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BAD NEUSTADT (GER): Der Schädelspalter war das erste Schulflugzeug

BAD NEUSTADT (GER)

Der Schädelspalter war das erste Schulflugzeug

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    Im letzten Erzählcafé der Saison erinnerte sich Erwin Wittwer an die Anfänge der Segelfliegerei in Bad Neustadt.

    Schon vor dem Ersten Weltkrieg fühlten sich die Segelflug-Pioniere auf der nahen Wasserkuppe beheimatet. 1932 begann man in Neustadt mit dem Bau von Segelflugzeugen, erzählte Erwin Wittwer.

    Zu kaufen gab es solche noch nicht. Holz war die Grundlage dafür, es musste extrem langfaserig sein. Linde, Buche und vor allen Dingen Fichte wurde verarbeitet, die keinesfalls harzig sein durfte.

    Ein Jahr später wurde eine Werkstatt in einer Baracke errichtet. Der SG 9 - auch "Schädelspalter" genannt, war das erste Schulflugzeug. Damit wurde zunächst am Rederkreuz, später dann auf dem Grasberg geflogen.

    Erwin Wittwer erinnerte sich an die so genannten Pendelübungen, die ein Anfänger absolvieren musste. So genannte Rutscher wurden an Gummiseilen von starken Männern vorne gezogen und hinten gehalten. Kommando: "Ziehen, laufen, loslassen". Durch die riesige Anspannung des Gummiseiles habe das Flugzeug dann Bocksprünge gemacht, etwa ein bis zwei Meter hoch. Die Flüge damals dauerten nur wenige Sekunden.

    Etwa 30 Starts pro Tag wurden durchgeführt. Um die A-Prüfung zu bestehen, musste man 30 Sekunden lang geradeaus fliegen und das Flugzeug bei der Landung abfangen. Wittwer erinnerte sich hier an zahlreiche Bruchlandungen. Die Gummiseile seien dem Flieger oftmals um die Ohren geflogen, ein Helm aus Leder bot nur unzulänglichen Schutz.

    Für die B-Prüfung musste man schon eine ganze Minute in der Luft bleiben und in einer Kurve zurück fliegen können. Das sei ein Riesenerlebnis gewesen. Der Kandidat war auf seinem Hocker angegurtet, das "Flugzeug" ähnlich einem Boot umkleidet.

    Erhard Schirber war der erste Neustädter gewesen, der in den 30-er Jahren die A-Prüfung besaß. Da fuhr man mit dem Fahrrad zum Rederkreuz hoch, "rauf auf den Bock" und los ging's. Völlig unkompliziert.

    Im Jahr 1937 erhielt die Neustädter Fliegergruppe ein serienmäßig gebautes Spitzenmodell gestiftet. Durch den Krieg kam die Fliegerei in Neustadt völlig zum Erliegen. Nach 1945 gab es ein striktes Flugsportverbot. Auch Modellfliegen war verboten, sogar das Bekunden von Interesse am Flugsport wurde mit Strafe belegt.

    Im August 1950 wurde die Modellfliegerei wieder zugelassen. Man traf sich auf der Wasserkuppe wieder und gründete den Vorläufer des heutigen Aeroclubs. Es gehörte schon eine große Portion Energie dazu, erzählte Erwin Wittwer. Denn damals fuhr man mit dem Fahrrad zur Wasserkuppe, rund 40 Kilometer, und natürlich wieder zurück.

    Das so genannte Hangfliegen gab man zu dieser Zeit schon wieder auf. Dafür begann man jetzt mit dem Winden- oder Schleppflug.

    Mit dem Bau eines eigenen Schulgleiters 1953 konnte der Segelflug in Bad Neustadt wieder ausgeübt werden. Man schloss einen Pachtvertrag mit den Gemeinden Mühlbach und Salz ab, die heutige Heimat des Aeroclubs. Aufgrund der strengen Grenzbestimmungen (Demarkationslinie), durfte man nur an einem Wochenende im Jahr fliegen. Der Flug durfte nicht länger als drei Minuten dauern. Dennoch war man glücklich, so Wittwer.

    1957 wurde eine eigene Winde zum Aufziehen der Segelflugzeuge gebaut, ein Jahr später stürzte der Pilot ab. Wie schon so oft davor, begann jetzt wieder das anstrengende Geldsammeln. Jeder Pfennig wurde zusammengetragen. Erwin Wittwer sei ein "Meister im Geldeintreiben" gewesen, bestätigte ihm Erhard Schirber.

    1960 besaß der Club bereits zwei Doppelsitzer und einen Einsitzer. Die immer größer werdende Zahl an Kurgästen und die vielen Urlauber aus Berlin genossen die schönen Rundflüge in die nähere Umgebung. Das sei eine tolle Sache gewesen, sagte Wittwer. Dadurch kam etwas Geld in die Vereinskasse.

    Erwin Wittwer wusste so viel und so ausgiebig zu erzählen, dass eine Fortsetzung seiner Erzählung im Herbst sofort geplant wurde.

    Bis dahin bedankte sich Rudolf Brunner, der Initiator des Erzählcafé, beim Team und den Gästen. Immerhin 2 200 Besucher seien in den vergangenen Jahren gezählt worden.

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