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BAD NEUSTADT: Hebamme holt keine Babys mehr

BAD NEUSTADT

Hebamme holt keine Babys mehr

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    Hebamme im Einsatz: Christine Gröschel wiegt den zwölf Tage alten Luca.
    Hebamme im Einsatz: Christine Gröschel wiegt den zwölf Tage alten Luca. Foto: Foto: Gröschel

    Die Bad Neustädter Hebamme Christine Gröschel kann nicht mehr tun, was Kernaufgabe ihres Berufs ist: Babys auf die Welt holen. Denn ab 1. Juli müsste sie – wie 15 700 andere freiberufliche Hebammen in der Bundesrepublik – 3689 Euro jährlich für eine Berufshaftpflichtversicherung zahlen, in der Geburtshilfe miteingeschlossen ist. Momentan kostet die noch 2370 Euro. Die Erhöhung um über 1300 Euro kann sich Gröschel nicht leisten.

    Die Konsequenz für die Vorsitzende des Kreisverbands Rhön-Grabfeld/Bad Kissingen des Deutschen Hebammenverbandes (DHV): Sie konzentriert sich künftig nur noch auf die Vor- und Nachbereitung von Geburten. Denn die Haftpflichtversicherung ohne Geburtshilfe ist mit 315 Euro tragbar.

    Mit Gröschel befindet sich ein ganzer Berufsstand auf dem Rückzug: Nach Angaben des DHV leistet nur noch ein Viertel der Hebammen tatsächlich Geburtshilfe. Die restlichen Hebammen verdienen ihr Geld vor und nach dem eigentlichen Geschehen, leiten Geburtsvorbereitungskurse, leisten frisch gebackenen Müttern Wochenbettbesuche, helfen im Umgang mit dem Baby, überwachen den Wochenbettverlauf.

    Im ganzen Landkreis Rhön-Grabfeld gibt es mit Cornelia Braun nur eine Hebamme, die noch Hausgeburten betreut. Rund zehn Hausgeburten leitet sie pro Jahr, etwa 350 Euro kriegt sie pro Geburt von der Krankenkasse, rund 200 Euro Bereitschaftspauschale von der Familie. Auch sie hatte überlegt aufzugeben, als die Erhöhung der Berufshaftpflicht im Gespräch war. „Mit der erhöhten Berufshaftpflicht wäre ich bei Null rausgekommen.“

    Letztendlich ist Braun nun zu einer österreichischen Versicherung gewechselt, die nur die Hälfte des Betrags einfordert. „Die haben nur 300 Policen verkauft und ich hatte das Glück reinzurutschen“, so die Hebamme.

    Weil Personenschäden im Heilwesen richtig teuer werden können, ist der Versicherungsbeitrag erhöht worden. Wenn bei einem behinderten Kind ein Leben lang gezahlt werden müsse, könne das in die Millionen gehen, so Gröschel. „Bei Geburten kann der Wind schnell drehen“, sagt die 31-Jährige. Und: „Wenn man einen Schuldigen sucht, findet man ihn auch.“

    Bevor Christine Gröschel zum zweiten Mal Mutter wurde, hat sie Cornelia Braun in punkto Hausgeburten unterstützt. Ursprünglich hatte sie vor, langsam wieder in die Hausgeburtenhilfe einzusteigen. Mit der Erhöhung der Berufshaftpflicht rentiere sich das nicht mehr.

    Dass nach und nach immer weniger Frauen Geburtshilfe anbieten, findet sie dramatisch: „Die Frauen haben damit keine Möglichkeit mehr, den Geburtsort zu wählen.“ Letztendlich gehe die Entwicklung wohl dahin, dass Frauen nur noch in Krankenhäusern entbinden, wo Hebammen wie Krankenschwestern angestellt sind. Damit entfalle die Option, sich für eine Geburt in familiärer Atmosphäre zu entscheiden.

    Gröschel selbst hat ihre beiden Kinder zu Hause zur Welt gebracht und würde das sofort wieder tun: „Eine Geburt ist ein ganz normaler physiologischer Vorgang. Sie kann, muss aber nicht im Krankenhaus erfolgen.“ Erfahren hat sie das zum ersten Mal als Hebammenschülerin in Würzburg. Weil die Hebamme zu spät kam, musste sie als Schülerin Hand anlegen. „Dann pressen Sie halt“, sagte sie. Schon sei der Kopf da gewesen. „Das Kind hat die Augen aufgemacht und mich angeschaut.“

    Dass der Körper einfach sagt, was man tun muss, dass die Natur einfach von sich aus macht – das habe sie beeindruckt. Sie sei nicht Hebamme geworden, weil Babys so süß sind, sagt Gröschel. In erster Linie gehe es ihr darum, Frauen Halt zu geben. Das könne sie natürlich im Rahmen von Vor- und Nachsorge. „Aber es sollte doch einer Hebamme möglich sein, eine Geburt zu betreuen.“

    Petitionsverfahren

    Der Deutsche Hebammenverband fordert, die Hebammenhilfe auf solide gesetzliche und finanzielle Grundlagen zu stellen. Dafür wurde eine Petition an den Deutschen Bundestag auf den Weg gebracht. 50 000 Unterschriften waren für eine öffentliche Anhörung nötig. Am Ende der Unterzeichnungsfrist hatten mehr als 105 300 Menschen online unterzeichnet, rund 80 970 auf Papier. Am 28. Juni beschäftigte sich der Petitionsausschuss mit den Forderungen des Hebammenverbandes. Bei der Anhörung selbst werden keine Entscheidungen getroffen. Am 30. Juni und 1. Juli tagt die Gesundheitsministerkonferenz der Länder, für den 5. Juli ist der erste Schiedsstellentermin anberaumt. Laut Hebammenverband soll der Protest weitergehen, unter anderem mit Mahnwachen.

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