Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Rhön-Grabfeld
Icon Pfeil nach unten
Bad Neustadt
Icon Pfeil nach unten

MEININGEN: Fräulein Pippi und das ADS-Syndrom

MEININGEN

Fräulein Pippi und das ADS-Syndrom

    • |
    • |

    Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminza Efraimstochter Langstrumpf ist ein Phänomen. Würde das Geschöpf Astrid Lindgrens heute im richtigen Leben auftauchen, hätte Pippi nicht nur Ärger mit einer Frau Prysselius, sondern mit dem gesamten Kompetenzteam des Jugendamtes. Und außerdem stünde die Diagnose der versammelten Psychologenschaft eindeutig fest: „Ohne jeden Zweifel: das ADS-Syndrom. Höchst bedenkliche Aufmerksamkeitsdefizite.“

    Die ewige Junganarchistin aus Südschweden in Südthüringen 2007 - ein Fall für die Jugendfürsorge, fürs Gesundheits- und fürs Veterinäramt (Halten eines Pferdes im Wohnbereich)? Nein, natürlich ein Fall für die Theaterbühne, auf der all die Fantasten uneingeschränktes Tummelrecht haben, die an der Normierung des wirklichen Lebens zerbrechen würden. Nun würde man angesichts der jahrzehntelangen medialen Omnipräsenz von Fräulein Langstrumpf sagen: „Nicht schon wieder eine Pippi-Inszenierung! Es ist ja bereits die eintausendvierhundertunddreiundzwanzigste!

    Selbstläufer

    Aber dagegen gibt es augenblicklich zwei gewichtige Einwände: Astrid Lindgrens 100. Geburtstag und Weihnachten. Da muss man was tun. Erstens sind wir das der beliebtesten Schriftstellerin der Welt schuldig. Zweitens sind wir mit unseren anspruchsvolleren Bühnenprogrammen voll beschäftigt und müssen uns, drittens, dramaturgisch nicht allzu sehr anstrengen, weil, viertens, Pippi ein Selbstläufer auf der Bühne ist.

    So sieht‘s denn auch aus im Meininger Theater, beim diesjährigen Weihnachtsmärchen: Pippi Langstrumpf, die Soundsovielte, inszeniert von Thomas Lange. Mit Songs des musikalischen Leiters Markus Munzer-Dorn und mit Evelyn Fuchs in der Titelrolle. Das Haus ist rammelvoll. Die Kinder lieben ihre Pippi. Sie johlen und hoffen und bangen und fiebern und eigentlich muss vor der Villa Kunterbunt nicht mehr geschehen als dass Donner-Karlsson (Ulrich Kunze) Pippis Goldkoffer grapschen will. Pippi gehört zur Familie und ist damit ein Tag und Nacht schützenswertes Lebewesen.

    Gewisser Charme

    Man kann der Meininger Lindgrengeschichte einen gewissen Charme nicht absprechen, auch wenn sie unter dem Niveau liegt, das Regisseur Thomas Lange sonst bei seinen Inszenierungen bietet. Das Bühnenbild von Kerstin Jacobssen ist schön und praktikabel und wenn Pippi auf dem Dach liegt oder im Bett unterm Himmelszelt und die Sternchen leuchten, dann kriegt man selbst als Erwachsener seine Anwandlungen.

    Auch Franziska Schmidts Puppen (vom agilen „Kleinen Onkel“ bis zum stummen Papageienfisch) sind sympathische Zeitgenossen. Und schließlich vollbringen Evelyn Fuchs und ihre Mitstreiter Maila Giesder-Pempelforth, Sascha Mey, Eva Kammigan, Ulrich Kunze, Matthias Herold und einige mehr hüpfend und springend und singend und kletternd und Räder schlagend kleine Wunder, um das allseits Bekannte und Immerwiederkehrende in Gang zu halten. Spannend im außergewöhnlichen Sinn oder gar innovativ ist das nicht. Aber es funktioniert. Jedenfalls solange das ADS-Syndrom nicht um sich greift.

    Trotzdem schade, dass den Machern zu Astrid Lindgrens Geburtstag nicht mehr eingefallen ist, als Pippi die Soundsovielte in Szene zu setzen. Da haben wir schon gewitztere Theaterstücke für Kinder erlebt.

    Pippi Langstrumpf steht bis Januar auf dem Programm. Infos und Tickets über Tel. (0 36 93) 45 12 22 oder 45 11 37. www.das-meininger-theater.de

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden