Der 30. Juni 1972 bedeutete für die Menschen in den damaligen Landkreisen Königshofen und Mellrichstadt eine Zäsur: Zusammen mit Bad Neustadt entstand im Zuge der bayerischen Verwaltungsreform der Rhön-Grabfeld-Kreis mit dem erklärten Ziel, die unterschiedliche Leistungskraft der bisherigen Kreise auszugleichen.
Die Folgen wurden alsbald nicht nur im Straßenbild sichtbar, denn nach und nach verschwanden die MET- und KÖN-Kennzeichen an den Kraftfahrzeugen. Auch die in den ehemaligen Kreisstädten bis dahin existierenden Landratsämter wurden aufgelöst, die zum Teil langjährigen Mitarbeiter in die neue zentrale Verwaltung nach Bad Neustadt oder kommunale Verwaltungen versetzt.
Im Archiv von Kreisheimatpfleger Reinhold Albert finden sich zahlreiche Unterlagen, die an die Landkreisreform im Jahr 1972 erinnern. Sie dokumentieren, wie es zur Reform kam. Denn der Regierungsbezirk Unterfranken bestand 1971 noch aus 22 Landkreisen mit 925 833 Einwohnern sowie fünf kreisfreien Städten. Den einwohnerschwächsten Landkreis bildete Königshofen im Grabfeld mit gerade mal 17 753 Einwohnern.
Nach verschiedenen Reformansätzen im Sinne der Verwaltungsvereinfachung und damit zusammenhängenden Kontroversen in Parteien und bei Bürgern machte die bayerische Staatsregierung Nägel mit Köpfen: Sie verfügte die Reform auf Kreisebene durch das Gesetz zur Neugliederung Bayerns vom Dezember 1971. Der Grundgedanke der Verwaltungsreform war getragen von mehreren Zielen: Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, Steigerung der Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Bürgernähe der gesamten Verwaltung sowie der Verbesserung der Lebensverhältnisse und den Abbau des Leistungsgefälles zwischen Stadt und Land.
Kernstücke der anstehenden Reformentscheidungen bildete die kommunale Gebietsreform. Dieser sollte nicht zuletzt aus verwaltungstechnischen Gründen eine gewisse Zeitspanne eingeräumt werden. Hingegen sollte die Kreisreform, durch deren Neuabgrenzung die Gemeindereform erst sinnvoll durchgeführt werden konnte, möglichst bald abgeschlossen werden.
Die bestehenden 143 Landkreise Bayerns mit einer Durchschnittseinwohnerzahl von 47 000, in Unterfranken von 42 000, wurden mit dem „1. Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ vom 27. Juli 1971 zugunsten von 71 neuen Landkreisen mit einer Größenordnung von 80 000 Einwohnern aufgehoben. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes war auch die Geburtsstunde des Landkreises Rhön-Grabfeld.
Der neugebildete Landkreis setzte sich aus den früheren Landkreisen Bad Neustadt, Mellrichstadt und Königshofen im Grabfeld und der bisher zum Nachbarlandkreis Bad Kissingen gehörenden Gemeinde Strahlungen zusammen. Die Gemeinde Burglauer kam erst zum 1. Mai 1978 zum Landkreis Rhön-Grabfeld. Die neue Landkreis-Verwaltung hatte auf einer Fläche von 1000 Quadratkilometer 78 104 Einwohner zu versorgen.
Die Landkreis-Gemeinden
Nachfolgend sind die drei – bis zum 30. Juni 1972 – selbstständigen Landkreise Bad Neustadt a.d. Saale, Königshofen im Grabfeld und Mellrichstadt mit den zugehörigen Gemeinden aufgeführt:
Der Alt-Landkreis Bad Neustadt und seine Gemeinden:
Bad Neustadt a.d. Saale (mit den Ortsteilen Dürrnhof, Lörieth und Mühlbach); Bischofsheim; Brendlorenzen (mit Lebenhan); Burgwallbach; Eichenhausen; Frankenheim; Haselbach; Herschfeld; Heustreu; Hohenroth; Hollstadt; Junkershausen; Leutershausen; Niederlauer; Oberebersbach; Oberelsbach (mit Ginolfs); Oberweißenbrunn; Rödelmaier; Salz; Sandberg (mit Langenleiten, Schmalwasser und Waldberg); Schönau; Sondernau; Unsleben; Unterebersbach; Unterelsbach; Unterweißenbrunn; Wargolshausen; Wegfurt; Weisbach; Windshausen und Wollbach.
Zum Alt-Landkreis Königshofen i. Grabfeld zählten:
Alsleben; Althausen; Aub; Aubstadt; Breitensee; Eyershausen; Gabolshausen; Gollmuthhausen; Großbardorf; Großeibstadt; Herbstadt; Höchheim; Ipthausen; Irmelshausen; Kleinbardorf; Königshofen i. Grabfeld; Merkershausen; Obereßfeld; Ottelmannshausen; Rothausen; Saal a.d. Saale; Serrfeld; Sternberg i. Grabfeld; Sulzdorf a.d. Lederhecke; Sulzfeld; Trappstadt; Unteressfeld; Waltershausen; Wülfershausen a.d. Saale und Zimmerau.
