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BAD KÖNIGSHOFEN: Gitarren sind mehr als Klangkörper mit Saiten

BAD KÖNIGSHOFEN

Gitarren sind mehr als Klangkörper mit Saiten

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    Links das Ergebnis einer umfassenden Restaurierung, eine Gitarre, die jetzt höchsten Anforderungen genügt. Rechts zeigt Johannes Tappert im Vergleich die alte Decke, der im Lauf der Zeit übel mitgespielt wurde.
    Links das Ergebnis einer umfassenden Restaurierung, eine Gitarre, die jetzt höchsten Anforderungen genügt. Rechts zeigt Johannes Tappert im Vergleich die alte Decke, der im Lauf der Zeit übel mitgespielt wurde. Foto: FOTOs (3) Silke Kurzai

    Natürlich müsse sie gereinigt werden, erklärt Tappert, die Bundstäbchen werde er austauschen, weil sie bereits stark abgenützt seien, aber er habe ein echtes Schnäppchen gemacht, das wohl das Herz eines jeden Gitarren-Freundes höher schlagen lässt.

    Wir sind in der „Gitarrenmanufaktur“, der Werkstatt des Gitarrenbauers Hermann Gräfe in Lendershausen bei Hofheim, wo Tappert, der an der Berufsfachschule für Musik in Bad Königshofen seit 25 Jahren das Fach Gitarre unterrichtet, gerne manchen Abend verbringt, wenn es sein Terminkalender erlaubt. Denn Johannes Tappert ist nicht nur Gitarrenlehrer und renommierter Gitarrist, der zahlreiche CDs veröffentlicht hat und in Deutschland und weltweit mit seinem Instrument aufgetreten ist. Er baut inzwischen auch eigene Instrumente und restauriert historische Gitarren, die er zum Beispiel bei Ebay weltweit ersteigert.

    Gitarren als Lebensinhalt

    In der Werkstatt von Hermann Gräfe hat er hier nicht nur einen hervorragend ausgestatteten Arbeitsplatz gefunden, sondern in Gräfe und dessen Mitarbeiter Michael Götz auch zwei Gleichgesinnte, die von der Leidenschaft für die Gitarre genauso gepackt sind wie er, der schon als 13-Jähriger wusste, dass er das Gitarrespielen zu seinem Beruf machen wollte.

    Schon mit 18 legte der gebürtige Schweinfurter als Jüngster die Prüfung als Gitarrenlehrer beim Bayerischen Volkmusiklehrerverband ab, studierte nach dem Abitur in Wuppertal und Hannover Gitarre und lehrte dann unter anderem am Konservatorium in Würzburg und an der Hochschule für Künste in Bremen. An der Berufsfachschule für Musik in Bad Königshofen ist er seit Anbeginn dabei und hat inzwischen viele Schüler ausgebildet, mit denen er oft auch nach ihrem Abschluss in Verbindung bleibt.

    Er freut sich jedenfalls, wenn er, so wie für nächste Woche, wieder einmal die Einladung zu einem Hochschuldiplom-Abschlusskonzert erhält. In der Werkstatt inspizieren nun auch Hermann Gräfe und sein Mitarbeiter Michael Götz die „Amerikanerin“, wie Tappert die Neuerwerbung scherzhaft tauft, mit Interesse. Das Instrument wird durch das Schallloch von innen mit einer Lampe ausgeleuchtet. So kann man mit Hilfe eines Spiegels auch in den Bauch der Gitarre schauen und etwas über den Zustand und die Bauweise erfahren, ohne sie auseinander zu legen. Sie erkennen, dass die Decke aus Fichte, Boden und Zargen (so nennt man die Seitenteile) aus dem wertvollen Rio-Palisander gemacht sind.

    Holz ist der wesentlichste Bestandteil der Gitarre, und nur von ausgewählten Bäumen, deren Stämme auch eine gewisse Dicke haben, lassen sich solche „Tonhölzer“ gewinnen. Das sind durchaus einheimische Gewächse wie Fichte und Bergahorn, Esche oder Kirsche, aber auch exotische wie Palisander, Zypresse oder Mahagoni, die von der Konsistenz her hart sind, was später dann dem Klang eine ganze eigene Prägung verleiht. Die Stämme dürfen keine Astlöcher haben und schon an der Art, wie sich die Jahresringe schichten, kann der Fachmann Rückschlüsse auf die Klangqualität des Holzes ziehen. Auch die Maserung des Holzes ist entscheidend, denn schließlich spielen später bei dem fertig lackierten Instrument auch ästhetische Gesichtspunkte eine Rolle.

