„Die neuen Vorschriften stellen kleine Metzgereien vor furchtbare Schwierigkeiten“, stellt Hugo Neugebauer, Präsident der Handwerkskammer für Unterfranken, klar. Demnach gehört zum Beispiel von nun an eine Hygieneschleuse zum Standard einer jeden Fleischerei. „Das mag in Großbetrieben kein Problem sein“, so Neugebauer. „In kleinen Unternehmen, in denen ich als Metzger mehrmals am Tag in die Schlachträume rein- und wieder rauslaufen muss, ist diese Regel aber einfach unpraktikabel.“
Ebenfalls ein großes Ärgernis für den ehemaligen Metzgermeister aus Großeibstadt ist die künftig zwingend vorgeschriebene Dokumentationspflicht aller Vorgänge: „Warum soll ich aufschreiben, bei wieviel Grad ich meine Wurst gekocht und wieviel ich davon pro Tag verkauft habe?“, ärgert sich Neugebauer. „Das ist doch Zeitverschwendung.“ Bei den erforderlichen Investitionen, die sich für viele kleine Betriebe im fünfstelligen Bereich bewegen, sieht er für deren Zukunft schwarz: „Die meisten werden mit dem Schlachten aufhören müssen“, lautet Neugebauers Prognose.
„Die EU hat die Hygiene nicht neu erfunden“, betont dagegen Dr. Anja Weisgerber, Mitglied des Europäischen Parlaments. „Es gab ja auch bisher schon Hygienevorschriften und bauliche Anforderungen für Metzgereien.“ Sie möchte eine Panikstimmung unter den Metzgern verhindern: Wirklich neu an der EU-Hygieneverordnung sei lediglich, dass sich die Betriebe nun registrieren müssten. Die gebürtige Schweinfurterin setzt sich in diesem Zusammenhang für Ausnahmeregelungen für kleine Metzgereien ein: „Wer bisher hygienisch einwandfrei gearbeitet hat und vermarkten durfte, soll dies auch weiterhin tun können“, so ihre Forderung.
Tatsächlich sehen die neuen EU-Vorschriften individuelle Spielräume für die nationalen Behörden vor. Diese werden in Deutschland aber bisher nicht genutzt. „Gäbe es Sonderregelungen für kleine Betriebe, dann würde ich dem Ganzen viel gelassener entgegen sehen“, bestätigt Hugo Neugebauer. Seiner Meinung nach spielen gerade die kleinen regionalen Metzgereien eine bedeutende Rolle: Zum einen werten sie durch ihre Qualitätsprodukte das Image der von Skandalen gebeutelten Fleischindustrie auf. Zum anderen leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz: Wer seine Ware ausschließlich in der eigenen Region vermarktet, hat kurze Wege.
Dem stimmt Michael Voll, Landwirt aus Langenleiten, zu. „Der beste Weg ist doch der, der direkt vom Hersteller zum Verbraucher führt.“ Er führt auf seinem Hof Hausschlachtungen durch, die für ihn neben der Weideviehhaltung und Landschaftspflege eine wichtige Einkommensquelle darstellen. Für die Umsetzung der neuen EU-Vorschriften bräuchte er zusätzlich zur obligatorischen Hygieneschleuse eine Toilette und Dusche. „Für einen Ein-Mann-Betrieb ist das doch Blödsinn“, wundert sich Voll. Er kann und will die nötigen Umbauten nicht finanzieren: „Dann müsste ich mir eben ein ganz anderes Tätigkeitsfeld suchen – Partyservice zum Beispiel.“
Das käme für Werner Söder, Metzger aus Sandberg, nicht in Frage. „Für mich ist die Eigenschlachtung sehr wichtig, ich brauche die EU-Zulassung.“ Er hat sich bereits erkundigt, welche Umbauten er in seiner Metzgerei durchführen müsste, damit diese den neuen Vorschriften entspricht. Seine Kosten würden sich im Rahmen halten – vom Konfliktpotential des Themas ist Söder trotzdem überzeugt: „Die Betriebe, die sich lange Zeit nicht um Hygienevorschriften gekümmert haben, werden auf der Strecke bleiben.“ Mit den Umbauarbeiten will sich der Metzgermeister Zeit lassen: „Erst einmal abwarten, wie sich die Lage entwickelt.“
Abwarten – das sei die Devise der meisten Schlachtbetriebe, bestätigt Dr. Reiner Kortmann vom Veterinäramt Bad Neustadt, der die von der EU gesetzten Vorgaben an die Betriebe weitergibt und sie bei der Umsetzung berät. Von etwa 22 Schlachtbetrieben in Rhön-Grabfeld streben laut Kortmann nur zwei die Zulassung schon zum jetzigen Zeitpunkt an. „Die Metzger, die in Verbänden organisiert sind, wissen, was auf sie zukommt“, meint er. Die Verbände seien es auch, die die Metzger dazu anhielten, mit Umbauten noch zu warten. Schließlich könne sich bis zur letzten Sekunde – in diesem Fall dem 21. Dezember 2009 - noch vieles ändern.
Im Blickpunkt
Die neue EU-Hygieneverordnung
Zum 1. Januar 2006 ist das neue EU-Hygienerecht in Kraft getreten, bis zum 21. Dezember 2009 läuft eine Übergangsfrist. Danach brauchen alle Betriebe, die schlachten und Fleisch vermarkten, eine EU-Zulassung. Bisher galt diese Zulassungspflicht nur für Großbetriebe, die mehr als 20 Großvieheinheiten pro Woche schlachten – jetzt aber sind auch kleine Metzgereien in der Pflicht.