Wiegard lehrt in Regensburg Volkswirtschaft. Er ist aber auch der Vorsitzende der so genannten fünf Wirtschaftsweisen, die dieser Tage das 565 Seiten starke Gutachten zur wirtschaftlichen Situation Deutschlands an Bundeskanzler Gerhard Schröder überreichten.
Auf Einladung des Informationskreises der Wirtschaft Rhön und bayerischer Arbeitgeberverbände analysierte Professor Wiegard vor über 200 geladenen Gästen die wirtschaftliche Situation Deutschlands.
Dass die nicht gerade rosig ist, hatte Dr. Raimund Mahlberg, Vorsitzender der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, zu Beginn klar gemacht. Nicht ohne Angriffe gegen die rot-grüne Regierung, der er einen "Frontalangriff auf die Wirtschaft vorwarf".
Folgerichtig sprach Professor Wiegard vom "Wirtschaftspatienten Deutschland", zeichnete aber bei der Ursachenforschung ein differenzierteres Bild. Danach hat Deutschland beim Preisniveau keine Probleme. Mit einer Inflation von 1,4 Prozent ist Deutschland Primus in Europa. Außenwirtschaftlich ist in Deutschland ebenfalls alles in Ordnung, so Wiegard.
Wenn es aber um Beschäftigung und Wachstum geht, dann wird es kritisch. Beim Wachstum ist Deutschland seit Mitte der 90er Jahre europäisches Schlusslicht. Trotzdem liegt das Bruttoinlandsprodukt - der Maßstab, wie gut es einer Volkswirtschaft geht - noch deutlich über dem Durchschnitt in Europa, so Wiegard. Um ein Absinken zu vermeiden, sei müsse man aber unbedingt für mehr Wachstum sorgen.
Warum es derzeit "so ist, wie es ist", da macht Wiegard zum einen die Wiedervereinigung aus: "Zu Beginn wurden völlig falsche Entscheidungen getroffen". Er nannte etwa den Umtausch von Ostmark eins zu eins, oder die zu starken Investitionszuschüsse in den neuen Bundesländern. Außerdem habe die Währungsunion Deutschland zwar nicht benachteiligt, aber andere Länder deutlich bevorzugt, bei denen durch Zinssenkungen als Folge der Währungsunion verstärktes Wachstum erzeugt wurde.
An vielen Ursachen für die derzeit schlechte Lage, ist nach Ansicht Wiegards wenig zu machen. Agieren kann man seiner Ansicht nach aber auf dem Arbeitsmarkt. Es gelte die Nachfrage nach Arbeitskräften zu steigern und die Lohnnebenkosten zu senken.
Um das zu erreichen, fordert er unter anderem, dass die Lohnzuwächse unter dem Produktivitätszuwachs bleiben. Drastisch klingt eine anderer Ansatz Wiegards. Demnach müsste die Sozialhilfe um 30 Prozent gekürzt werden, allerdings nur für arbeitsfähige Empfänger. Wenn die dann aber eine Niedriglohnarbeit annehmen, sollten höchstens 50 Prozent des Einkommens auf die Sozialhilfe angerechnet werden. Das gelte auch für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Wenn zusätzliches Einkommen weniger stark angerechnet werde, mache es das viel interessanter, eine Arbeit anzunehmen.
Auf die Frage ob er solche Vorschläge auch schon vor Gewerkschaftsvertretern gemacht habe, outete sich Wiegard als Gewerkschaftsmitglied. Seine Antwort war ein klares Ja mit dem Hinweis, dass man bei den Gewerkschaften so etwas durchaus für möglich hält.
Wie die Vorschläge bei der Regierung ankamen, wollte ein Zuhörer wissen. "Bundeskanzler, Finanz- und Wirtschaftsminsiter sind sehr interessiert", antwortete der Volkswirt. Allerdings wisse er auch, dass Politiker im Gegensatz zu Wissenschaftlern wie ihm darauf achten müssten, wiedergewählt zu werden. Erfahrungsgemäß würden die Vorschläge der Wirtschaftsweisen nach und nach aber doch übernommen, allerdings in einem "eher osmotischen Prozess".