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Ein Lied für Gerhard Schröder

Bad Neustadt

Ein Lied für Gerhard Schröder

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    Es ist warm in Amstadts kleiner Wohnung. Sehr warm. "Mir ist oft kalt", sagt sie und setzt sich auf das Sofa vor dem Schrank. Neben ihr liegt die SPD-Zeitschrift "Vorwärts". Zu ihrer Rechten hängt ein großes Poster an der Wand. Es zeigt Gerhard Schröder. Neben dem Poster hängen Autogrammkarten. Vier von Schröder, zwei von Franz Müntefering. An der Wand hängt auch ein Song-Text. Warum schreibt eine junge Frau ein Lied für Gerhard Schröder?

    Sie zieht die Ärmel ihres dicken Woll-Pullovers über ihre Hände und beginnt zu erzählen: Vor der Bundestagswahl sah sie sich unzählige Polit-Sendungen an, informierte sich über alle Parteien. Bis dahin hatte sie sich nie intensiv mit Politik beschäftigt. Doch sie wollte unbedingt wählen gehen, war jedoch noch unsicher, wo ihr Wahlkreuz stehen sollte.

    "Schröder und die SPD haben mir gefallen", sagt sie und blickt zum Poster. Dann kam der 18. September, der Wahltag, und am Abend schaute sich die junge Frau im Fernsehen die "Berliner Runde" an, in der Merkel, Schröder und die anderen Partei-Spitzen ihre Sicht des Wahl-Ausgangs unters Volk streuten.

    DAS LIED ZUM THEMA:

    Rüpelhaft, arrogant, machtbesoffen, kommentierte die Presse Schröders Benehmen. Er selbst nannte es Tage später "suboptimal". Amstadt war fasziniert vom heute schon legendären Auftritt Schröders: "Seine Aufmüpfigkeit den Journalisten gegenüber, seine Kraft", erklärt sie, "er hat seine Maske fallen lassen".

    Nach dem Wahltag saugte Amstadt Informationen über Schröder auf, in Zeitungen, im Fernsehen, im Internet. "Der hat sich von ganz unten nach oben durchgeschlagen." Der SPD-Politiker wurde der jungen Frau immer mehr zu einem Vorbild. "Jeder braucht doch jemanden, der einen stark macht. Und Schröder muss nicht stark tun, er ist es", sagt sie, lächelt, zieht die Ärmel über ihre Hände und erzählt weiter.

    Einige Tage nach der Wahl, am 7. Oktober, sah sie beim Nachrichtenkanal Phoenix eine Dokumentation über Schröder. "Seine Antworten waren interessant und sein Humor, seine Souveränität, seine Sicherheit", sagt sie. Neben ihr lagen damals ein Block und ein Stift.

    Etwas zum Schreiben habe sie immer bei sich, um ihre Gedanken überall festzuhalten. Sie macht sich oft Gedanken. Über sich, über die Menschen, über Politik oder über Schröder, so wie am 7. Oktober.

    An jenem Abend schrieb sie viel auf. Antworten des SPD-Politikers, ihre Eindrücke und alles, was ihr durch den Kopf ging. Anschließend formte sie daraus den Text ihres Liedes: "Spuren Deiner Seele", untermalte ihn mit Musik und nahm das Lied an ihrem Computer auf. Um zwei Uhr nachts war sie fertig. "Ich ging erst schlafen als ich zufrieden war", sagt sie und greift zur Fernbedienung ihrer Hifi-Anlage.

    Aus den Boxen ertönt "Spuren Deiner Seele". Die kleine Koalition aus Musik und Politik: Ein bisschen Sabrina Setlur, ein bisschen Gerhard Schröder und viel Sylvia Amstadt. Sehr viel.

    "Schreiben ist der Weg, mich zu befreien", sagt sie. Sie sagt auch: "Musik ist mein zu Hause." "Schreiben und die Musik sind mein Halt, meine Art, meine Gefühle und mein Leben zu verarbeiten." Ihr Leben. Die 21 Jahre junge Frau sagt viele solcher Sätze. Sehr erwachsene Sätze. Sie klingen nicht gestelzt, sie klingen ernst.

