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FLADUNGEN: Das Glück der Besitzlosigkeit

FLADUNGEN

Das Glück der Besitzlosigkeit

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    Am unverfrorensten ist der Scherenschleifer. Er dreht dem Hans mit seinen launischen Sprüchen einen schweren Stein an und nimmt ihm dafür die Gans ab.
    Am unverfrorensten ist der Scherenschleifer. Er dreht dem Hans mit seinen launischen Sprüchen einen schweren Stein an und nimmt ihm dafür die Gans ab. Foto: Foto: Fred Rautenberg

    Die Erzählung von „Hans im Glück“ aus der Märchensammlung der Brüder Grimm kennt wohl jeder. Nur sehr wenigen Menschen dürfte die Bearbeitung dieses Stoffes durch Silke Ohlert und Uwe Harreck vom „flur-theater“ Weimarschmieden bekannt sein. Nun bestand Gelegenheit diese Bearbeitung in der Inszenierung im Fränkischen Freilandmuseum Fladungen kennenzulernen.

    Im Dreiseithof

    In der Aktionsscheune des Dreiseithofs aus Leutershausen führten Ohlert und Harreck das Stück aus ihrer Feder als Premiere auf. Das Schauspiel ist ein „Einfrau-Stück“, das heißt Silke Ohlert war die einzige Akteurin – wenn man von den Puppen absieht, denen sie durch ständigen Rollenwechsel Leben verlieh.

    Sie erbrachte dabei eine Meisterleistung an Schauspielkunst und Konzentration. Sie sprach nicht nur die Figur von Hans im Glück und von den fünf Personen, denen der Hans auf seinem Weg begegnet, sie musste auch noch Tiere darstellen und den Figuren unter anderem durch Pantomime Leben geben.

    Nur eine Schauspielerin

    In der Mitte der Spielfläche standen nur ein Tisch und zwei Stühle, die zu ganz unterschiedlichen Zwecken fantasievoll von Silke Ohlert benutzt wurden. Einmal war der Tisch zum Beispiel ein Pferd, dann eine Kuh. Bewundernswert war auch die Art, wie die Schauspielerin den Zuschauern verständlich machte, in wessen Rolle sie gerade in sekündlichem Wechsel geschlüpft war.

    Strukturell hält sich das Stück relativ eng an die grimmsche Fassung des Märchens von dem tumben Toren Hans, der sich eins ums andere Mal übers Ohr hauen lässt. Hans tauscht den Goldklumpen gegen ein Pferd, eine Kuh, ein Schwein, eine Gans und gegen einen Schleifstein, bis er am Ende mit leeren Händen seine Wanderschaft nach Hause fortsetzt.

    Besitz als Ballast

    Zugegeben, dieser neu konzipierte Hans braucht lang, bis er am Ende kapiert hat, dass Besitz eine Belastung ist. Doch spätestens der Schrei „Ich bin frei! Ich bin frei!“, in den Ohlert ihren Hans am Schluss ausbrechen lässt, ist ein Jubelschrei. Hans hat bei Ohlert-Harreck aus Erfahrung begriffen, dass Besitz zugleich auch immer bindet und Ballast darstellt, der den Menschen an seiner eigentlichen Bestimmung hindert.

    „Ich habe Heimweh nach meiner Mutter“, begründet Hans seinen Abschied von seinem Meister. Wenn man bereit ist, das Wort „Mutter“ in einem weiteren Sinn zu deuten, kann es verstanden werden als Synonym für die Sehnsucht nach den eigenen Ursprüngen. Zu den ursprüngliche Sehnsüchten eines Menschen gehört aber auch das Verlangen nach Freiheit. Hans hat bei der Darstellung von Silke Ohlert begriffen, dass die Alternative zu Besitz die Bedürfnislosigkeit ist. Mit leeren Händen wie bei Grimm, dafür aber mit einer Lebenserfahrung kommt Hans daheim an.

    Anspruchsvoller als das Märchen

    Fragt sich, ob die Geschichte in dieser Neufassung auch für Kinder geeignet ist. Silke Ohlert betonte im Gespräch, dass die deutschen Volksmärchen primär gar nicht für Kinder erfunden worden seien. Eine junge, clevere Besucherin stellte fest, dass das Stück zweifellos anspruchsvoller als das Märchen sei. Damit hat sie Recht, denn die Dialoge liegen auf einer anderen intellektuellen Höhe. Da kann auch mal eine Sentenz wie „Das Geheimnis der Erfolgreichen ist ihre Frusttoleranz“ vorkommen, oder „Jeden Morgen steht ein Dummer auf“.

    „Ob man manchmal dem Glück auch einen Stuhl hinstellen muss?“, sinniert der Hans von Silke Ohlert, als er noch glaubt, dass man durch Tauschen zu immer höheren Stufen des persönlichen Glücks gelangen kann. Damit lässt er den Hans der Grimm-Brüder weit hinter sich. „Der Hans wird betrogen von vorn bis hinten“ – das muss er erst einmal verinnerlichen.

    Unmärchenhaft

    Besonders unmärchenhaft ist die Gestalt des Scherenschleifers, der launische Weisheiten von sich gibt. Wenn solche Textelemente vermutlich auch Kinder überfordern, so kann ein aufgewecktes Mädchen, ein wacher Junge doch das Verhalten von Hans und seinen sukzessiven Verlust an Besitz und seinen parallel sukzessiven Gewinn an Einsicht herausfiltern und so an dem Theaterstück seine Freude haben.

    Das Stück wird noch zweimal am selben Ort aufgeführt: am Samstag, 24. Juni, und am Sonntag, 24. September, jeweils um 15 Uhr. Es verdient zweifellos große Aufmerksamkeit beim Publikum, bei den Erwachsenen nicht weniger als bei den Kindern etwa ab zehn Jahre.

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