(nic) Seine vielen Fans bewiesen große Geduld: Der Liedermacher Hans Söllner sezierte in Bad Neustadt über 90 Minuten lang die BILD-Zeitung, versehen mit den schon rituellen Tipps zur Irritation der bayerischen Polizei. Doch sein Konzert, vor allem die lange Zugabe, versöhnte sie dann alle.
Es ist eigentlich kein Wunder, dass sich der Mann heute noch immer zornig wehrt: Eine eigene Ermittlungskommission und ein eigener Staatsanwalt, „die Soko Söllner“, soll sich um seine Missetaten kümmern. Nach unzähligen Hausdurchsuchungen, Leibesvisitationen, Gerichtsverfahren und hohen Geldstrafen unter anderem wegen Beleidigung dreht der Liedermacher den Spieß um. Er erzählt von seinen Erfahrungen mit der Staatsmacht, und es klingt so manches Mal nach absurdem Verfolgerwahn, der die Exekutive getrieben haben mag, dem Künstler das Leben schwer zu machen.
Dafür fordert der Barde aus Bad Reichenhall sein Publikum, in dem neben vielen jungen Leuten fast alle Altersschichten in der nahezu ausverkauften Bad Neustädter Stadthalle vertreten sind, zu kreativen zivilen Ungehorsam auf, etwa die bekannten „sieben Minuten“ auf der Polizeistation zu verbringen, ohne ein Wort, nur um wieder zu gehen. Er ruft auf zur Irritation der Polizei, nichts Verbotenes tun, aber Stolpersteine auslegen. Etwa ganz langsam fahren, ohne bekifft zu sein.
„Leut', das hier ist das Paradies, aber dafür brauchts den Führerschein.“ Der Führerschein ist für den ehemals bekennenden Marihuana-Konsumenten die Kontrollinstanz der Macht schlechthin. Wer früh auffällt, der bekomme ihn eben nicht. Und dabei sei der Führerschein auf dem Land existenziell.
„Nein, der Söllner mag's halt gar nicht, wenn man ihn einengt, und Recht hat er“, kommentiert ein Fan. Ob Polizisten in Zivil nun noch immer seine Konzerte zwecks möglicher Strafverfolgung mitschneiden, oder nicht, ist dann auch egal. Es ist mindestens einmal geschehen, einmal zu viel. Und so weist Söllner schon rituell auf die beiden Beamten hin: „Seid's wachsam, Leut!“.
„Mei Buam ham's mir nach Haus bracht“, plaudert der mehrfache Vater Hans Söllner. Aber der Polizei hat er ihn nicht abgenommen: „So hat der mir nicht das Haus verlassen.“ Im Garten hat der Jugendliche sich waschen können, bevor er wieder in Haus rein kam. Die jungen Leute ihre eigenen Erfahrungen machen lassen, dafür plädiert Söllner. In allen Dingen, ganz radikal, ohne Einschränkungen. Aber sie deswegen nicht fallen lassen.
Der Freiheitsdenker hat sie dann auch alle in seinen Bann geschlagen, die Jungen und die Älteren, mit Dreads oder ohne Rasta-Locken, als er seinen großen Hit „Mei Voda (hat nen Marihuanabaum)“ und „Edeltraut“ intoniert. Begleitet wurde er in bewunderwert zurückhaltender Weise von Bassist Manfred Puchner und Stefan Hofer am Schlagzeug.
Als ein junger Reggae-Fan mal kurz ein Tänzchen auf der Bühne vor Söllner hinlegt, lächelt der Poet nachsichtig. Geduldig und freundlich nach all dem Zorn und trotz Kopfschmerzen gibt Sölder seinen Fans schließlich Autogramme.