Ein Cellist im klassischen Sinne ist Wolfram Huschke nicht. Wie ein glückliches Kind wirkt er bei der Begrüßung in einer Halle, in der normalerweise verladen wird. "Doch keine Angst", verkündet er mit leiser Stimme, "mein Publikum verlade ich sicher nicht". Es riecht eigentümlich in der Maschinenhalle von RST-Stahlbau in Niederlauer. Nach Industrie eben, nach Stahl und nach Farbdämpfen.
Die Mitte der Halle kurzerhand ausgeräumt, eine stattliche Anzahl von Stühlen rein. Vorne die Bühne steht auf Stahlböcken, dekoriert mit zahllosen kleinen brennenden Teelichtern, wie die ganze Halle. Eine zunächst seltsame Atmosphäre.
Wolfram Huschke greift nach seinem Cello und beginnt mit einem Konzert der Stille, wie er sagt, mit "Morgen in Niederlauer". Und plötzlich ganz vage, ganz zart, doch deutlich zu erkennen die Weise von "Hänschen klein...". Sie wird noch öfter erklingen an diesem Abend.
Und schon jetzt wird jedem klar, Huschke beherrscht das Cello wie kaum ein anderer. Sein zweites Lied benennt er lapidar "Sehnsucht". Doch die hält nicht lange an. Der Meister beginnt zu singen, verdreht eigentümlich den Kopf dabei. Er scheint hoch droben an der Hallendecke etwas zu suchen, an das Arbeiter hier drinnen im Alltag ganz sicherlich keinen Gedanken verschwenden können.
Huschke schwebt in sphärischen Höhen und betet scheinbar eine imaginäre Gestalt an. Dann schrubbt er wie wild auf seinem Cello herum, bearbeitet es gnadenlos. Melodie? Die Akustik ist jedenfalls phänomenal. Unglaublich, aber auch die Atmosphäre in der Fabrikhalle ist urgemütlich.
Huschke kommt an beim Publikum, locker und sympathisch animiert er es zu Zwiesprachen, bringt die Menschen zum Lachen.
Warum ein Cellist wie er nicht brav und adrett in einem Orchestergraben sitze, diese rhetorische Frage beantwortet er gleich selbst. Als studierter Musiker und Freidenker zugleich sah er keine Zukunft in seiner Heimat, der ehemaligen DDR, und floh in den Westen. Hier verdiente er seinen Unterhalt teilweise als Straßenmusikant. Hier lernte er auch seine perfekte Art der Improvisation.
Mit seinen drei Celli ist Wolfram Huschke längst nicht mehr nur in der Klassik zu Hause. Ein richtig schönes altmodisches Instrument, ein Violoncello, streichelt er wie eine Geliebte, intoniert sauber und eloquent Klassisches.
Die beiden anderen Instrumente muten eher abenteuerlich an, eigenartige Gebilde, mit denen er einen rockigen Sound hervorzaubert, die so manche Rockband vor Neid erblassen lassen könnte. Mit seiner selbst komponierten "Eroica" etwa, die alles Unaussprechliche umfasst, so Huschke erklärend, begibt er sich auf eine Reise. Bonanza und Countrymusik, spanische Klänge, Eigenkompositionen.
Seine Instrumente missbraucht er als Trommel, zupft, rupft und schlägt sie. Die Musik bleibt dennoch eigenartig rhythmisch und einschmeichelnd. Einfach unglaublich, was Huschke zu bieten hat.
Sein urkomisches mimisches Talent beim "Konzert der Affen" überzeugt total, wenn er sich dabei auch noch selbst die künstliche Glatze, sein Markenzeichen, liebevoll krault. Oder Jimi Hendrix, den er kurz zum Leben erweckt.
Kurz darauf bezaubert er die Anwesenden zart und einfühlsam mit einem kleinen Liebeslied. Die Gegensätze sind grandios. Zum Abschluss malträtiert er sein Cello knallhart bis zur Schmerzgrenze, Santana lässt grüßen. Carlos, bitte verzeih, aber der Junge hier macht dir gnadenlos Konkurrenz.
Tosender Applaus, das große Kind mit dem sympathischen Grinsen hat alle überzeugt.
Gerlinde Partl