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MELLRICHSTADT: Es braucht Neuausrichtung in den Köpfen

MELLRICHSTADT

Es braucht Neuausrichtung in den Köpfen

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    Die international bekannte Band Fools Garden legte auf ihrem Trip nach Russland einen Zwischenstopp ein.
    Die international bekannte Band Fools Garden legte auf ihrem Trip nach Russland einen Zwischenstopp ein.

    20. Juli 1944. Mit zwei Kilogramm Sprengstoff betritt Claus Schenk Graf von Stauffenberg die Wolfschanze, das Hauptquartier Hitlers. Sein Ziel: Den Führer der Nationalsozialisten beseitigen, das Sterben auf den Schlachtfeldern verhindern, Extremismus und Wahn Einhalt gebieten. Seine – gescheiterte – Tat ging in die Geschichte ein.

    72 Jahre später stellt sich auch der Enkel des Hitler-Attentäters, Karl von Stauffenberg, Extremisten in den Weg. Vor wenigen Tagen hat er den Verein „Mittendrin statt extrem daneben“ gegründet, am Samstagabend fand die Auftaktveranstaltung mit Podiumsdiskussion und Live-Musik in der Mellrichstädter Oskar-Herbig-Halle statt.

    Jugendliche im Fokus

    Und die rund 100 Zuhörer merken schnell, dass Karl von Stauffenberg kein Freund von lang ausschweifenden Ausführungen ist. „Jede Form von Extremismus ist auf gut deutsch scheiße“, stellt er gleich zu Beginn klar. „Wir laden alle ein mit uns für den Rechtsstaat einzutreten“. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene will der Verein ansprechen. Sie würden besonders häufig in die Fallen der Extremisten tappen, erklärt von Stauffenberg.

    Die zunehmenden Fronten bezüglich der Flüchtlingspolitik, Fremdenhass und Anfeindungen gegen Muslime geben den Diskutierenden zu Denken. „Die Debatten werden immer extremer, entweder man ist dafür oder dagegen“, stellt BR-Redakteurin Gülseren Ölcüm, die Moderatorin des Abends, fest. „Müssen wir so leben?“ Ein klares Nein gibt es von Karl von Stauffenberg: „Wenn Menschen hier gerne leben und sich an das Gesetz halten, gehören sie nach Deutschland“, gleich welcher Religion oder welchen Aussehens. Das unterschreibt auch Johannes zu Eltz, Bischöflicher Kommissar in Frankfurt: „Extremismus entscheidet sich an der Frage, ob religiöse Anhänger das Grundgesetz annehmen“.

    Doch warum gibt es dennoch Anfeindungen gegen verschiedene Minderheiten? „Manche steigen aus den Komplexitäten des Lebens aus und machen es sich einfach“, findet der SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib aus Ochsnefurt. Imam Mahmoud Kandiel aus Erlangen setzt auf Annäherung und appelliert, sich auf andere einzulassen. Viele Muslime würden als Ausländer abgestempelt, obwohl sie in Deutschland geboren wurden und die Sprache perfekt beherrschen. Auf der anderen Seite gäbe es aber auch Anhänger seines Glaubens, die noch zu sehr mit der Heimat und zu wenig mit dem neuen Land verbunden seien.

    Jugend hat kein Bock

    Braucht es also eine Neuausrichtung in einigen Köpfen? „Die guten alten Zeiten sind vorbei“, stellt der CDU-Bundestagsabgeordnete und Menschenrechtler Michael Brand fest. „Es gibt keine einfachen Antworten“, wie sie von vielen gesucht und von Rechtspopulisten verbreitet werden würden. Er kritisiert: „Wir müssen an die Ursachen rangehen, hätten wir früher die Augen aufgemacht, hätten wir nicht diese Situation“.

    Simon Albert und Adrian Müller aus Irmelshausen stehen etwas abseits der Bühne, verfolgen die Diskussion gespannt, stecken immer wieder die Köpfe zusammen. Mit 22 beziehungsweise 24 Jahren sind sie die Jüngsten im Publikum – und damit fast alleine. „Wenn ich mich hier umschaue, sehe ich bei 70 Prozent der Beuscher graue Haare, das ist schon traurig“, findet Simon. Auf die Frage, warum sich kaum einer ihrer Altersgenossen Zeit genommen hat, haben sie eine klare Antwort: „Die Jugend hat kein Bock mehr auf Politik“, erklärt Adrian. „Viele kommen nicht, weil es uns so gut geht“, glaubt er. „Die, die hier sind, kennen die Nachkriegszeit, wissen wie das war.

    “ Ihre Großeltern mussten samstags noch für wenig Geld den ganzen Tag arbeiten. „Wir überlegen uns samstags, ob wir lieber Currywurst essen oder Döner und Pizza bestellen“.

    Die Veranstaltung gefällt den beiden Politikinteressierten. „Wir finden es mutig, so eine Veranstaltung zu machen, davon gibt es nur wenige“. Und Adrian ergänzt: „Wenn man auch nur eine handvoll Leute überzeugen kann, kann man darauf aufbauen“.

    Wohnzimmer-Atmosphäre

    Als sich Julia, Anetta und Judith von der Band „La Goassn“ nach der Diskussion auf der Bühne ins Zeug legten, blickten sie auf überwiegend leere Reihen. Auch die Band „Fools Garden“ zog nicht mehr Publikum in die Oskar-Herbig-Halle. Sänger Peter Freudenthaler nahm es gelassen: „Wir machen das ja, weil es uns Spaß macht, wenn ihr wollt spielen wir die ganze Nacht“. Und so wippten und sangen nur wenige zu den lockeren, rockigen Klängen der Pforzheimer Zitronenzüchter mit, die dafür umso enthusiastischer.

    Den Musikern gelang es, die Halle in Wohnzimmer-Atmosphäre zu tauchen, immer wieder entführten sie das Publikum mit kleinen Anekdoten in ihre eigene Vergangenheit, etwas als Freudenthaler erzählte, wie er und seine Freunde geschrien haben vor Glück, als einer ihrer Songs zum ersten Mal im Radio lief.

    DJ Le Key trat nicht mehr auf. Karl von Stauffenberg ist dennoch zufrieden mit der ersten Veranstaltung des Vereins. „Enttäuscht wäre ich, wenn ich damit gerechnet hätte, dass viele Jugendliche kommen“, erklärt er. Die Strategie, den jungen Erwachsenen mit DJ und Bands „die Karotte hinzuhalten“, ist nicht aufgegangen. Der Organisator aus Irmelshausen ist aber zuversichtlich, dass das in Zukunft besser funktionieren wird.

    -> Mehr dazu auf Franken Seite 8

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