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BAD KÖNIGSHOFEN: Eine Art Sozialhilfe auf Acker und Obstwiese

BAD KÖNIGSHOFEN

Eine Art Sozialhilfe auf Acker und Obstwiese

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    Einstmals gab es das sogenannte „Stupfelrecht“ der Jugend und der Armen, das heißt, dass nach der Feldbestellung die liegen gebliebenen Ähren oder Kartoffeln insbesondere durch die Dorfarmen eingesammelt wurden. Weiter ließ man an den Obstbäumen vereinzelt Früchte hängen, die dann mit Begeisterung eingeholt wurden, wobei auch die gut situierten Knaben und sich auch die kletterlustigen Mädchen angesehenster Bürgerfamilien beteiligten.

    Nach Michaeli, also dem 29. September, konnte man oft den Satz hören: „Heut gänn mer naus Stup-feln!“. Ab diesem Tag waren alle noch an den Bäumen hängenden Früchte für die Jugend und die Armen freigegeben und sie zogen aus, diese zu ernten.

    Diese Nachlese an den Bäumen gönnte man der Jugend einst gerne. Das „Stupfeln“ gehörte zu den schönsten Jugenderinnerungen, erinnern sich Zeitzeugen. Allerdings mussten Bäume, die infolge der drängenden Feldarbeiten noch nicht geerntet waren, von den „Stupfelbuben“ verschont werden.

    Es gab in alter Zeit viele Familien, die ihre Kinder auf die abgeernteten Felder zum Ährenlesen schickten. Auch manche Frau beteiligte sich an diesem mühseligen Sammeln. Die Felder durften aber erst betreten werden, wenn die Getreidehaufen abgefahren worden waren. Die gelesenen Ährenbündel wurden mit den längeren Halmen der Ähren zusammengebunden. „Gelesen“ wurden Roggen, Weizen, Gerste und Hafer. Sauber getrennt nach den einzelnen Getreidearten bündelte man die Ähren. Während man Gerste und Hafer mitsamt den Halmen dem zu Hause gehaltenen Federvieh als Futter vorwarf, wurden die Büschel mit Roggen- und Weizenähren vielfach mit dem Dreschflegel gedroschen und die gewonnenen Körner dem Müller zum Mahlen übergeben.

    „So ein Stroh-Wisch war fast schon eine amtliche Sache“

    Reinhold Albert über die Bedeutung des mit Stroh verkleideten Steckens

    Einzelne Familie brachten so viel zusammen, erinnerte sich der ehemalige Stadtamtmann von Ostheim vor der Rhön, Hugo Schmidt, in einem Beitrag in den Rhön-Grabfelder Heimatblättern 1977, dass sie das Ausdreschen auf der Dreschmaschine vornehmen lassen konnten.

    Es gab auch noch die Nachlese auf den abgeernteten Kartoffelfeldern. Beim Auspflügen blieb oft eine Kartoffelstaude mit den anhängenden Kartoffeln stecken, beim Auflesen wurden Kartoffeln übersehen oder ein danach einsetzender Regen hatte liegen gebliebene Erdäpfel freigewaschen. Diese Nachlese blieb dann den Leuten vorbehalten, die ins „Kartoffel-Ehren“ gingen, wie es einst hieß.

    Ausgerüstet mit Sack und Kartoffelhacken suchten sie die Felder ab und schleppten die mühsam gewonnenen Kartoffeln auf weiten Wegen nach Hause. Der Strohwisch verbat das Betreten des Ackers. Bauern, die das Stupfeln auf ihren Feldern nicht wünschten, machten das mit einem aufgesteckten Strohwisch kenntlich. Noch in unseren Tagen ist er eine Art Verbotsschild für Schäfer und ihre Herden. Ein Strohwisch besteht aus einem Bündel Stroh, das an einer etwa einen Meter hohen Latte oder einem Holzstock befestigt ist. Er wurde und wird auch heute noch vereinzelt auf das Feld oder die Wiese gestellt.

    Der Strohwisch ist ein uraltes Rechtssymbol und soll in unseren Tagen Wiesen und Felder vor der Beweidung durch wandernde Schafherden schützen. Der Landwirt will hierdurch seine Saat, Ernte, Zwischenfrucht oder Heuwiese schüt-zen, der Jäger seinen Wildäcker. Der Strohwisch, unter anderem auch Gewisch, Bannwisch oder Pfandschaub genannt, wird heutzutage auch benutzt, um Flächen zu kennzeichnen, die aus Gründen des Naturschutzes nicht betreten werden sollen.

    Schulden angeprangert

    Doch der Strohwisch hatte auch noch andere Funktionen. In der Neustädter Gegend wurde vor mehr als einem halben Jahrhundert festgehalten: Der „Acker oder Wiesen-Wüsch“ ist ein kurzer, gebundener Strohwisch, den man auf einen Stock setzt und auf den Acker oder die Wiese so einsetzt, dass ein unberechtigter Fußweg dadurch verboten, das heißt, „gewüscht“ wird.

    In früherer Zeit hatte dieser Wisch zudem etwa die Bedeutung des „Kuckucks“ des Gerichtsvollziehers: Wenn jemand den Zins seines Grundstücks nicht zahlen wollte oder konnte, so veranlasste der Gläubiger die Setzung eines solchen Wi-sches von der Gemeindebehörde. Es war damit amtlich das Betreten des Grundstückes durch jedermann verboten. Fuhrleute versahen früher übrigens bösartige Pferde ebenfalls mit einem Strohwisch als Warnung. Das Zeichen wurde, wenn es sich um einen „Schläger“ handelte, im oder am Schweif befestigt, und, wenn es ein „Beißer“ war, an Kopf oder Hals.

    Es kam aber auch vor, dass andere Bauern und der Schäfer dieses Warnzeichen missachten. Da läuft der Bauer auch nicht gleich aufs Gericht. Er hilft sich zuerst einmal selbst und stellt den Schäfer oder den Bauern zur Rede. Bekennen sich diese schuldig, so hat's damit sein Bewenden.

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