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MELLRICHSTADT: Das Ladensterben begann vor Jahrzehnten

MELLRICHSTADT

Das Ladensterben begann vor Jahrzehnten

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    Stadtführung mit besonderem Augenmerk: Nicht nur in der gesamten Hauptstraße, aber dort besonders, befanden sich zahlreiche, ganz unterschiedliche Geschäfte. Norbert Mültner (vorn, Mitte) wusste zu jedem Haus etwas zu erzählen.
    Stadtführung mit besonderem Augenmerk: Nicht nur in der gesamten Hauptstraße, aber dort besonders, befanden sich zahlreiche, ganz unterschiedliche Geschäfte. Norbert Mültner (vorn, Mitte) wusste zu jedem Haus etwas zu erzählen. Foto: Foto: Fred Rautenberg

    „Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen“, pflegten schon die alten Römer zu sagen. Wie wahr diese Erkenntnis ist, konnten 30 Teilnehmer einer besonderen Stadtführung am vergangenen Dienstag erfahren. Die tauchten ein ordentliches Stück tief in Mellrichstadts Vergangenheit ein. Norbert Mültner führte sie nämlich hin zu den Stellen, wo das Mellrichstädter Geschäftsleben und seine Menschen besonders viele Veränderungen erfahren hatten.

    „Handel im Wandel – Wo man früher in Mellrichstadt einkaufte“, unter diesen Titel hatte der Verein „Aktives Mellrichstadt“ diese Führung gestellt. Treffpunkt zu dieser zweiten Veranstaltung in der Reihe „Kultur im Sommer“ war der Alfons-Halbig-Platz. Von dort ging es über die Hauptstraße mit Abstechern zur Bauerngasse und zu Mellrichstadts Plätzen bis zum südlichen Eingang in die Altstadt. Der Zeitraum, den Mültner mit seinen Erinnerungen erfasste, war ungefähr von den 1920er Jahren bis heute. Er beschränkte sich in seinen Erinnerungen nicht auf ehemalige Geschäfte und Unternehmen. Er sprach auch bauliche Veränderungen an und vor allem die Menschen, die da und dort lebten und arbeiteten.

    Viehmarktplatz

    Der nach einem früheren Bürgermeister benannte Alfons-Halbig-Platz, berichtete Mültner zunächst, war einst der Viehmarktplatz gewesen, dann auch Volksfestplatz, wo auch einmal ein Zirkus sein Zelt aufbaute. Mellrichstadt hatte in den 1950er Jahren noch über 100 Landwirte mit Milchvieh. 1946 war hier sogar eine Molkerei gebaut worden. Zwischen 1950 und 1970 hatte Mellrichstadt zwölf Lebensmittelgeschäfte, von denen aber kein einziges überlebte. Auch von den einstigen sieben Bäckern existiert nur noch einer – „für wie lange noch?“ – fragte Mültner. Auch die einst sieben Metzger seien bis auf „zweieinhalb“ geschrumpft, wie er vorrechnete.

    Die Häuser in der Meininger Landstraße hatten sehr unterschiedliche Schicksale, ein Stückchen weiter oben hatte es einen Haltepunkt der damaligen Bundesbahn gegeben. In der Friedenstraße, beim Alfons-Halbig-Platz, hatte eine Auto- und Traktorenwerkstatt ihre Niederlassung gehabt, neben dem Bürgerturm gab es eine Weinstube mit Kegelbahn, wo heute ein Parkplatz und ein Spielplatz sind.

    Maulaffenbank

    Mit Schmunzeln vernahmen Mültners Zuhörer, dass die Bank am nördlichen Eingang in die Altstadt die Maulaffenbank genannt wird, weil die Mellrichstädter dort gern saßen und „Maulaffen feilhielten“. Auf dem weiteren Weg erzählte Mültner vom tragischen Tod eines Fasenachtsfreundes, der vermutlich wegen einer zu engen Fasenachtsmaske erstickt ist. Mültner erinnerte an Bäcker, bei denen man sein Mehl abgeben konnte und gegen geringes Entgelt Brötchen gebacken bekam. Bei einem setzte Mültner als Junge eines der Riesenbleche mit fränkischem Käse-Blootz in den Sand – auf die Erde. „Dafür wurde ich sehr gelobt!“, erinnerte er sich schmunzelnd.

    Von den wechselnden Niederlassungen des Überlandwerks Rhön und der Sparkasse wusste er auch zu erzählen. Das schöne Haus mit den Treppengiebeln am VG-Vorplatz beherbergte einst das Landgericht und das städtische Gefängnis. An die Gaststätte Riedel mit dem großen Saal, wo sich jetzt das Stadthotel Reich befindet, konnten sich die meisten Zuhörer noch gut erinnern.

    Kino am Linsenbrunnenplatz

    Viele der Geschäfte waren einst im Besitz der Mellrichstädter Juden. Ein Kino hatte Mellrichstadt auch gehabt, direkt beim Linsenbrunnplatz. Fast zu jedem Haus wusste Mültner die Namen der ehemaligen Besitzer und welches Geschäft darin einst untergebracht war. Nur wenige haben sich bis heute dort gehalten.

    Eine lustige Anekdote von einem Polizisten, der vor einem Pferd scheute, erzählte Mültner noch zum Schluss: Ein Pferd, das durchging, zwang den Schutzmann zum unfreiwilligen Abstieg von seinem Dienstfahrrad. Weil der kleine Norbert Mültner dabei nicht ganz unschuldig beteiligt war, verhängte der unbeliebte Polizist einen Strafzettel von 10 DM; doch die seien ihm diese Gaudi wert gewesen, sagte Mültner, dem die Schadenfreude auch nach Jahrzehnten noch anzumerken war.

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