Das Kneipensterben auf dem Lande ist nichts Neues. Ungewöhnlich ist eher, wenn sich jemand gegen diese Entwicklung stemmt.
Jüngst wurde in Bastheim eine ehemalige Mühle in einen gastronomischen Betrieb umgewandelt. In Wargolshausen steckte Jürgen Gessner viel Geld ins „Dorfstüble“, um es am Leben zu erhalten.
„Verkaufen und weggehen oder sanieren und bleiben“. Die Alternativen hatte Jürgen Gessner im vergangenen Jahr, als die Schäden am Haus so offensichtlich wurden, dass er zum Handeln gezwungen war. Für ihn war klar, wirtschaftlich wäre eine Sanierung vollkommen unrentabel - er entschied sich aber doch dafür.
Einst als Disco eine Top-Adresse
1998 hatte er das Anwesen in der Dorfmitte von Wargolshausen erworben. Das Haus hat eine ziemlich wechselvolle Geschichte und war einst sogar die Topadresse für Discothekengänger.
Wie alt genau das Gebäude ist ließ sich nicht herausfinden, erzählt der Freizeitgastronom, der seinen Hauptberuf bei Siemens in Bad Neustadt ausübt. Er vermutet im Zeitraum um 1900 herum, jedenfalls etwa gleichalt wie die Schule gleich nebenan. Von Anfang an war es ein Gasthaus, damals hieß es noch „Zum Hirschen“.
Vor allem in den vergangenen Jahrzehnten erlebte das Anwesen eine recht ungewöhnliche Entwicklung. In den 70er-Jahren wurde im angebauten Saal eine der ersten Diskotheken des Landkreises eröffnet. „Die Besucher kamen von überall her“, sei ihm erzählt worden, berichtet Gessner, damals war die Einrichtung bei jungen Leuten der Region absolut „in“.
Unterkunft für Aussiedler
Nach der Grenzöffnung machte der damalige Eigentümer eine Pension aus dem Haus und nahm Aussiedler und DDR-Auswanderer auf. Dann wieder der Umbau zu einer Dorfwirtschaft, die Jürgen Gessner kurz von dem Millenium übernahm.
Zum Lebensunterhalt würde die Wirtschaft nie reichen, sei ihm stets bewusst gewesen, zumal er auch nur an drei Tagen geöffnet hat. In den letzten Jahren seien ihm auch noch die Frühschoppengäste nach und nach ausgeblieben, so dass er inzwischen auf etwa 30 Stammgäste kommt. Neben den Getränken bietet er kleine Speisen wie Hähnchen und Currywurst. Auf Anfrage bewirtet er auch Gruppen an Tagen, an denen er sonst nicht geöffnet hat.
„Das lohnt sich wirklich nicht“ und er habe auch gar nicht erst versucht, seinen Stundenlohn auszurechnen. Aber ihm macht das Dasein als Wirt Spaß und seine Entscheidung hing damit zusammen, dass er etwas für die Dorfgemeinschaft tun wollte. Der Gemeinschaftssinn machte sich auch bei der Sanierung bemerkbar. „Es waren immer Leute da zur Unterstützung, vor allem die Stammgäste halfen mit“.
Die Hilfsbereitschaft schätze er besonders an dem kleinen Dorf, zumal er die Sanierung ganz ohne öffentliche Gelder stemmen musste: Das Haus steht nicht unter Denkmalschutz, die Dorferneuerung gibt es nicht in der Gemeinde und aus dem Innenentwicklungsprogramm des Landkreises sei keine Unterstützung zu erwarten. So musste er auf eigene Kosten das Dach erneuern, das Fachwerk ausbessern und die Gefache zum Teil neu mauern, und schließlich das gesamte Gebäude neu streichen.
Extravagante Farbgebung
Das Ergebnis habe bereits zu heftigen Diskussionen geführt, denn gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Andrea Räder habe er sich für einen extravaganten Ton entschieden. Nun sei das Dorfstüble angesichts seiner Aktivitäten für die Gewerkschaft schon jetzt bei seinen Mitbürgern „Das rote Haus vom roten Charlie“, erzählt er schmunzelnd.
Am Donnerstag, 17. September, will er das Dorfstüble wieder offiziell eröffnen.