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Bad Neustadt: Coronafall in Rhön-Grabfeld: Ein Patient und viele Pannen

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Coronafall in Rhön-Grabfeld: Ein Patient und viele Pannen

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    Warten auf den Test: Eine Rhön-Grabfelder Familie wartet seit rund einer Woche auf das Ergebnis eines Coronatests. Der Vater liegt mittlerweile im künstlichen Koma im Rhön-Klinikum Campus. Er hat sich mit dem Virus infiziert.
    Warten auf den Test: Eine Rhön-Grabfelder Familie wartet seit rund einer Woche auf das Ergebnis eines Coronatests. Der Vater liegt mittlerweile im künstlichen Koma im Rhön-Klinikum Campus. Er hat sich mit dem Virus infiziert. Foto: Sebastian Kahnert/dpa

    "Hier ist der Jochen. Wir haben ein Problem." Es war der erste Satz, den Jochen Zimmer (Name von der Redaktion geändert) aus der fernen Pfalz am vergangenen Freitag ins Telefon sprach. Mit ihm wurde alles anders bei Hans und Tina Zimmer aus einer beschaulichen Rhön-Grabfeld-Gemeinde. In das Leben der Familie Zimmer hatte sich das Coronavirus geschlichen.

    Jetzt liegt der Vater von Hans im Rhön-Klinikum-Campus. Künstlich beatmet und ins Koma versetzt, damit der Körper geschont wird im Kampf der Ärzte gegen die Virusinfektion. Hans und Tina leben seit Tagen in Quarantäne. Zu den Nachbarn halten sie gebührenden Abstand. Und seit fast einer Woche beantwortet ihnen niemand diese eine, wichtige Frage: Sind auch sie infiziert?

    Familie in heller Aufruhr

    "Wir waren natürlich sofort in heller Aufruhr", erzählt Tina Zimmer (alle Namen von der Redaktion geändert) am Telefon. Als ihr Schwager, der Mann ihrer Schwester, am vergangenen Freitag angerufen und von seinem positiven Testergebnis auf das Coronavirus berichtet hatte, begann eine Nervenprobe, die bis heute noch nicht bestanden ist.

    Die Schwager Hans und Jochen waren in der vorvergangenen Woche im Skiurlaub gewesen. Im Österreichischen, nicht in einem Risikogebiet. Weil zwei Frauen und zwei Männer unterwegs waren, haben die Schwager sich ein Zimmer geteilt. Drei Tage im gleichen Bett. Wieder zuhause in der Pfalz, klagte Jochen über Grippesymptome. Am Freitag vergangener Woche dann die Diagnose: Corona-Infektion.

    Eine Odyssee beginnt

    "Als Jochen angerufen hatte, habe ich mich sofort ans Telefon gesetzt. Nach zweieinhalb Stunden in der Dauerschleife, kurz vor Mitternacht, bin ich bei der Notrufnummer 116-117 endlich durchgekommen", erzählt eine immer noch aufgewühlte Tina Zimmer. Das war aber erst der Beginn ihrer Odyssee durch die Klippen eines Gesundheitssystems, das derzeit in Grenzbereichen operiert.

    Am Samstagmorgen haben die Zimmers gleich im Call-Center des Landratsamtes angerufen, um ihren Fall zu melden. "Der Samstag ging rum ohne einen Anruf. Am Abend habe ich das Telefon mit ans Bett genommen, doch bis Sonntagfrüh kam kein Rückruf", erzählt Tina Zimmer. Niemand hatte sich für einen Coronatest angemeldet.

    "Das dauert mir zu lang", sagte sich die Mutter zweier Kinder. Noch einmal 32 Versuche am Sonntagmorgen, um bei der 116-117 durchzukommen. Dann endlich eine Stimme am anderen Ende der Strippe. "Zimmer? Ja, da hab' ich was. Der Fall ist hier als beendet eingetragen", heißt es vom Disponenten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB), die den ärztlichen Notdienst betreut.

    Keine Symptome

    "Um 12 Uhr standen die Ärzte dann vor der Haustüre in ihren Astronautenanzügen und haben endlich den Rachenabstrich genommen von uns beiden und von Sohn Leon", sagt Tina. Die ältere Tochter ist schon aus dem Haus. In drei bis vier Tagen sollte das Ergebnis vorliegen. "Wir hatten aber null und nix an Symptomen", erzählt Tina Zimmer.