    Seit zweieinhalb Jahren wohnt Amstadt in Bad Neustadt. Über ihr Leben, ihre Vergangenheit, ihre Kindheit erzählt sie - erst zögerlich, dann mehr. In der Zeitung soll darüber nichts stehen. Aber es erklärt, weshalb sie für eine starke Persönlichkeit wie Gerhard Schröder ein Lied schreibt, sich seine Autogrammkarten an die Wand hängt und sagt, dass sie aus seinem bloßen Auftreten im Fernsehen für sich selber Stärke und Kraft zieht.

    Schröder sei die erste Person seit langem, der sie einen positiven Text gewidmet habe, sagt Amstadt. Sie hat schon etliche Lied-Texte und Gedichte geschrieben. "Manchmal schreibe ich zwei am Tag." Sie reicht einen Ordner über den Tisch. Er ist gefüllt mit Gedichten, Texten, die alle etwas über sie erzählen. Dazwischen Briefe.

    "Ihr selbstgeschriebenes Lied und der dazugehörige Text sind wirklich schön."
    (Brief aus dem Bundeskanzleramt)

    Ein Brief vom 25. Oktober trägt den Absender, "Thomas Kaulisch, Persönlicher Referent des Bundeskanzlers, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin" und den Briefkopf, "Bundesrepublik Deutschland. Der Bundeskanzler". Sehr geehrte Frau Amstadt, beginnt er. "Der Bundeskanzler hat sich über die anerkennenden Zeilen sehr gefreut." Weiter unten steht: "Ihr selbstgeschriebenes Lied und der zugehörige Text sind wirklich schön."

    Drei Tage, nachdem sie "Spuren Deiner Seele" geschrieben hatte, schickte sie eine Mail an die SPD mit dem Hinweis auf ihr Lied für Schröder. "Mich hat einfach gestört, dass so viele Medien die SPD und Gerhard Schröder niedergemacht haben", beschreibt sie ihre Motivation, zieht die Pullover-Ärmel über ihre Hände und ergänzt: "Ich wollte zeigen, dass es einen gibt, der sagt, 'Danke, was du getan hast'."

    Schnell kam eine Mail mit dem Vorschlag zurück, sie möge das Lied direkt ans Willy-Brandt-Haus in Berlin schicken. Amstadt brannte das Lied auf CD und verfasste dazu einen Brief. "Eigentlich war mein Hobby bisher nur die Musik bzw. das Texte schreiben, nun haben aber die SPD und Herr Schröder das geändert. Meine Freizeit besteht jetzt aus einer kleinen Koalition, die sich zusammenschließt aus Politik und Musik", schrieb sie. Es wurde ein langer Brief, ein persönlicher Brief. Sie schrieb auch: "Schade, dass ich höchstwahrscheinlich nie die Gelegenheit haben werde, ihn persönlich zu treffen (...) mich würde es motivieren und mit Stolz erfüllen, einen so starken Menschen zu treffen,"

    Einmal Gerhard Schröder treffen, dessen Stärke spüren, wünscht sich Amstadt. "Ich würde ihn fragen, was seine nächsten Ziele sind, was sein Ansporn ist, woher er seine Kraft nimmt." Und ihre eigenen Ziele?

    "Ich weiß nicht genau, was ich machen soll", antwortet die Frau. Etwas mit Musik, Texte und Gedichte schreiben auf jeden Fall. Erste Kontakte mit einem Aufnahmestudio in Schweinfurt hat es bereits gegeben. Es ist schwer. Ein Ziel ist es jedenfalls, "mehr Leute und die Öffentlichkeit mit meiner Musik zu erreichen." Und sich für die SPD zu engagieren. Mittlerweile ist Amstadt Partei-Mitglied geworden. Und immerhin ist da schon einmal der Antwort-Brief von Schröders Referent.

    "Ich hätte nie gedacht, dass Schröder mein Lied wirklich erreicht", sagt sie und lacht. Schröders Referent hat ihr viel Erfolg für ihre Bemühungen gewünscht, im Musikgeschäft Fuß zu fassen. Darüber hat sie sich besonders gefreut. Sie will Schröder nicht aus den Augen verlieren. Das wird nun schwerer, der Ex-Kanzler verschwindet aus der Öffentlichkeit, bedauert Anstadt und zeigt auf ein Blatt Papier vor ihr auf dem Tisch.

