten die Erträge nachhaltig. In der Folge wurde dadurch allerdings das traditionell genutzte, nährstoffarme, aber artenreiche Grünland in Deutschland zur Mangelware.

    Auch auf der Hochrhön blieben die schlechten Wiesen liegen und gut mähbare Flächen wurden intensiviert, das heißt gedüngt. Düngung bedeutet dabei nichts grundsätzlich Schlechtes, aber Arnika und Trollblume sind nur die bekanntesten Pflanzen, die dadurch verschwinden. Es setzen sich vor allem stickstoffliebende Gräser durch.

    Mit der Ausweisung der Langen Rhön als Naturschutzgebiet vor 25 Jahren entschloss man sich, das Landschaftsbild und die hohe Qualität der vielfältigen Rhönwiesen mit all ihren pflanzlichen und tierischen Bewohnern zu erhalten. Die Landwirte bekamen auf freiwilliger Basis die Möglichkeit, am Vertragsnaturschutzprogramm teilzunehmen.

    Für den Verzicht auf Düngemittel und die Einhaltung des traditionellen Mahdtermins Anfang Juli bekommen die Bewirtschafter je nach Art der Fläche eine festgelegte Fördersumme. Für steinige und nasse Flächen oder Wiesen mit Bewirtschaftungshindernissen wie Gräben und Steinriegeln ist die Förderung höher als für leicht zu bewirtschaftende Flächen.

    Naturschutz, der sich rechnet

    Es dauerte ein paar Jahre bis erkannt wurde, dass sich Naturschutz auch betriebswirtschaftlich lohnen kann. Das soll er auch! Denn die weiten Wege aus den Ortschaften und die hohen Maschinenkosten in schwierigem Gelände berechtigen die ausgezahlten Fördersätze.

    Durch ein sogenanntes „Bundesförderprojekt“ wurden Flächen in öffentliche Hand gebracht, brachgefallene Flächen wieder für die Bewirtschaftung hergerichtet und so die Grundlage für ihren Erhalt gelegt. Damit wurden viele Landwirte zu Landschaftspflegern im Naturschutzgebiet.

    Der trockene Sommer 2003 hat jedoch wieder einmal gezeigt, dass mit dem Hochrhönheu in mageren Jahren auch aus rein landwirtschaftlicher Sicht wichtige Futtervorräte in der Rhön erhalten blieben. Vielleicht spielt dies in Zukunft einmal eine größere Rolle als man bisher glaubte.

    6000 Flurstücke

    Die Heilwirkung des Rhönheus wurde von unseren Vorfahren gezielt genutzt, wenn das Vieh kränkelte, Mit den vielen wohlriechenden Heilkräutern und Inhaltsstoffen kommt es beinahe einem Kräutertee gleich und ist der Tiergesundheit sehr förderlich.

    In Betrieben, wo es beispielsweise um Milchleistung geht, kann das faserige Rhönheu sicherlich nur als Ergänzungsfutter dienen. Die Pferdehalter jedoch wissen das eiweißarme Heu aus den Hochlagen zu schätzen. Sogar bis nach Holland wird das Heu, das einmal „out“ war, heute an Pferdehalter verkauft.

    Der bürokratische Aufwand, die Lange Rhön auf mehr als 6000 Flurstücken mit rund 300 Bewirtschaftern zu pflegen, ist beachtlich. Und auch die Fördersumme von rund 500 000 Euro, die jährlich für die Erhaltung dieses Gebiets an die Rhöner Landwirte ausgezahlt wird, ist sicherlich keine Kleinigkeit. Unter Berücksichtigung der Summen, die für die konventionelle Landwirtschaft auf Millionen von Hektar aufgewandt werden – jeder Maisacker wird subventioniert – relativiert sich dies allerdings.

    Das Geld aus Brüssel und München in die Rhöner Landschaft ist gut investiert. Schließlich handelt es sich hier um ein altes Kulturgut, das in weitem Umfeld seinesgleichen sucht. Man kann die Sinnhaftigkeit dieses Projekts durchaus mit dem Erhalt von Bauwerken wie dem Kölner Dom vergleichen.

    Und die Erhaltung dieses gewachsenen Erbes kostet nicht nur Geld, sondern erhält auch das viel zitierte Kapital der Rhön – die einmalig schöne Landschaft. Es ist zu bezweifeln, dass der Tourismus in der Rhön solche Umsätze verbuchen würde, wenn der Wald die Landschaft prägen und die Wiesen eintönig statt bunt wären. Denn das würde unweigerlich passieren, wenn wir nichts mehr täten, weil es sich angeblich nicht „lohnt“. Die Rhön wäre dann sicherlich immer noch schön, aber eben nicht mehr einzigartig!

    Bei all der Mühe und Arbeit war die Heuernte auf der Hochrhön früher für viele Landwirte auch ein Höhepunkt im Jahr – der beste Schinken und der beste Schnaps wurden dafür aufgehoben.

    Auch heute noch ist es für die Enkel und Kinder der Landwirte ein prägendens Erlebnis, nach getaner Arbeit in den Hochrhönwiesen den Picknickkorb auszupacken. Das stärkt die Heimatverbundenheit und den Bezug zur Landschaft. So sind hoffentlich auch kommende Generationen an ihrem Erhalt interessiert oder arbeiten sogar aktiv daran mit – sie es wert!

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