Wer wissen will, wie der Abend im Alten Amtshaus mit Uwe Kohls und Reinhard Mey war, dem braucht man nur zu sagen: Das letzte Lied haben alle so mitgesungen, dass es schien, als erklänge „Über den Wolken“ gerade aktuell aus jedem verfügbaren Lautsprecher.
Die Sehnsucht nach Freiheit altert nie, ebenso wie das Publikum, das Uwe Kohls nicht zuletzt deshalb so liebt, weil er ihnen die Begegnung mit tiefen Gefühlen aus der aktiven Lebenszeit zurückbringt und gleichzeitig die Gegenwart mit seinem jungenhaften Charme, seinem musikalischen Talent und seinen Interpretationskünsten verzaubert.
Anspruchsvolle Chansons
Die Begegnung mit Reinhard Mey stellte den leidenschaftlichen Pianisten Kohls beim Singen nach eigenem Bekunden vor große Herausforderungen. Denn zum einen leben die Chansons von Mey nicht von ständig wiederholten Phrasen, sondern von durchdachten, nuanciert formulierten Texten, die man gerne verstehen möchte, und deshalb außerordentliche Artikulationskünste gefragt sind, und zum anderen ordnet sich Meys Gitarre leichter den gesanglichen Notwendigkeiten unter als die vollen Tasten des Klaviers.
Weil man sich in der Kohls-Zuhörer-Familie kennt, wurde diese Schwierigkeit in der Pause auch offen angesprochen, wie der Künstler ungeniert erzählte – und erfolgreich die Konsequenzen hin zum ausgewogenen Hörerlebnis zog. Einen solchen Prozess wird man wohl sonst in keinem Konzertsaal erleben.
Persönliche Bezüge
Auch persönliche Beziehungen bleiben da eher auf der Strecke. Aber wenn Uwe Kohls mit Reinhard Mey im Album der Kindheit blättert, dort den Vater aus der Kriegsgefangenschaft kommen sieht und noch einmal die Angst spürt, dass Mama ihn im Kindergarten vergessen könnte, schlägt der Musiker anschließend den Bogen zu seiner eigenen Kindergärtnerin Monika, die zum ersten und sicher nicht zum letzten Mal dabei ist, wenn Kohls seinen Auftritt so liebenswert gestaltet.
Nicht jede Zeile von Reinhard Mey war so gegenwärtig geblieben wie der Seufzer „Ich wär gerne mitgeflogen“, umso lieber lauschte man nach langer Zeit wieder einmal den Worten, die der Liedermacher zur Begrüßung für sein Menschenjunges oder für den endgültigen, nicht nachvollziehbaren Abschied fand. Einen solchen erlebte Mey viele Jahre später durch den Tod seines Sohnes, erwähnte Kohls wie viele andere biografische Details aus dem Buch „Was ich noch zu sagen hätte“ auch diesen Schicksalsschlag, der das Publikum hörbar berührte.
Zu den unvergleichlich genussvollen Momenten, die Kohls schenkte, gehörte seine tolle Krimi-Inszenierung. Mit spitzbübischer Freude beförderte er den mordenden Gärtner aus dem Leben und präsentierte triumphierend den Butler als Täter. Wie dieser gelungene Mey-Kohls-Abend ausklang? Da kam natürlich nur eine mögliche Zugabe infrage: „Gute Nacht, Freunde, es wird Zeit für mich zu geh'n.“