„Ich bin von Haus zu Haus gelaufen“, erzählt Manfred Sitzmann aus Oberelsbach, Hauptinitiator des Projekts und stellvertretender Vorsitzender des Trachtenverbands Unterfranken. Die Mühe hat sich gelohnt. Überraschend viele „Geldstücke“ wurden von Oberelsbacher Bürgern an einem Sonntagabend zur umfassenden Registrierung ins Vereinsheim gebracht. „Dass es so viele werden, habe ich nie gedacht“, zeigt sich Sitzmann begeistert.
Herrscher auf der Rückseite
Das „Geldstück“ war im 17. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in wenigen Dörfern der Rhön ein Schmuckstück für die Frau, das man zu diesem Zweck umgearbeitet hat. Man hat eine schöne Kette daran befestigt und in der Regel vier Eicheln. Zusammen gehalten wird das Schmuckstück von der „Krone“, die die Verbundenheit mit dem Bayerischen Herrscherhaus symbolisierte. Zu festlichen Anlässen wurde das „Geldstück“ dann zusammen mit der Tracht getragen.
Die Vorderseite des „Geldstücks“ zeigt bis zum Jahrhundertwechsel vom 17. ins 18. Jahrhundert die „Patrona Bavaria“, danach die Mariensäule von München. Auf der Rückseite waren in der Regel die jeweils herrschenden Bayerischen Kurfürsten und Könige eingeprägt. Das älteste bis jetzt in Oberelsbach entdeckte „Geldstück“ stammt aus dem Jahre 1755, zeigt auf der Rückseite Kurfürst Max I. von Bayern, der später König wurde, und ist in Besitz von Elisabeth Simon. Das jüngste entdeckte Original-„Geldstück“ ist aus dem Jahr 1855 – genau 100 Jahre später –, zeigt König Maximilian II und ist in Besitz von Ida Schmitt.
Mit dem Taler zur Kirchweih
Insgesamt 28 „Geldstücke“ hat Manfred Sitzmann mit Unterstützung von Franz Seufert bis jetzt erfassen und sichten können. Mindestens 20 „Geldstücke“ sind – so weiß man – noch zusätzlich im Besitz der Kirche. Nach der Tradition wurden die „Geldstücke“ immer von Mutter auf die Tochter weitervererbt und sie werden noch heute zur Tracht getragen. In den 50er Jahren, den Glanzzeiten der Kirchweih, hat jedes Kirmesmädchen solche „Taler“, wie man die Schmuckstücke auch bezeichnet, zur Tracht getragen. Wer keinen „Taler“ hatte, borgte sich ihn von der Verwandtschaft - oder es wurde eine Nachbildung erworben.
„Ein echtes Geldstück von einer Nachprägung zu unterscheiden ist nicht schwer“, erklärt Manfred Sitzmann. Die Technik, wie die Ketten um den „Taler“ umgehängt wurden, oder auch die Prägungstechnik war früher eine ganz andere als heute. Bei der Erfassung der Oberelsbacher „Geldstücke“ an jenem Sonntagabend im Vereinsheim war keine einzige Nachbildung dabei. Den Wert der echten Schmuckstücke kann Manfred Sitzmann noch nicht genau beziffern, nur so viel: „sehr wertvoll“.
Wie hatte es der Trachtenverein unter Federführung von Manfred Sitzmann geschafft, so viele der seltenen, aber für Oberelsbach typischen „Geldstücke“ zu sammeln? Erster Anhaltspunkt war eine alte Fotografie von einem Heimatfest in den 50er Jahren, auf der alle Kirmesmädchen diese „Geldstücke“ noch trugen. Hier habe Sitzmann zunächst nur Mariechen Herbert erkannt. Mariechen Herbert konnte sodann Auskunft über andere Frauen auf dem Bild geben. Die anderen Frauen wiederum wussten wieder andere, die damals auch mit dabei waren und eventuell ein solches „Geldstück“ noch besitzen.
Von Haus zu Haus gegangen
So ging Sitzmann „tagelang“ von Haus zu Haus und stellte fest, dass der alte Oberelsbacher Brauch teilweise in Vergessenheit geraten worden war. Gerade solche Familien, die keine Tracht mehr zu Hause haben, wussten nie, was mit dem Schmuckstück anzufangen ist. Teilweise musste auch länger danach gesucht werden.
In Erinnerung behalten wird Sitzmann wohl noch länger den Besuch bei Linde und Otto Weber aus Oberelsbach. Die Frage, ob das Ehepaar in Besitz eines solchen „Geldstücks“ ist, verneinte Linde Weber sofort. Von hinten rief jedoch ihr Mann Otto: „Klar haben wir ein Geldstück! Auf dem Dachboden!“ Linde Weber darauf hin: „Also das gibt's ja nicht. Jetzt sind wir schon fast 60 Jahre verheiratet und das hast du mir noch nicht gesagt!“ Allein deswegen war es die Aktion schon einmal wert.
Man darf gespannt sein, was im Buch des Bayerischen Trachtenverbands über die Oberelsbacher „Gewandkultur“ berichtet wird.
Wer noch ein „Geldstück“ hat, möge sich bei Manfred Sitzmann, Tel. (0 97 74) 85 01 63 melden.