    Sie hat heute einen neuen Text für ihn geschrieben. "Und nachher mache ich die Musik dazu und nehme dann das Lied auf." Da ist sie wieder, die kleine Koalition aus Musik und Politik. "Ich gehe nicht eher schlafen, bis ich zufrieden bin. Und wenn es die ganze Nacht dauert", sagt Amstadt. Dann wird sie den Song auf eine CD brennen, in einen Brief stecken und an Gerhard Schröder schicken. Und auf eine Antwort warten.

     DER TEXT ZUM LIED:

    Spuren Deiner Seele

    Zitat:
    Was an dir Berg war
    Haben sie geschleift,
    und dein Tal schüttet man zu,
    über dich führt ein bequemer Weg.
    (Berthold Brecht)

    Strophe eins:
    Aus dem Nichts bist du ins Licht getaucht,
    hast dich darin verpflichtet und verbraucht,
    hast Wichtiges berichtet und nahmst Verzicht in Kauf,
    hast jeden Raum mit Sicherheit betreten,
    hast Streit geschlichtet und dich manchmal auch darin verewigt,
    wolltest dir gewiss sicher sein in deinen Sichtweisen,
    man hat dir mehr als nur Vertrauen gegeben,
    es ging um ein doch so großes Leben.
    Du hast die Zeit gedreht und mit ihr deine Wege,
    nicht weit verfehlt, blieb das, wonach du strebtest,
    du hast getanzt mit deiner Seele und mit ihren Farben
    den Regenbogen bemalt, du bliebst bei deinem Wesen,
    das durch seine Taten mehr als nur Überlegenheit ausstrahlte.
    Mit Glauben und Mut trugst du Zuversicht in deinem Blick,
    und in deinen Augen ist noch immer diese Glut,
    die auch mich beglückt.

    Refrain:
    Jahre sind vergangen,
    Zeiten gingen mit und an dir vorüber,
    deine Taten habe ich eingefangen
    in meinen leisen Liedern,
    aus Dankbarkeit für dich allein geschrieben,
    ich hab nichts Wichtigeres gefunden, als den Menschen zu erzählen,
    wie gut sie dir gelungen sind, die Kämpfe deines Lebens,
    und die Spuren deiner Seele, wie gut sie dir gelungen sind,
    die Spuren deiner Seele.

    Strophe zwei:
    Die Jahre haben dich ein wenig müde gemacht,
    doch deine begabten Sinne sind noch immer wach,
    du bist Ernährer, Richter und Lehrer geblieben
    hast fairer gerichtet und schwerer deine lehren umgeschrieben,
    hast soviel Eigenes dazugelernt und dich dabei doch nie
    von deinen kleinen so lieblichen Eitelkeiten entfernt,
    dein Eifer war nie übertrieben,
    du hast Menschen mit ihm begleitet, sie bereichert
    und es geschafft, sie ein Stück weiter zu schieben.
    Bist an deiner Größe gewachsen, so unendlich und ganz,
    und hast selbst in den dünnsten Zeiten,
    die schönsten Keime in die Erde gepflanzt.
    Du hast mal gesagt, wer ständig versucht,
    Everbodys Darling zu sein,
    wird schnell zu Jedermanns Armleuchter,
    was du für mich warst, hörst du in diesen Zeilen,
    dein Licht allein lässt die Wärme in meinen Worten
    für dich nicht leugnen.


    Refrain:
    Jahre sind vergangen,
    Zeiten gingen mit und an dir vorüber,
    deine Taten habe ich eingefangen
    in meinen leisen Liedern,
    aus Dankbarkeit für dich allein geschrieben,
    ich hab nichts Wichtigeres gefunden, als den Menschen zu erzählen,
    wie gut sie dir gelungen sind, die Kämpfe deines Lebens,
    und die Spuren deiner Seele, wie gut sie dir gelungen sind,
    die Spuren deiner Seele.

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