In diesem Frühjahr dürfen die Bürger von Bad Neustadt mindestens zwei Mal wählen. Bevor am 15. März die Kommunalwahlen über die Bühne gehen, steht rund vier Wochen zuvor, am 16. Februar, in einem Bürgerentscheid die Entscheidung über das aktuell viel diskutierte Baugebiet in Herschfeld unweit des Rhön-Klinikum Campus an.
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Schmutz: Mündigkeit der Bürger in Frage gestellt
Und diese Diskussionen reißen nicht ab - nicht zuletzt nach der knappen Entscheidung des Stadtrats zuletzt, dem Bürgerentscheid ein eigenes Ratsbegehren gegenüber zu stellen. Gerade die Kurzfristigkeit dieser Entscheidung stößt dem Vorsitzenden der Bürgerinitiative, Hartmut Schmutz, sauer auf. "Man stellt damit letztendlich die Mündigkeit der Bürger in Frage", erklärt Schmutz im Gespräch mit dieser Redaktion. Er bezeichnet das Ratsbegehren als "aktionistisch" und stellt die Glaubwürdigkeit und Loyalität von Bürgermeister Bruno Altrichter in Frage. Den Investoren würde so auf den letzten Metern vor dem Bürgerentscheid noch ein Vorteil verschafft.

Altrichter selbst bezeichnete das Ratsbegehren im Stadtrat als logischen und rechtlich einwandfreien Schritt des Stadtrates, um die zwischenzeitlich geänderten Rahmenbedingungen einer möglichen reduzierten Bebauung in den Bürgerentscheid einzubeziehen.
"Investorengruppe" aus der Rhön
Für diese geänderten Rahmenbedingungen und für das geplante Bauvorhaben "Nördlich der Von-Guttenberg-Straße" zeichnet die HEED Projektentwicklungs GmbH verantwortlich. Die "Investorengruppe", von der in der Vergangenheit häufig öffentlich die Rede war, sei keineswegs, so die Verantwortlichen, eine überregionale Gesellschaft, die eine maximale Gewinnerzielung zum Zweck habe. Vielmehr handelt es sich bei der GmbH, die neu und eigens für diesen Zweck gegründet wurde, um einen Zusammenschluss von vier Privatpersonen: Michael Hohmann, Martin Eckert, Marcus Eckert und Stephan Derleder.
"Wir sind alle in Bad Neustadt geboren, hier stark verwurzelt und auch in der Stadt beziehungsweise deren näheren Umgebung wohnhaft", so Stephan Derleder im Gespräch mit dieser Redaktion. Bewusst sei laut des 36-Jährigen auch Bad Neustadt als Sitz der Gesellschaft gewählt worden, "um die Nähe und Verbundenheit zu diesem Standort sowie diesem Bauprojekt zu würdigen."
Ganzheitlicher Gedanke verfolgt
Rückblickend betrachtet ging die Initiative für die geplante Wohnanlage in Herschfeld auch von den Investoren aus. "Die Stadt hat großen Bedarf an Wohnraum und wir haben uns dann ganzheitlich überlegt, was konkret in Bad Neustadt benötigt wird", erinnert sich Architekt Martin Eckert an den Beginn der Planungen.
Hinzu sei gekommen, dass eine Bebauung auf dem im Eigenbesitz befindlichen Grundstück sich auch gut aufgrund der bereits vorhandenen Erschließungsstraße und der damit verbundenen Infrastruktur eigne.
Der erste Entwurf für das geplante Baugebiet

Nachdem die ersten Pläne bei der Stadt Anklang gefunden hätten, sei, so Eckert, von Beginn an klar gewesen, die Stadt und die Bürger mit ins Boot zu holen und die Planungen offen und transparent darzustellen. Umso mehr sei man überrascht gewesen, welche negative Haltung ihnen in der ersten Stadtratssitzung von Teilen der Bevölkerung entgegengebracht wurde, ohne dass man das Projekt überhaupt öffentlich vorgestellt hatte.
Beim anberaumten Ortstermin im August 2019 habe man sich die Bedenken der Herschfelder Bürger angehört, um dann im offenen Dialog die für alle Beteiligten relevanten Punkte in die Planungen bestmöglich mit einzubeziehen.
Neue Planung vorgestellt
Noch bevor die Bürgerinitiative den Bürgerentscheid Ende November auf den Weg brachte, legte Eckert im Stadtrat eine geänderte Planung für das Areal vor, welche die Belange der Bürger, die bei der Ortsbegehung vorgebracht wurden, im Wesentlichen berücksichtigt.
Die gravierendsten Änderungen: Aus fünf Baukörpern mit einer Wohnfläche von rund 7500 Quadratmetern wurden nunmehr vier mit nur noch 6000 Quadratmetern. Die Bebauung ist nur noch auf der Ackerfläche direkt neben der Von-Guttenberg-Straße vorgesehen. Somit kann der Wald zu 90 Prozent erhalten bleiben. Die Anzahl der Wohneinheiten reduziert sich von zunächst vorgesehenen 142 Wohneinheiten auf maximal 96 Wohneinheiten.
So sieht die neue Planung für das Baugebiet aus