    „Eine Gitarre mit sieben Saiten zu bauen, war ein interessantes Experiment“

    Johannes Tappert über seine einmalige Linsengitarre

    In Herman Gräfes Werkstatt werden in erster Linie klassische Konzertgitarren hergestellt, an deren Bauweise sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts eigentlich nicht viel geändert hat. Trotzdem verlockt es die Instrumentenbauer immer wieder zu experimentieren. Gerade Tappert als versierter Gitarrist kann hier aus seiner Spielpraxis oft wertvolle Tipps geben. So hat er selbst eine Gitarre gebaut, die er seine „Linsengitarre“ nennt, weil der untere Teil der als bauchige Acht geformten Decke wie eine Linse in der Mitte erheblich dicker ist als außen.

    Statt mit nur sechs Saiten, wie üblich, ist die Gitarre mit sieben ausgestattet. Das war ein Experiment, sagt Tappert, und er ist mit dem Ergebnis so zufrieden, dass er seine Linsengitarre auch schon in Konzerten und bei einer Rundfunkaufnahme eingesetzt hat.

    Auch wenn es um das Restaurieren alter Gitarren geht, kann Tappert einiges vorweisen. Was an historischer Substanz zu verwenden ist, versucht er zu erhalten. Aber manchmal muss er Teile neu anfertigen, wenn sie im Lauf der Zeit zu sehr von ihren Besitzern mit Nägeln oder Kleber malträtiert wurden oder das Instrument unter ungünstigen Bedingungen herumlag.

    Manchmal aber stellt sich auch heraus, dass unter dicken Schichten von Lack wirkliche Schätze auftauchen. Manchmal sind es auch nur Teile einer Gitarre, die ihn interessieren, wie etwa die historischen Caspariwirbel, die er bei einer Gitarre im Internet entdeckte und die wunderbarerweise auch völlig in Ordnung waren.

    Alles in Handarbeit

    Es ist jedenfalls schier überwältigend zu sehen, wie viele verschiedenartige Gitarren es in der „Gitarrenmanufaktur“ von Hermann Gräfe in Lendershausen gibt. Alle sind sie in zuverlässiger Handarbeit angefertigt worden: Westerngitarre, Flamencogitarre, kleine Oktavgitarren oder die zweihalsige Schrammelgitarre. Michael Götz, der an der Fachhochschule im sächsischen Markneukirchen, einem der ältesten Gitarrenbauzentren in Deutschland, Zupfinstrumentenbau studiert und einige Zeit in Venezuela verbracht hat, ist zum Beispiel Spezialist für südamerikanischen Gitarren oder Hawaiigitarren, die er vorzugsweise auch nach Amerika verkauft.

    Hermann Gräfe, der in Rosenheim Holztechnik studierte, betreibt seine Instrumentenbauwerkstätte in Lendershausen seit 1988. Er verkauft nicht nur, er übernimmt auch Reparaturen und fertigt auf Wunsch Gitarren nach Maß. Dabei steht für ihn die handwerkliche Präzision im Vordergrund, denn die Qualität der Arbeit beeinflusst später auch den Klang eines Instrumentes. Ein Besuch in der Werkstatt in Lendershausen ist jedenfalls nicht nur für Gitarristen eine Offenbarung, denn wenn man sieht, wie viele Kenntnisse und Fertigkeiten nötig sind, um ein Instrument zur Vollendung zu bringen, kann man nur staunen.

    Die Abende, an denen Johannes Tappert zu den beiden Instrumentenbauern stößt, dauern jedenfalls oft sehr lange. Fachsimpeleien mit den beiden Instrumentenbauern gehören einfach dazu. Auch an diesem Abend ist es spät geworden, als sich Johannes Tappert auf den Weg zurück nach Bad Königshofen macht. Die „Amerikanerin“ lässt er erst mal in Lendershausen, denn auch Hermann Gräfe will das Instrument genauer unter die Lupe nehmen.

    Stichwort

    Gitarrenbauer

    Wer sich für die Gitarren von Johannes Tappert interessiert, kann viele Details zu Restaurierung und Neubau im Internet unter www.tappert-news.de erfahren. Auch die Gitarrenmanufaktur von Herman Gräfe ist im Internet unter www.gitarrenmanufaktur.de vertreten. Natürlich ist auch ein Besuch in der Werkstatt in 97641 Hofheim/ Lendershausen Brauhausstraße 4. Tel. (0 95 23) 848 nicht nur möglich, sondern mit Sicherheit auch erwünscht.

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