Wer den Turm bei der Versteigerung der Sächsischen Grundstücks-auktionen AG in Erfurt erwirbt, hätte also auch noch die Denkmalschützer am Hals, falls er seinen neuen Besitz zu einem Wochenend-Domizil für die ganze Familie umbauen wollte. Man weiß allerdings nicht, ob er das vorhat. Der Käufer ist nicht anwesend. Stellvertretend für ihn hat vorige Woche eine Mitarbeiterin des Auktionshauses geboten. Über Telefon nimmt sie die Anweisungen entgegen.
Betreutes Wohnen in Inspektion
Markus Küssner vom Immobilienkontor Leipzig sitzt dagegen leibhaftig im Saal. Er liebäugelt mit dem 250 Jahre alten Gebäude in Altenburg, in dem zuletzt die Polizei untergebracht war. Er plant ein Heim für betreutes Wohnen. Die denkmalgeschützte Immobilie ist laut Prospekt in einem „insgesamt ordentlichen, aber weiterhin sanierungs- und modernisierungsbedürftigen Zustand“. Was mag das heißen, fragt man sich und verfolgt gebannt den Bieter-Wettstreit. Küssners legt Tausender um Tausender drauf. Einfach durch Handheben, als melde er sich, um eine Frage zu beantworten.
Gestellt wird sie von der Auktionatorin dort vorne. Die Frage ist ganz einfach: „Gibt es ein höheres Gebot?“, schnurrt Martina Stein von ihrem Podium herab. Küssner antwortet per Handheben, was mit einem erfreuten „63 000 Euro von dem Herrn links im Saal“ quittiert wird. Ferngesteuert durchs Telefon hebt sich rechts ein Arm. 65 000.
Küssner, der eigentlich viel weiter gehen wollte, hat genug. Irgendetwas sagt ihm, die Finger von der Immobilie zu lassen, in die angeblich ein Domina-Studio einziehen wollte. Da ist womöglich was hängen geblieben, denkt er sich und lässt die Hand unten. Den Zuschlag bekommt der Unbekannte am Telefon. „65 000 Euro zum Dritten. Herzlichen Glückwunsch!“ Seine Identität möchte er jedoch nicht preisgegeben wissen. „Seriös“ sei er, sagt Anett Jakobi vom Auktionshaus. Ein Domina-Studio werde er „definitiv“ nicht einrichten. Das Gebäude der früheren Fachschule für Sozialpädagogik gleich nebenan hat der Unbekannte für 19 000 Euro ebenfalls gekauft.
Dr. Ray d‘ Ehghani, Tierarzt aus London, geht dagegen leer aus. Der aus Neuseeland stammende 46-Jährige schwärmt für das Forsthaus in Neustadt am Rennsteig. Das ist zwar ziemlich alt und ziemlich kaputt, aber es gehören ein großes Grundstück, Scheune und Pferdekoppel dazu. Er wolle es für seine Familie erwerben, sagt der Engländer. Na, wegen der guten Luft und der herrlichen Landschaft.
Londoner Doktor kauft Forsthaus
Das Mindestgebot sind 8000 Euro. Auf dem Weg nach oben fallen nach und nach die vielen Telefonbieter ab. Zum Schluss bleiben nur d‘Ehghani und ein braungebrannter Mann mit gegeltem Haar und grauem Anzug übrig. Die Summe klettert weiter, im Saal wird die Luft dünn. Der Doktor aus London scherzt mit seinem Begleiter. Er wirkt nicht im Mindesten beunruhigt. Jeder dritte Kunde der Grundstücksauktionen AG stammt mittlerweile aus dem Ausland. Briten, Iren, Holländer und aus dem Osten vor allem Russen und Rumänen. Dass die den vollen Kaufpreis gleich auf den Tisch legen, ist auch schon vorgekommen.
Der Anzugträger ist vor Aufregung ganz starr geworden. Der Hemdkragen rutscht aus dem Anzug. Er schnappt nach jedem Gebot seines Konkurrenten. Bei 80 000 Euro reißt er das Forsthaus endlich an sich. Zuschlag und Flucht aus dem Saal.
Eigentümer ist er allerdings noch nicht. Wie bei den Gebäuden in Altenburg oder dem ehemaligen Gefängnis in Gotha, das später für 120 000 Euro verkauft wird, hat sich das Land Thüringen als bisheriger Besitzer vier Wochen Bedenkzeit ausbedungen. Man will erst wissen, wer zu welchem Zweck kauft. Notfalls lässt man den Deal lieber platzen und bietet das Gebäude erneut an. Die Sorge, etwas nicht loszuwerden, ist unbegründet. Es herrscht zwar nicht mehr diese Goldgräberstimmung wie vor drei Jahren, als sich die Interessenten um Thüringer Forsthäuser förmlich rissen. Aber auch dieses Mal läuft es „fantastisch“, sagt Auktionatorin Stein.
Von den 50 Objekten, die 1,4 Millionen Euro einbringen, wird nur ein einziges nicht verkauft. Selbst der Grenzturm geht weg. Für 7000 Euro, dem Siebenfachen des Mindestgebots.