Den drei Experten – Professor Bernd Griewing von der Neurologischen Klinik am Rhön-Klinikum, Kinderarzt Dr. Christian Rudolf aus Bad Neustadt und Dr. Horst Rusche, Leiter des Gesundheitsamts Rhön-Grabfeld – glühten nach der Telefonsprechstunde die Ohren. Rund 50 Anfragen hatten sie innerhalb einer Stunde beantwortet, die Anrufer kamen nicht nur aus dem Rhön-Grabfeld-Kreis, sondern auch aus den Nachbarlandkreisen Bad Kissingen und Haßberge.
Dr. Rudolf war natürlich der bevorzugte Ansprechpartner bei Fragen rund um das Thema Zeckenstich und Impfung bei Kindern. Im Februar hat er bereits die erste Zecke entfernt, gut zwei Monate früher als in den Vorjahren. Auf die Frage, ob nur Kinder geimpft werden sollten oder auch Erwachsene, gab er die Empfehlung aus, dass gerade ältere Menschen sich impfen lassen sollten. „Das statistische Risiko ist für Ältere noch größer als bei Kindern“, so Christian Rudolf.
Viele FSME-Erkrankungen würden als solche gar nicht erkannt, glauben die Ärzte, da sie bei Kindern die Symptome einer Grippeerkrankung oftmals nicht übersteigen und von den Kleinen besser „weggesteckt“ werden. Erwachsene hingegen erkranken in der Regel massiv an Hirnhautentzündung und müssen im Fall einer Genesung mit Restbeschwerden rechnen. Dennoch riet er natürlich auch, Kinder ab zwei Jahren, die viel draußen spielen, impfen zu lassen.
Professor Bernd Griewing riet als Fachmann Anrufern mit einer chronischen Grunderkrankung, zum Beispiel Multiple Sklerose, dringend, sich impfen zu lassen, denn bei solchen Patienten sei das Risiko einer FSME-Erkrankung noch viel höher einzustufen. Die Mehrzahl der Fragen rankte sich um das Thema Borreliose. Bei Müdigkeit und Konzentrationsschwäche müsse man nicht sofort zur Antibiotika-Kur zu greifen, erklärten die Mediziner manchen Anrufern. Diese sei nur nötig, wenn tatsächlich eine Erkrankung vorliegt, die durch Wanderröte bei Erwachsenen und an roten Ohrläppchen bei Kindern erkennbar ist.
Spessart ist Risikogebiet
Dr. Horst Rusche nennt den Spessart sowie den Untermain als größte FSME-Risikogebiete in Mainfranken. Es sei deutlich erkennbar, dass der Erreger nordwärts wandere – noch vor wenigen Jahren galten lediglich der Schwarzwald und der bayerische Wald als Risikogebiete mit Impfempfehlung. Er verwies am Telefon darauf, dass laut Robert-Koch-Institut von Januar bis April 2006 lediglich ein FSME-Fall registriert wurde, in diesem Jahr im gleichen Zeitraum bereits sieben Erkrankungen. Rusche führt dies auf den milden Winter zurück, in dem die Zecken frühzeitig aktiv wurden und sich stark vermehren konnten.
Krankheit ertragen statt impfen?
Ein Anrufer fragte nach, ob es nicht sinnvoll sei, statt der Impfung die Erkrankung einfach durchzumachen, ähnlich wie Mumps. Hier schüttelten die Ärzte erschrocken den Kopf. Wert legten alle drei Fachleute in dem Zusammenhang darauf, den Anrufern zu vermitteln, dass FSME und Borreliose weder durch Krankheitsbild noch in der Behandlung miteinander vergleichbar sind. FSME ist eine Viruserkrankung, gegen die man sich durch Impfung schützen kann, um eine gefährliche Hirnhautentzündung zu vermeiden. Borreliose wird durch ein Bakterium ausgelöst und kann mit Antibiotika gut behandelt werden, wenn es entsprechend erkannt wird.
Allerdings, so Professor Griewing, müssen Gelenkschmerzen, Sehstörungen, Schwindel und Abgeschlagenheit nicht zwangsläufig Folge eines Zeckenstichs sein. Eine Untersuchung des Nervenwassers könne hier Aufschluss geben. Werden keine Antikörper gegen Borrelien gefunden, haben die Symptome eine andere Ursache.
Jede Zecke vom Hausarzt entfernen zu lassen, sei unnötig, versicherten die Ärzte. Wer ein Haustier habe, könne an diesem üben, wie Zecken entfernt werden. Die Ärzte zeigen ihren Patienten in der Regel einmal, wie es gemacht wird, dann heißt es selbst ran an die kleinen Blutsauger.
Im Blickpunkt
Telefonaktion der MAIN-POST Nicht nur die Telefonaktion mit den drei Ärzten bei der MAIN-POST lieferte viel Information, was bei einem Zeckenstich zu tun und ob eine Impfung sinnvoll ist. Nach der Berichterstattung rund ums Thema Zecken war der Ansturm auf Arztpraxen in der Region so groß, dass mancherorts der Impfstoff ausging und nachgeordert werden musste.