"Mit einem gesunden Mix aus 1-, 2-, 3- und 4-Zimmer-Wohnungen schaffen wir für ein breites Bevölkerungsspektrum perfekte Wohn- und Lebensqualität für nahezu alle Bedürfnisse", ist sich Stephan Derleder sicher.
Ökologische Wohnprojekte als Überzeugung
Wie er hinzufügt, sei von Anfang an, nicht nur der Verkauf, sondern auch die Vermietung von Wohnungen vorgesehen. Zu Teilen verbleiben diese im Eigenbesitz“, so Derleder. "Uns liegt ein gepflegtes Erscheinungsbild ebenso am Herzen, wie ein niveauvolles und dauerhaftes Wohnkonzept." Mit den Änderungen habe man laut des Architekten Martin Eckert damit fast alles umgesetzt, was die Bürger bewege. Die Gebäude entsprächen in ihrer Bauweise den neusten energetischen und ökologischen Standards unter Verwendung regenerativer Energiesysteme.
Begrünte Flachdächer zur Regenwasserretention sowie nachhaltige Heizungs- und Lüftungskonzepte entsprächen zudem der eigenen Überzeugung für die Umsetzung von ökologischen Wohnprojekten.
Nach Vorstellung des überarbeiteten zweiten Planes habe er auch im Stadtrat viel Wohlwollen über alle Fraktionsgrenzen hinaus verspürt, sagt Eckert. Wie bei jedem Projekt, so der Architekt, sei es das Ziel, alle am Projekt Beteiligten zu würdigen, weil sich aus dem heraus das Projekt selbst bereichert und somit immer das bestmögliche Gesamtergebnis für alle Beteiligten erreicht werden kann.
Weiterhin Widerstand und Kritik der Bürgerinitiative

Der Widerstand und die Kritik von Hartmut Schmutz und seiner Bürgerinitiative auch zu den neuen Plänen reißen jedoch nicht ab. Die Aussage der Stadt zum bestehenden Wohnraummangel sei seiner Ansicht nach nicht belastbar und begründet. "Es wird aktuell schon viel gebaut", so Schmutz, der zudem auf Leerstand in den Anrainergemeinden und in Herschfeld hinweist. Gebaut werden könne seiner Ansicht nach auch an anderer, geeigneterer Stelle.
Sorge um Eingriff in die Natur
Dass das Waldstück in den neuen Plänen der Investoren größtmöglich erhalten bleiben soll, sieht Schmutz als nicht durchhaltbar. "Außerdem wurde durch den Klinikkomplex bereits immens in die Natur eingegriffen", kritisiert der Vorsitzende der Bürgerinitiative. Das würde dann auch für die bislang unberührte und noch nicht erschlossene Grünlandschaft in dem geplanten Baugebiet gelten.
Als eine der größten Sorgen sieht Schmutz die Wucht der Bebauung. "Die Wohnkolosse bleiben unverändert überdimensioniert. Von einer maßvollen Bebauung kann keine Rede sein", spielt Schmutz auf die Passage in der Frage des Ratsbegehrens an. Zudem fürchtet er aufgrund der Bezeichnung "1. Erschließungsabschnitt" in der Fragestellung einen Dominoeffekt und eine Initialzündung für eine weitere Bebauung entlang der Von-Guttenberg-Straße.
Bürgerinitiative bleibt optimistisch
Was den Ausgang des Bürgerentscheids angeht, ist Schmutz auf Nachfrage weiter optimistisch, dass dieser zu Gunsten der Bürgerinitiative ausgeht. "Die Chancen sind nicht schlechter geworden", meint er nach der Entscheidung für ein zusätzliches Ratsbegehren. Mit Flyern und Gesprächen wollen Schmutz und seine Mitstreiter bis zum 16. Februar für ihre Interessen werben.
Und an jenem 16. Februar haben dann die Bad Neustädter bei der ersten Wahl in diesem Jahr 2020 die Wahl.