Die Stärke einer Gemeinschaft misst sich daran, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Davon ist Alois Gensler, Behindertenbeauftragter des Landkreises Rhön-Grabfeld überzeugt. Seit 2009 setzt sich der heute 71-jährige Wollbacher ehrenamtlich für die Belange von Menschen mit Handicap im Landkreis ein.
10 314 Menschen mit Behinderung leben in Rhön-Grabfeld (Stand Ende 2016). Steffen, 1975 mit dem Down-Syndrom geboren, ist einer von ihnen. Er ist das zweite von drei Kindern der Familie Gensler. Dass Kreisrat Alois Gensler 2009 von Landrat Thomas Habermann das Amt des Behindertenbeauftragten angetragen wurde, hat aber nicht nur mit dieser persönlichen Betroffenheit zu tun.
Die Bedeutung von sozialem Verhalten
Ehrenamtlich tätig war Alois Gensler schon früh, anfangs vor allem im Sportverein, später dann unter anderem in der Vorstandschaft der Lebenshilfe. Auf soziales Verhalten legte er stets Wert: „Ich finde es wichtig, dass man hilft und Menschen unterstützt, die sich nicht selbst helfen können.
“ Auch berufsbedingt, Alois Gensler arbeitete über 32 Jahre bei der Barmer Kreiskasse, brachte er wichtige Voraussetzungen für das Amt des Behindertenbeauftragten mit.
Dass der Behindertenbeauftragte in Rhön-Grabfeld im Gegensatz zu anderen Landkreisen ehrenamtlich arbeitet, bewertet Gensler als Vorteil. „Andere machen das neben ihrer Haupttätigkeit. Ihnen bleibt wenig Zeit. Ich kann meine Zeit frei einteilen, wie ich es brauche.“ Dass damit eine persönliche Einschränkung seiner Freizeit einhergeht, findet er kaum erwähnenswert.
Der Anfang war anstrengend
Allerdings gibt er zu, dass das Amt zu Anfang anstrengend war. Vor allem deshalb, weil er von 2002 bis 2014 außerdem Bürgermeister von Wollbach war, das Amt des Behindertenbeauftragten kam 2009 dazu. Seit 2014 nun sei er offiziell in Rente und habe „mehr Möglichkeiten“.
Das Aufgabenfeld des Behindertenbeauftragten ist nicht klein: Eine Reihe von Funktionen gehen damit einher. Teils als Berater, teils als Entscheider sitzt Gensler in diversen Gremien, darunter im Fachbeirat Lokale Aktionsgruppe Rhön-Grabfeld „Bürger gestalten ihre Heimat, im Begleitgremium zur Erstellung eines senioren- und behindertenpolitischen Gesamtkonzepts, im Begleitgremium „Inklusion durch Sport“. Er ist Landkreis-Ansprechpartner für das Lebenshilfe-Projekt „Mensch inklusive“, ist nach wie vor in der Lebenshilfe-Vorstandschaft aktiv genauso wie im Caritasrat und beim Roten Kreuz.
Rund 150 Stellungnahmen in acht Jahren
Bei allen von der öffentlichen Hand geförderten Baumaßnahmen gibt Gensler als Behindertenbeauftragter des Landkreises eine Stellungnahme ab. Er sichtet die Pläne, prüft, ob die Maßnahmen barrierefrei sind, gibt Tipps und Hinweise auf DIN-Vorschriften. Wobei sich Barrierefreiheit nicht darin erschöpfe, dass es einen Aufzug gibt und alles ebenerdig erreichbar sei. Sehbehinderte etwa brauchen eine kontrastreiche Gestaltung, Hörbehinderte Induktionsschleifen für die Hörgeräte, nennt Gensler nur einige Beispiele.
„Ich bin ja kein Bauchfachmann.“ Viele entscheidende Informationen gingen oft nicht aus den Plänen hervor, Nachfragen bei diversen Ansprechpartnern seien dann unverzichtbar. Oft konsultiere er einen Architekten der Architektenkammer, der bei der Einschätzung helfe. An die 150 Stellungnahmen dürfte Alois Gensler über die Jahre ausgearbeitet haben. Die Überwachung der Umsetzung seiner Ratschläge übernehmen die Zuschussgeber. Über sein Amt ist er glücklich: „Man kann etwas bewirken, auch wenn man natürlich immer wieder bohren und darauf aufmerksam machen muss, dass es Menschen mit Behinderung gibt.“
Jeder ist potenziell behindert
Zu großen Teilen werde die Gesellschaft offener, so seine Einschätzung. Dennoch gebe es natürlich nach wie vor Ignoranten. „So ein Blödsinn“, habe er sich schon auf seine Stellungnahmen hin anhören müssen. In solchen Fällen verweise er darauf, dass Barrierefreiheit nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch Senioren und Eltern mit Kinderwagen diene. „So gesehen ist jeder von uns potenziell behindert.“
Der Landkreis sei in puncto Barrierefreiheit gut aufgestellt. „Zumindest die Notwendigkeit ist erkannt.“ In jeder Landkreisgemeinde gebe es mindestens einen Behindertenbeauftragten, insgesamt, mit Vertretern, sind es 60 in Rhön-Grabfeld. Das sei nicht in allen Landkreisen so. Damit diese den Kontakt untereinander halten, organisiert Gensler zwei Mal pro Jahr ein abendliches Treffen zu einem speziellen Thema.
Inklusionsfahrten zur politischen Bildung
Seit 2015 organisiert Gensler in Zusammenarbeit mit der Offenen Behindertenarbeit außerdem Inklusionsfahrten zur politischen Bildung. So brachte er Menschen mit Behinderung gemeinsam mit Schülern weiterführender Schulen schon nach Berlin, München und Würzburg.
Das Thema Inklusion ist Genslers persönliches Steckenpferd, hat er doch erlebt, wie wichtig es für seinen Sohn war, inmitten der Gesellschaft aufzuwachsen. Dieser besuchte bereits einen Regelkindergarten, als es das Wort Inklusion noch gar nicht gab. Später wurde er vollwertiges Mitglied der aktiven Freizeitsportgruppe des RSV Wollbach und ist es bis heute. Erst kürzlich gab es dafür den Sonderpreis Inklusion des Bezirks Unterfranken.
So wichtig Inklusion für die Menschen mit Behinderung ist, Gensler ist überzeugt, dass sie sich auch positiv auf die restliche Gruppe auswirkt, dass die vermeintlich Schwachen und Hilfsbedürftigen eine Bereicherung sind. „Die Menschen erlernen Rücksicht aufeinander und Achtsamkeit füreinander.“
“Ich finde es wichtig, dass man Menschen unterstützt, die sich nicht selbst helfen können.“
Alois Gensler, Behindertenbeauftragter des Landkreises