Die Lange Rhön ist nicht nur Grenzgebiet zwischen Bayern und Hessen sondern bildet auch die natürliche Wasserscheide zwischen Main und Weser. Nach Osten abfließendes Wasser erreicht also irgendwann über die Saale den Main, während die Bäche am Westhang in die Ulster münden, deren Wasser schließlich die Weser speist.
Echte Bergbäche mit teils mächtiger Wasserführung bereichern die offene Wiesenlandschaft und lassen den Wanderer bei Querung des Elsbachs und der anderen Gewässer innehalten. Viele bleiben stehen und schauen verträumt ins klare Wasser. Wirklich sauberes Wasser – wo hat man das noch?
Alles ist im Fluss
Manch einer wundert sich vielleicht über die bräunlich-gelbe Färbung des Eisgraben-Wassers im Norden des Naturschutzgebiets, das dieser Tage in beeindruckender Weise den steilen Abhang Richtung Hausen hinabstürzt. Doch keine Sorge, die Wasserfärbung hat nichts mit von Menschen gemachten Verunreinigungen zu tun. Es sind die Gerbsäuren des Torfes aus dem Schwarzen Moor, die das Wasser ansäuern und einfärben.
Während in den übrigen Hochrhönbächen die Bachforelle bis in Quellnähe vorrückt, hat sie mit dem sauren Wasser des Eisgrabens im unmittelbaren Umfeld des Moores ihre Probleme.
Das beeindruckende Gerinne dieses bekannten Rhöngewässers ist durch einem Wolkenbruch im Sommer des Jahres 1834 entstanden. Unvorstellbare Wassermassen bahnten sich ihren Weg ins Tal. Riesige Basaltbrocken setzten sich dadurch in Bewegung, führten mit dem Hochwasser zu schweren Verwüstungen in Hausen und veränderten das Gesicht der Landschaft.
Wo Wasser ist, ist Leben. Dieser bekannte Spruch wird einem besonders im Frühjahr bewusst. So erscheint das erste Grün dort, wo das nasse Element dominiert. Selbst im tiefsten Winter sind zahlreiche Quellsümpfe auf der Langen Rhön schneefrei geblieben. Die Wassertemperatur ist hier sommers wie winters fast konstant warm, wenn man sechs bis acht Grad Celsius als „warm“ bezeichnen möchte. Sie bildeten die einzigen grünen Flecken in der schneebedeckten Landschaft und wurden daher in der kalten Jahreszeit von vielen Tieren zur Nahrungssuche genutzt.
In den unzähligen, klaren Quellen der Rhön lebt auch eine Vielzahl winziger Organismen, die teils echte Eiszeitrelikte sind. Für manche von ihnen gibt es noch nicht einmal einen Namen. Bekannt geworden ist in jüngerer Zeit die Rhön-Quellschnecke, die ausschließlich in Rhön und Vogelsberg vorkommt.
Im jetzt anbrechenden Frühjahr sind es die Graben- und Bachränder, die sich als erste begrünen. Der Märzenbecher – an feuchten Stellen noch zahlreich zu finden- musste sich in diesem Jahr ranhalten, um seinem Namen noch gerecht zu werden.
Kein Platz für Weicheier
Der „Wasserreichtum“ der Hochrhönlandschaft wird in Zukunft wohl immer wörtlicher zu nehmen sein. Wenn man den Prognosen der Klimaforscher glaubt, wird es wärmer und trockener. Die häufigen Niederschläge und nassen Böden, die in der Vergangenheit vielleicht ein Nachteil für die landwirtschaftliche Nutzung waren, könnten sich in Zukunft noch als wertvoller Standortvorteil erweisen.
„Neun Monate Winter und drei Monate kalt“
Die Rhöner über ihr Wetter
Apropos „Standortvorteil“: Ausgehagerte Böden, reichlich Niederschläge, lange Schneebedeckung, hohe Windgeschwindigkeiten. Bei etwa fünf Grad Jahresdurchschnittstemperatur und einer um zwei Monate kürzeren Vegetationszeit als in wärmebegünstigten Gebieten Unterfrankens bleibt in der Langen Rhön kein Raum für die „Weicheier“ unter den Arten.
Diese widrigen Verhältnisse begünstigen Tiere und Pflanzen, die zwar in der Normallandschaft bei üppiger Düngung und günstigem Klima keine Chance haben, aber in den Hochlagen der Rhön deutlich überlegen sind. All dies macht das Naturschutzgebiet Lange Rhön zur „eigenen Welt“, die selbst den „Rhönkenner“ immer wieder erstaunen (und frieren) lässt. Wie oft sehnt man sich die lange Unterhose herbei, weil man mitten im Sommer zu früher Morgenstunde die Rhön wieder einmal kräftig unterschätzt hat.
Man liest von bis zu 250 Nebeltagen in der Hochrhön. Das hört sich zunächst etwas frustrierend an. Kann das unter Umständen sogar ein Argument sein, seinen Urlaub nicht in der Rhön zu verbringen? Das hängt von der Jahreszeit und der allgemeinen Wetterlage ab.
Im Herbst, Winter und dem zeitigen Frühjahr hat die Hohe Rhön bei Hochdruckwetter gegenüber ihrem Vorland sogar Vorteile zu bieten. Über dem flachen, tiefgelegenen Land können sich dann bei wenig Wind so genannte „Inversionswetterlagen“ bilden, die das Naturschutzgebiet und die anderen Hochlagen oft tagelang aus einer flächigen Dunst- oder Nebelglocke herausheben. Spektakuläre Ausblicke sind garantiert.
Kultiges Sauwetter
Man muss jedoch eingestehen, dass bei ungünstigen Bedingungen in den Hochlagen der Rhön durchaus über Tage und Wochen der Nebel die Landschaft beherrscht, was allerdings nicht bedeutet, dass es den ganzen Tag über neblig ist. Doch in der Langen Rhön hat sogar dieses „Sauwetter“ etwas „Kultiges“, wenn markante Baumveteranen nur schemenhaft zu erkennen sind. Nur nicht vom Weg abkommen, denn dann ist man ganz schnell einsamer als einem lieb ist.
Doch das ist in diesen Tagen, wenn sich alles nach Sonne sehnt, kein gutes Thema.