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Bad Neustadt: Der Krieg ist in der Ukraine überall spürbar

Bad Neustadt

Der Krieg ist in der Ukraine überall spürbar

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    An die Gefallenen aus der Stadt Visk erinnert ein Tisch im Rathaus der Stadt, geschmückt mit der ukrainischen Fahne und Blumen.
    An die Gefallenen aus der Stadt Visk erinnert ein Tisch im Rathaus der Stadt, geschmückt mit der ukrainischen Fahne und Blumen. Foto: Hanns Friedrich

    Der Krieg, der seit mehr als einem Jahr in der Ukraine tobt, ist auch in den kleinsten Ortschaften und Städten, weit weg von der Front, spürbar. Das zeigte sich bei einem Hilfstransport des Vereins Humanitäre Ungarnhilfe Hl. Elisabeth (Hohenroth) in die Stadt Visk in Karpatien. Zwar gibt es in den Westkarpaten keine Raketeneinschläge und kriegerische Gefechte, jedoch heulen hier oft mehrmals am Tag die Sirenen. Dann nehmen Bürgermeister, Feuerwehrleute oder sonst in der Gemeinde Verantwortliche ihre Handys zur Hand. Hier können sie in der sogenannten Warn-App erkennen, wo in der Ukraine gerade Raketen- oder Drohnenangriffe sind.

    Was in den Ortschaften und Städten sofort auffällt: Es sind hier nur Frauen, ältere Männer und Kinder unterwegs. "Die anderen Mitbürger sind im Kriegsgebiet an der Front", erklärt Bürgermeister Jaroszlav Hajovics. Auch die Stadt Visk hat bereits Gefallene zu beklagen. Das Stadtoberhaupt zeigt im Rathaus auf einen Tisch, geschmückt mit der ukrainischen Fahne, Blumen in den Landesfarben, Grablichtern und den Fotos der Gefallenen. Wie betroffen dies die Bevölkerung macht, zeigt sich zu Beginn von Veranstaltungen, wenn in einer Gedenkminute dumpfe Trommelschläge erklingen und im Anschluss die Nationalhymne der Ukraine gesungen wird. Erlebnisse, die unter die Haut gehen, vor allem für diejenigen, die in einem friedlichen Land leben.

    Wasserflaschen, Obst, Gemüse und Blumen: Verkaufen, um zu überleben

    Kinder an den Straßenrändern bieten Vorbeifahrenden Blumensträuße an.
    Kinder an den Straßenrändern bieten Vorbeifahrenden Blumensträuße an. Foto: Hanns Friedrich

    Bei der Fahrt durch die Dörfer und Städte sieht man kleine Tische, die vor den Häusern stehen. Meist sind es Wasserflaschen oder Obst und Gemüse, das zum Verkauf angeboten wird, um zu überleben. An den Straßenrändern halten Kinder kleine Blumensträuße den Vorbeifahrenden zum Verkauf entgegen. Erschreckend deutlich wird immer wieder die Schere, die hier zwischen Arm und Reich klafft. Neben den einfachen Häusern sind gepflegte Privatanlagen zu sehen. In den Wohnungen stehen in den Ecken Autobatterien. "Wenn der Strom ausfällt, haben wir wenigstens für ein paar Stunden ein wenig Licht," erklärt der 80-jährige Bewohner. Was die Menschen hier aber auszeichnet, ist trotz ihrer Armut die Gastfreundschaft. "Kommen Sie herein, setzen Sie sich, trinken Sie ein Schnäpschen, einen Balinka, mit mir."

    Erinnerungen an die 1950er Jahre in Deutschland werden in den einfach eingerichteten Wohnstuben in der Ukraine wach.
    Erinnerungen an die 1950er Jahre in Deutschland werden in den einfach eingerichteten Wohnstuben in der Ukraine wach. Foto: Hanns Friedrich

    Die Menschen ernähren sich von den Erträgen der Landwirtschaft oder dem, was sie in ihren Gärten anbauen. Verglichen mit Deutschland sind es die 1950er Jahre, die man hier erlebt. Schlechte Straßen, Pferdefuhrwerke und immer wieder Radfahrer, die das Vehikel auch oft als Lastenträger nutzen und es nach Hause schieben. Immer wieder trifft man auf Militärfahrzeuge und Kontrollposten, vor allem an den Eingängen zu größeren Städten. An den Straßenrändern sind auf großflächigen Plakaten verschiedene Motive zu sehen: Ein Soldat, eine Frau mit einem Schal in den ukrainischen Farben, ein Junge, der die Hände gefaltet hat und immer wieder Motive der orthodoxen Kirche, die hier neben den christlichen Kirchen stark vertreten ist.

    Fragt man Hotel- oder Gaststättenbesitzer nach ihrer Lage, zeigen sie auf leere Gasträume, auf Zimmer, die nicht benutzt sind. "Vor der Pandemie und dem Krieg hatte ich bis zu 600 Gäste hier, jetzt sind es gerade mal fünf oder zehn", meint ein Hotelier. Sein Personal konnte er größtenteils halten. Sie sind im Winter eingesetzt, um Arbeiten wie Holz spalten und aufsetzen oder sonstige Tätigkeiten auszuüben. Auf dem Dach hat er eine Solaranlage. Die allerdings ist so konzipiert, dass sie ins Netz einspeist.

    Spezielle Truppen zwangsrekrutieren junge Männer

    Die "goldenen" Kuppen der orthodoxen Kirchen stechen in den Ortschaften besonders hervor. Daneben oftmals die ärmlichen Behausungen der Ortsbewohner.
    Die "goldenen" Kuppen der orthodoxen Kirchen stechen in den Ortschaften besonders hervor. Daneben oftmals die ärmlichen Behausungen der Ortsbewohner. Foto: Hanns Friedrich

    Vor dem Krieg hatte er damit eine zusätzliche, gute Einnahmequelle. "Jetzt sind die Preise so gering, dass es mir nichts mehr bringt." Ein junger Mann, Besitzer einer Gastwirtschaft, war seit Monaten nicht mehr auf der Straße. "Dort ist das Militär unterwegs und würde mich sofort verhaften und an die Front schicken, aber ich muss doch meinen Betrieb leiten, damit meine Angestellten ein bisschen Geld verdienen."

    Zu dieser Militär-Aktion erfährt man, dass es sich um spezielle Truppen handelt, die durch die Städte und Dörfer fahren. Wenn sie einen jungen Mann entdecken, wird der sofort mitgenommen und als Soldat ins Kriegsgebiet gesteckt, erklärt László Kecskés, ungarischer Staatsbürger. Für die in der Ukraine lebenden Ungarn ist dies besonders dramatisch. "Wir sind Ungarn und keine Ukrainer, warum sollen wird an die Front?" sagen sie. Der unbeugsame Wille zum Durchhalten in Kriegszeiten zeigt sich in den Straßen und an den Häusern, wo kleine und große Fahnen im Wind wehen. Die Menschen in der Ukraine sind sich sicher: "Wir werden siegen und unser Land wieder aufbauen."

    Wohnblocks in der Ukraine.
    Wohnblocks in der Ukraine. Foto: Hanns Friedrich
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