Liegt den Großbardorfern der Genossenschaftsgedanke im Blut? Diesen Schluss könnte man ziehen, schließlich werden Energiegewinnung und -versorgung in der Gemeinde schon seit geraumer Zeit zu einem großen Teil auf dieser gemeinschaftlichen Basis organisiert. So entstanden im Laufe der Jahre neben einer Biogasanlage mehrere Fotovoltaikanlagen und zur Versorgung der Haushalte ein Nahwärmenetz.
Es waren allerdings nicht die ersten Projekte, die in der Gemeinde auf diese Art umgesetzt wurden. Schon vor 100 Jahren bildeten sich überall im Land die ersten Energiegenossenschaften. Auch die Großbardorfer waren damals dabei, indem sie zur Stromgewinnung ein großes Windrad errichteten, das mit seinen 30 Metern höher als der Kirchturm war. Von 1921 bis Ende der 1930er Jahre lieferte es Energie, bevor es wieder abgebaut wurde. Seit 1989 erinnert ein zur 1200-Jahrfeier aufgestelltes Model an diese „Wind-Elektrizitätsanlage“.
Purer Zufall
Es war Zufall, dass die Berlinerin Ann-Morla Meyer Wind bekam von dem so stark ausgeprägten Genossenschaftsgedanken in der Grabfeldgemeinde. Im vergangenen Jahr lernte sie in Berlin auf einem Kongress den Großbardorfer Mathias Klöffel kennen, der gerade zum „Energie-Landwirt 2014“ gekürt worden war und einen Vortrag über die Energiegenossenschaften in seinem Dorf hielt. Sofort stand für die heute 27-Jährige fest: Es lohnt sich, in Großbardorf der Entwicklung von Energie-Genossenschaften auf den Grund zu gehen und die Forschungsergebnisse in die eigene Masterarbeit einfließen zu lassen.
Die Arbeit zum Thema „Die heutigen Möglichkeiten dezentraler Stromversorgung anhand der Entwicklung in den 1920er Jahren“ ist mittlerweile fertig. An diesem Samstagabend wird die gebürtige Lüneburgerin, die an der Technischen Universität (TU) Berlin kürzlich ihr Studium eines ingenieurwissenschaftlichen Bachelors in Regenerative Energien abschloss, im Pfarrheim ihre Rechercheergebnisse präsentieren.
„Noch nie wurde so umfassend die Elektrifizierung und Versorgung durch eine Elektrizitätsgenossenschaft in der deutschen Forschungslandschaft beschrieben“, deutet die Berlinerin an, welch immensen Aufwand sie betrieben hat, bis ihre Masterarbeit fertig war.
Monatelange Archivsuche
Monatelang suchte sie unter anderem im Gemeindearchiv nach Hinweisen auf die damalige Energiegenossenschaft. „Im Laufe der Zeit hat sich dann aus vielen kleinen Puzzleteilchen ein Gesamtbild ergeben, dass ich den Großbardorfern nun präsentieren möchte“, so Ann-Morla Meyer am Donnerstag gegenüber der Redaktion.
Zuviel möchte sie noch nicht verraten, ein paar Details aus ihrer Masterarbeit gibt sie dann aber doch preis. „Großbardorf ist das ideale Beispiel, um zu zeigen, wie die Grundzüge guter Zusammenarbeit und Selbstorganisation zu lokaler Wertschöpfung und Entscheidungshoheit führen können“, sagt Ann-Morla Meyer. „Die nämlich wollten die eigensinnigen Großbardorfer schon damals bewahren.
“ Während alle anderen Ortschaften des königlichen Bezirkes Königshofen, mit Ausnahme von Wülfershausen, Saal und Kleineibstadt, die mit privaten Wasserturbinen versorgt wurden, an ein Überlandwerk angeschlossen wurden, sei man in Großbardorf einen eigenen Weg gegangen.
Großbardorfs eigener Weg
Die eigenständige Versorgung habe bis in den Zweiten Weltkrieg angehalten. „Erst dann gab man den Sonderweg auf“, so die Berlinerin. „Trotz des letztlichen Scheiterns war es aber doch eine geniale Partie, dass Großbardorf schon in den 1920er Jahren zeigte, dass Stromerzeugung durch Windkraftnutzung sinnvoll ist“, fasst sie ihre Recherchen zusammen. „Der Genossenschaft gehörte schließlich jede Familie des Ortes an, und das Windrad wurde als Wahrzeichen Großbardorfs wahrgenommen.“
Zum Vortrag von Ann-Morla Meyer am Samstag, 21. November, um 19 Uhr im Pfarrheim sind alle Großbardorfer eingeladen. Umrahmt wird die Veranstaltung musikalisch vom Dorfchor. Am Ende stellt die Friedrich-Wilhelm Raiffeisen Genossenschaft vor, was sie als Nachfolgerin der Elektrizitäts-Genossenschaft Großbardorf rund 85 Jahre später auf die Beine gestellt hat. Für das leibliche Wohl ist gesorgt.