Jetzt also doch. Gustav Weißkopf bekommt sein eigenes Fliegermuseum. 10,5 Millionen Euro wollen die Kleinstadt Leutershausen im Kreis Ansbach und Bayerns Staatsregierung für Baukosten ausgeben. Nach langem Hin und Her hat der Freistaat kurz vor dem 90. Todestags des Flugzeugpioniers zugesagt, in den ersten fünf Jahren die Hälfte der Kosten zu tragen. Weißkopf, der aus Leutershausen stammte, war verarmt am 10. Oktober 1927 in Bridgeport (Connecticut) in den USA gestorben.
„Pioniere der Luftfahrt“ soll das Museum heißen. Nach dem ehrgeizigen Zeitplan der Bürgermeisterin soll es am 14. August 2021 eröffnet werden. An diesem Tag jährt sich der Erstflug Weißkopfs zum 120. Mal. Und in Leutershausen ist man sich sicher, dass nicht die Gebrüder Wright die ersten Motorflieger der Welt waren. Sondern dass Gustav Weißkopf der erste kontrollierte Motorflug der Welt gelang. Das Flugpionier-Museum soll im früheren Landgerichtsgebäude untergebracht werden. Dort erinnert eine kleine Ausstellung im Dachgeschoss an Weißkopfs Pioniertat.
Der weltweit erste erfolgreiche Motorflug der Welt – unternommen von einem Franken anno 1901 und nicht von den Gebrüder Wright zwei Jahre später? Der Mann aus Leutershausen, geboren 1874, war Ende des 19. Jahrhunderts in die USA ausgewandert und nannte sich dort Gustave Whitehead. In Bridgeport im US-Bundesstaat Connecticut unternahm er Flugversuche mit Flugmaschinen mit selbst gebauten Motoren. Am 14. August 1901 soll ihm der erste Motorflug mit sanfter Landung nach einer halben Meile gelungen sein – auf einem Feld außerhalb von Fairfield. Für die Mitglieder der Flughistorischen Forschungsgemeinschaft Gustav Weißkopf (FFGW) ist das sicher. Für den Flughistoriker John Brown auch. Er glaubt, bewiesen zu haben, dass Weißkopf/Whitehead früher abhob als die Gebrüder Wright: Beleg seien zahlreiche Zeitungsartikel aus dem Jahr 1901.
Kein Foto dokumentiert zweifelsfrei den motorisierten Erstflug des Franken
Am 18. August 1901 hatte der „Bridgeport Herald“ über einen unbemannten Flug mit 220 Pfund Ballast und einen anschließenden ersten bemannten Motorflug „mit sanfter Landung nach einer halben Meile“ berichtet. Mit eingeklappten Flügeln auf 30 Zentimetern hohen Scheibenrädern aus Holz auf der Straße fahrend, wurde der Maschine eine Geschwindigkeit von rund 45 km/h bescheinigt. Als Augenzeugen nennt der namentlich nicht genannte Autor des Berichts sich selbst – und neben dem Piloten Weißkopf dessen Gehilfen James Dickie und Andrew Celli. Der Artikel war mit einer Zeichnung des fliegenden Flugzeugs und einem Foto Weißkopfs illustriert. Bis Jahresende habe es weltweit 274 Berichte über den Flugpionier gegeben, sagt Brown. Allerdings: Es existiert kein Foto, das den motorisierten Erstflug des fränkischen Auswanderers zweifelsfrei dokumentiert.
In den USA ist die Leistung Weißkopfs seit 2013 immerhin gesetzlich anerkannt: Der Senat des Bundesstaats Connecticut beschloss damals, einen Gedenktag für den Franken einzuführen, um seine Verdienste als Flugpionier zu würdigen. „So wird eine Ungerechtigkeit korrigiert, die schon seit fast einem Jahrhundert besteht“, begründete Senator Lawrence Miller die Entscheidung. Mit dem Gesetz wurde Weißkopf quasi offiziell der erste Motorflug der Geschichte zugeschrieben.
Dass ausgerechnet Verantwortliche des Münchner Deutschen Museums Zweifel am Erstflug und dem Können Weißkopfs als Motorenbauer haben und bis heute daran festhalten, dass die Gebrüder Wright die ersten Motorflieger waren – den Leutershäusern ist das inzwischen egal. Die Technik der „Nr. 21“, des von Weißkopf 1901 verwendeten Einflügler-Modells mit einem Motor vorne habe sich durchgesetzt in der motorisierten Luftfahrt. Die Wrights gingen 1903 mit einem Doppeldecker in die Luft mit dem Motor hinten. Dieses Detail stellt Hans-Günter Adelhard von der FFGW mit fränkischem Stolz heraus. Weißkopf habe aber offenbar mehr technischen Verstand als PR-Kenntnisse gehabt, vermutet man bei FFGW. Und so konnten die Wrights auch zwei Jahre nach Weißkopf ihren „Lufthopser“ noch als „Erstflug“ vermarkten.
