Die Augen des früheren Bastheimer Gemeindearbeiters und langjährigen Rhönklub-Zweigvereinsvorsitzenden glänzen, wenn er von damals erzählt. Wohl „einzigartig in ganz Deutschland“ seien sie gewesen, die „Bostemer Fosenöchter“, die „seit Menschengedenken“ in prächtiger Verkleidung und mit dem typischen „Fosenocht-Döcht“ auf dem Kopf durch die Straßen des Dorfes gezogen waren.
Er selbst hat noch so ein Faschingskostüm, in das er gerne noch einmal für den Pressemitarbeiter schlüpft. Zunächst werden Stiefel über die Füße und die Hose gestülpt. Dann sorgt ein alter, möglichst dunkler Mantel für Wärme. Ein ganz wichtiges Utensil ist die Holzmaske, die vom örtlichen Holzschnitzer Ludwig Härder prachtvoll geschnitzt wurde. Noch heute gibt es vor allem in den Ortschaften der Rhön Holzschnitzer, die diese tollen Masken herstellen. Ein weißes Tuch ist an der Maske befestigt, das die Haare bedeckt.
Von der Großmutter „ausgeborgt“
Zusätzlich wird dann noch ein altes, beeindruckendes Kopftuch der Großmutter, das man sich für Fasching „ausgeborgt hatte“, darüber gezogen. Ein ebenso prächtiges, geblümtes Schultertuch bereichert nicht nur die Verkleidung, sondern schützt gleichzeitig den Träger vor einer Enttarnung, die immer wieder durch Ziehen am Kopftuch versucht wurde.
Ein Holzschwert, die Peitsche („Bätsch“) und/oder die Holzschere waren wichtige Utensilien für den „Fosenöchter“. Das Außergewöhnlichste stellte aber die Kopfbedeckung dar. Ein überdimensionierter „Napoleon-Hut“, der so genannte „Fosenochts-Döcht“ saß auf dem Kopf, wobei allerdings die Spitze, anders als bei dem großen Franzosen Napoleon, nach vorne zeigte. Auch heute noch macht Karl-Heinz Diemer in dieser Verkleidung eine gute Figur und ist nicht zu erkennen.
Vier tolle Tage erlebte man damals in den 50er und 60er Jahren zum Endspurt der Fasenacht. Los ging's am Samstag, wenn die Kinder durch das Dorf zogen und den Fasching mit dem Spruch „Heute wird bekannt gemacht, morgen ist die Fasenacht.“ Und: „Wenn mei' Mutter kei' Krapfe backt, pfeif' ich auf die Fasenacht!“ Natürlich gab es für diese Bekanntmachung Süßigkeiten und Krapfen von den Dorfbewohnern. Auch heute noch praktizieren die Bastheimer Kinder diesen Brauch, wobei allerdings inzwischen häufig Geld an die Stelle der Naschereien getreten ist (siehe Bild unten links).
Von Sonntag Nachmittag an kam dann die große Zeit der „Bostemer Fosenöchter“, der Jungen im Alter bis etwa 17, 18 Jahre. Bereits vierzehn Tage vorher hatten sich verschiedene Gruppen getroffen, hatte der Anführer oder „Oberfosenöchter“ festgelegt, bei wem man zusammenkommen und sich verkleiden kann. Häufig dient eine Futterkammer oder die Scheune eines Bauern als geheimer Treffpunkt.
Der „Oberfosenöchter“ hatte das Sagen, er gab die Verhaltensregeln aus, achtete darauf, dass sie eingehalten wurden und organisierte alles. Am Sonntag nach der Mittagsandacht zogen dann die Jungen mit ihrem Sack, der die Verkleidung enthielt, in das Versteck, wo dann die Maskierung stattfand.
Anschließend rannte die Gruppe dann auf die Straße und vertrieb mit lauten Peitschenhieben und Rufen den Winter. Beim Anblick der wilden Gesellen machten sich aber auch die Kinder aus dem Staub, denn so mancher „Frechdachs“ bekam von den „Fosenöchtern“ seine Leviten gelesen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit waren die Gruppen in den Dorfstraßen unterwegs. Beim heutigen Verkehr kaum vorstellbar. Auch der ganze Rosenmontag und der Faschingsdienstag gehörte den „Bostemer Fosenöchtern“.
Heimliche Annäherungsversuche
Der Schelm blinzelt aus den Augen von Karl-Heinz Diemer, als er erzählt, dass diese Tage auch genutzt wurden, um sich dem einen oder anderen Mädchen ein wenig zu nähern, auf das man insgeheim ein Auge geworfen hatte. Da spielte man im Schutze der Maske auch schon einmal Kavalier und half der Auserwählten beim Tragen der Milchkanne zur Sammelstelle.
Oberstes Ziel aller „Fosenöchter“ in diesen tollen Tagen war, auf keinen Fall in der Verkleidung erkannt zu werden. Aus diesem Grund wechselte man auch beim geringsten Verdacht, erkannt worden zu sein, die Verkleidung oder tauschte mit dem Freund Teile aus. Natürlich ging man in der Maske auch zum Faschingstanz, wobei man allerdings schon mächtig ins Schwitzen kam. „Mit ihrer Verkleidung könnten die Fosenöchter heutzutage locker bei Thomas Gottschalk im Fernsehen auftreten“, ist sich Karl-Heinz Diemer sicher. Überhaupt weint er diesem Brauch schon eine Träne nach, der bis in die 60er Jahre praktiziert wurde.
Im Blickpunkt
Bastheimer Fasenachts-Brauch Karl-Heinz Diemer, der sich überhaupt sehr für altes Brauchtum und dessen Erhalt interessiert und einsetzt, würde es am liebsten sehen, wenn im Landkreis alljährlich ein gemeinsamer Faschingszug mit alten Masken und Gestalten stattfinden würde. Ein Gedanke, der vielleicht offene Ohren, vor allem bei der Tourismusbranche, finden sollte. „Denn ansonsten geht diese Erinnerung wohl bald verloren“, befürchtet er zu Recht.