    Am Dienstag dann - Hans Zimmer hatte gerade in der Garage etwas aufgeräumt, um die Quarantäne-Zeit sinnvoll zu nutzen - standen plötzlich wieder zwei Ärzte der KVB vor der Haustüre. "Völlig entspannt und ohne Mundschutz waren sie gekommen", sagt Tina Zimmer. Weil 600 Proben wegen falscher Teststreifen unbrauchbar waren, müsse man noch einmal einen Rachenabstrich machen. "Das ist nicht Euer Ernst!", entfuhr es Tina Zimmer. Ordnungsgemäß musste sie erst einmal die Krankenkärtchen zücken. Eine Woche, hieß es, dauere es nun mittlerweile bis zum Laborergebnis.

    "Also, da bekommt man schon etwas Angst, wenn man das miterlebt", klagt Tina Zimmer. "Keiner weiß hier offenbar, was der andere macht", so ihre Kritik nach der tagelangen Odyssee. Zu der gehört noch ein zweiter Handlungsstrang. Denn dass der Vater von Hans Zimmer mit dem Coronavirus infiziert am Rhön-Klinikum Campus liegt, hat wohl nichts mit seinem Sohn Hans zu tun.

    Der Vater im künstlichen Koma

    Die Eltern von Hans Zimmer leben am anderen Ende des Landkreises. Weil Jochen mit seiner Frau in den Skiurlaub gereist war, war wiederum die Rhön-Grabfelder Mutter in die Pfalz gefahren, um die die Obhut der beiden Enkelkinder zu übernommen. Bei der Rückkehr aus dem Skiurlaub hatte sie Kontakt mit ihrer infizierten Tochter. Es kam, wie es kommen musste: Am vergangenen Samstag wurde der Vater mit Corona-Symptomen im Rhön-Campus eingeliefert. Zwischen zwei Rhöner Dörfern und einem Ort in der Pfalz hatte sich ein Corona-Dreieck gebildet. Erst am Mittwochabend wurde die Mutter von Hans Zimmer getestet. Die Vielzahl der Fälle macht es fast unmöglich, auch das Umfeld von Betroffenen durchzutesten. Auch der Schwager in der Pfalz wurde ein zweites Mal untersucht. "Warum, das wissen wir nicht", sagt Tina Zimmer. In der Pfalz sind jedenfalls Schwester und Schwager sowie eines der beiden Kinder positiv getestet. 

    Nachbarschaft hilft

    "Wir sind eigentlich tiefenentspannte Leute, wir sind beide recht fit und stehen das durch", meint Tina Zimmer für den Fall, dass auch sie Corona-positiv sind. "Und ganz toll ist jetzt das Miteinander", freut sie sich. Eine Nachbarin kauft für sie ein, und das Schwätzchen über den Gartenzaun hinweg erfolgt halt mit etwas mehr Abstand. "Es gab auch schon eine Flasche Wein für uns, damit wir uns die Lage schön trinken können", schmunzelt Tina Zimmer, die ihren Humor offensichtlich nicht verloren hat.

    Nun warten sie also seit einer Woche zuhause in ihrem Rhön-Grabfelder Dorf auf das Ergebnis ihres Coronatests. Einmal am Tag ruft das Gesundheitsamt die Körpertemperatur ab. Immerhin eine gute Nachricht hat sie erreicht. Der Vater ist soweit stabil, dass er zum Wochenende langsam aus dem künstlichen Koma zurückgeholt werden soll. Und gute Nachrichten sind wichtig in diesen dramatischen Corona-Zeiten auch in Rhön-Grabfeld.

    Die KVB im Stresstest"Dass es in diesem Fall Probleme gab, ist nachvollziehbar", sagt Pressesprecher Axel Heise aus München auf Anfrage dieser Redaktion bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Bayern. "Wir können Einzelfälle nicht mehr nachvollziehen, dazu fehlen uns die Kapazitäten", sagt Heise. Seit dem 2. März wurden 15 000 Corona-Proben im Freistaat gezogen. Einzelfälle mit Problemen seien da unvermeidlich.Mittlerweile würden in Bayern rund 1800 Proben am Tag genommen. "Mit dieser Situation befinden wir uns am Anschlag", so Axel Heise weiter. Die bundesdeutschen Laborkapazitäten betragen rund 12 000 Proben täglich. Probleme mit der 116-117-Nummer der KVB kann sich Heise vorstellen. "Aber wir haben in den letzten Tagen die Kapazität von rund 100 Disponenten an den Telefonapparaten auf rund 490 erhöht", so der KVB-Sprecher.Auch der ärztliche Bereitschaftsdienst, der für die Rachenabstriche verantwortlich ist, sei massiv aufgestockt worden. Beim ärztlichen Bereitschaftsdienst, eigentlich für Einsätze außerhalb der Praxiszeiten gedacht, sind derzeit 648 Ärzt in 216 Fahrzeugen und drei Schichten im Dauereinsatz.

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