In Leutershausen, seiner Heimat, soll Weißkopf jetzt 90 Jahre nach seinem Tod späte Anerkennung bekommen. In diesem Frühjahr hat das CSU-Kabinett bei seiner Sitzung in Feuchtwangen beschlossen, die baulichen Maßnahmen für einen Umbau zu einem richtigen Museum „erheblich zu unterstützen, insbesondere mit Hilfe der Städtebauförderung“. Sandra Bonnemeier, die parteilose Erste Bürgermeisterin der Stadt Leutershausen, kündigte bei der jährlichen Weißkopf-Feierstunde, wie immer Mitte August, ambitioniert als Eröffnungstermin den 14. August 2021 an – obwohl noch nicht klar ist, woher die Stadt die restlichen gut 1,5 Millionen Euro für den Bau nehmen soll. Aber der Stadtrat hat einen Grundsatzbeschluss gefasst, Ende des Jahres soll der Architekt feststehen. „Bisher haben wir nur ein Grobkonzept für das Museum“, gibt Bonnemeier zu.
Das denkmalgeschützte ehemalige Landgericht werde zu einem einzigartigen Museum und kulturellen Höhepunkt, verspricht die Ortschefin und hebt das „unermüdliche ehrenamtliche Engagement des FFGW“ heraus. Der Verein ist derzeit auf der Suche nach Räumlichkeiten, um während der Bauphase die vorhandenen Exponate zu lagern. Darunter ist auch ein Nachbau des ersten erfolgreichen Motorfliegers „Nr. 21“, die „Nr. 21B“.
Momentan ist das 1:1-Modell, mit dem ebenfalls Flüge gelangen, noch im alten Gerichtsgebäude „Im Unteren Torturm“ Leutershausen ausgestellt. Das schmale Gebäude beheimatet eigentlich das Heimatmuseum von Leutershausen. Doch in einem Stockwerk sind auf engstem Raum jede Menge Erinnerungsstücke an Gustav Weißkopf zu finden, den berühmtesten Sohn der Stadt. Dieses jetzige „Deutsche Flugpioniermuseum“ soll durch den millionenschweren Umbau zum Besuchermagneten werden.
Er beschäftigte sich viele Jahre lang mit dem Bau funktionstüchtiger Flugmotoren
Auch wenn Weißkopfs Motorflug bis heute umstritten geblieben ist und es viele Ungereimtheiten in den Quellen gibt – dass sich der Mann aus Leutershausen viele Jahre lang mit Flugmaschinen und dem Bau von funktionstüchtigen Flugmotoren beschäftigte, ist unbestritten. Im Frühjahr 1902 hatte er bekannt gegeben, er habe am 26. Januar mit einem neuen Flugzeug, der „Nr. 22“ , zwei erfolgreiche Flüge über fast zwei Meilen und über sieben Meilen absolviert. In den zehn Jahren nach diesen angeblichen Flügen gelang ihm allerdings nie eine Wiederholung. Obwohl er noch zahlreiche Flugzeuge baute und noch zahlreiche Startversuche unternahm – erfolglos. 1912 wurde er, da zahlungsunfähig, gepfändet – das Ende seiner Selbstständigkeit. Nach dem Verlust seiner Firma arbeitete Weißkopf bis zu seinem Tod als Fabrikarbeiter in Bridgeport. Am 10. Oktober 1927 starb Gustav Weißkopf an einem Herzanfall und fand seine letzte Ruhe in einem Armengrab. Die Grenze zwischen Wahrheit und Fiktion zu seinen praktischen Flügen wird wohl auch mit einem neuen Museum ungeklärt bleiben. Mit Material von dpa
Deutsches Flugpionier-Museum Gegründet wurde das Museum im ehemaligen Landgericht von Leutershausen im Jahr 1974 von Stella Randolph, William J. O'Dwyer und der Stadt Leutershausen. Es gibt Einblicke in das Schaffen und Wirken Gustav Weißkopfs und berichtet von den Anfängen der Luftfahrt. Zu sehen ist unter anderem ein Nachbau des Weißkopf-Motors, der mit Acetylengas unter Beigabe von einem Oxidationsmittel für höheren Druck angetrieben wurde. Geöffnet ist das kleine Flugpionier-Museum in dieser Saison noch bis zum 31. Oktober: Di, Mi, Do und Fr von 10 bis 12 Uhr, Mi und So von 14 bis 16 Uhr sowie nach Vereinbarung, Tel. (098 23) 92 73 52 Per Mail: ffgw@weisskopf.de Infos: www.weisskopf.de