Dem Alt-Landkreis Mellrichstadt gehörten an:
Bahra; Bastheim (mit Braidbach, Reyersbach, Rödles und Unterwaldbehrungen); Eußenhausen; Fladungen (mit Brüchs, Leubach, Oberfladungen, Sands und Weimarschmieden); Hausen; Hendungen; Heufurt; Mellrichstadt (mit Roßrieth und Frickenhausen); Mittelstreu; Mühlfeld; Nordheim v.d. Rhön (mit Neustädtles); Oberstreu; Ostheim (mit Oberwaldbehrungen und Urspringen); Rappershausen; Roth; Rüdenschwinden; Sondheim/Grabfeld; Sondheim v.d. Rhön; Stetten; Stockheim; Wechterswinkel und Willmars (mit Filke und Völkershausen).
Blick zurück auf Persönlichkeiten, die in den drei Landratsämtern bis zum 30. Juni 1972 wirkten:
Als Regierungsräte waren tätig in Bad Neustadt: Johann Böhm; in Königshofen i. Grabfeld: Karl-Heinz Grünewald und in Mellrichstadt: Fritz Steigerwald.
Zahlen und Fakten
Neben der grafischen Darstellung der drei Landkreise Bad Neustadt, Königshofen i. Grabfeld und Mellrichstadt (siehe oben) erfolgt an dieser Stelle eine textliche Ergänzung der Alt-Landkreise, zusammengefasst nach der Gemeinde-Anzahl, der Größe und der Einwohnerzahl.
Alt-Landkreis Bad Neustadt:
mit 31 Gemeinden rund 332 Quadratkilometer groß;
36 153 Einwohner waren zum Stichtag 31.12.1971 erfasst.
Alt-Landkreis Königshofen:
mit 31 Gemeinden rund 280 Quadratkilometer groß;
17 722 Einwohner waren damals gemeldet.
Alt-Landkreis Mellrichstadt:
mit 22 Gemeinden rund 301 Quadratkilometer groß;
23 434 Einwohner waren vor 40 Jahren hier registriert.
Die drei Alt-Landkreise zählten zusammen 78 061 Einwohner; dabei ist die Gemeinde Strahlungen (aus dem Landkreis Kissingen) mit 752 Einwohnern mit berücksichtigt.
Unter Berücksichtigung von zusammen 95,6 Quadratkilometern gemeindefreiem Gebiet umfassen die drei Alt-Landkreise insgesamt eine Fläche von 1008 Quadratkilometern. So groß präsentiert sich nun der Großlandkreis Rhön-Grabfeld.
Weiter sollte die textliche Darstellung auf die letzten selbstständigen Kreistage ausgedehnt werden, ergänzt um die Zahl der Kreistagssitze, die vertretenen Parteien und die Namen der Mandatsträger.
Leider kann die textliche Darstellung aber nur bruchstückhaft erfolgen, denn trotz intensiver Recherchebemühungen – unter anderem bei der Regierung von Unterfranken, im Staatsarchiv Würzburg wie auch im Kreis- und Stadtarchiv – ist es der Redaktion nicht gelungen, die letzten Kreistage der Landkreis Bad Neustadt, Königshofen i. Grabfeld und Mellrichstadt bis zum Ende der Amtsperiode am 30. Juni 1972, bedingt durch die Gebietsreform zum 1. Juli 1972, nachzuvollziehen.
Wer dazu beitragen kann, diese Kreistage in ihrer Zusammensetzung vollständig (Zahl der Sitze und die darin vertretenen Parteien samt Namen der Mandatsträger) aufzuzeigen, meldet sich in der Main-Post-Redaktion Mellrichstadt, Tel. (0 97 76) 81 23 30.
Aus drei mach' eins: 40 Jahre Gebietsreform
Die 1972er Gebietsreform jährt sich in diesem Jahr zum 40. Mal. Damals wurde aus den drei Altlandkreisen das neue Rhön-Grabfeld gebildet. Den Weg zum großen Kreis wollen wir für Sie, liebe Leserinnen und Leser, in einer Serie nachvollziehen. Dabei geht es uns nicht so sehr um die Recherche nach Daten und Fakten – wiewohl auch das zur Aufarbeitung gehört –, sondern auch um die Menschen damals. Was bewegte beispielsweise eine junge Verwaltungsangestellte, wenn sie plötzlich von Königshofen nach Bad Neustadt zur Arbeit musste. Oder: Welche Mauern mussten in den Köpfen eingerissen werden, um die Reform bei den Bürgern durchzusetzen. Darüber sprechen wir mit Altlandrat Gottfried Miller. Wir haben uns auf die Suche nach Zeitzeugen gemacht, die authentisch über diese vehement diskutierte Reform berichten können.
Uns interessieren aber auch die Grenzfälle: Warum war Burglauer erst dem Landkreis Bad Kissingen zugeordnet, dann aber wieder in Rhön-Grabfeld? Auch der Namensfindung sind wir auf der Spur: Wie kam es vom Landkreis Neustadt über Landkreis Rhön-Saale bis zum heutigen Namen Rhön-Grabfeld? Wir blicken aber auch nach vorne. Und fragen Landrat Thomas Habermann, wann bei den demografischen Vorgaben die nächste Gebietsreform ansteht. Und wir hoffen, dass Sie beim Lesen auch Neues erfahren aus der alten Zeit.